Wetter/Hagen. Vor Weihnachten kamen die ersten Kündigungen in Wetter, jetzt geht es weiter. Betroffen sind vor allem Frauen. Viele Klagen vor Gericht
Bei Ehrungen und Auszeichnungen lässt sich die Paul Danz AG, die seit 2015 unter dem Namen „Nobamed“ firmiert, gerne öffentlich feiern. Stolz präsentiert sich der Medizinprodukte-Vertreiber aus Wengern, wenn er - wie im März geschehen - von der nordrhein-westfälischen Wirtschaftsministerin als „hochinteressanter Arbeitgeber“ gelobt und mit dem Siegel „Weltmarktführer“ ausgezeichnet wird.
Oder wenn, wie im Jahr zuvor, der bekannte WDR-Wissenschaftsjournalist Ranga Yogeshwar dem Traditionsunternehmen das „Top-100-Siegel“ für besondere Innovationskraft überreicht. Die Frauenzeitschrift „Brigitte“ hatte die Firma Nobamed einst sogar zu den „120 besten Arbeitgebern bundesweit für Frauen“ gekürt. Das werden die insgesamt 20 Frauen, die dort in den vergangenen Monaten ihren Arbeitsplatz verloren haben, wohl ganz anders sehen.
Seit Jahrzehnten im Unternehmen
Die erste Massenentlassung kurz vor Weihnachten betraf die Produktion. Ältere Mitarbeiterinnen, meist seit Jahrzehnten bei Nobamed beschäftigt, mussten „betriebsbedingt“ gehen. Denn die gesamte Produktion in Wetter sei eingestellt und nach Polen verlagert worden, hieß es damals vor dem Arbeitsgericht. Nun wurden auch die Mitarbeiterinnen der Abteilung „Auftragsbearbeitung“ fristgerecht gekündigt und von der Arbeit freigestellt. Ihre Arbeitsplätze würden wegfallen, weil ab sofort „Künstliche Intelligenz“ (KI) zum Einsatz komme, lautet diesmal die Begründung. Wieder sind fast ausschließlich ältere Frauen betroffen, überwiegend um die 60 Jahre alt. Und wieder sind es Mitarbeiterinnen, die seit Jahrzehnten für das Familienunternehmen mit Sitz in der Höltkenstraße arbeiteten, das sich selbst immer noch als „der leistungsstarke Medizinproduktehersteller in Deutschland“ bezeichnet.
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Erneut muss sich deshalb das Arbeitsgericht Hagen mit der Firma Nobamed beschäftigen: Sechs gekündigte Frauen haben Kündigungsschutzklagen eingereicht. Vorstandsvorsitzender Sebastian Danz sitzt, wie schon im ersten Prozesskarussell, schweigend neben seiner Vertreterin vom Arbeitgeberverband. Diese erklärt, dass die ausschließliche Aufgabe der sechs Klägerinnen die Auftragserfassung und Auftragsbearbeitung gewesen sei. Alle Daten der Kunden, die bisher bei Nobamed aus dem umfangreichen Sortiment von 2400 Medizinprodukten, von Watte über Masken bis hin zu OP-Bekleidung, bestellt hätten, mussten von den Mitarbeiterinnen von Hand in das Computersystem eingegeben werden. Erst dann konnten die Daten weitergeleitet und bearbeitet werden. Anfang August wurde im Unternehmen ein auf künstlicher Intelligenz basierendes System eingeführt, das diese Aufgaben nun selbstständig erledigt: „Dadurch sind ihre Arbeitsplätze hinfällig geworden“, so die Nobamed-Vertreterin.
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Richterin Nicole Becker, die in ihrem Dezernat fünf Klagen zu verhandeln hat, lotete in den Güteterminen bereits Einigungsmöglichkeiten zwischen den Parteien aus. Die gekündigten Frauen und ihr Anwalt könnten sich Abfindungszahlungen mit dem Faktor 0,5 vorstellen: Also ein halbes Monatsgehalt pro Beschäftigungsjahr. Das ist Nobamed zuviel. Die Firma wäre allenfalls bereit, Abfindungen mit einem Faktor von 0,2 zu zahlen, also den fünften Teil eines Monatsgehalts. Eine Einigung kam daher nicht zustande. Richterin Becker hat alle fünf bei ihr anhängigen Verfahren auf den 28. Januar nächsten Jahres terminiert. Kommt es auch dann nicht zu einer Einigung, muss die Kammer Urteile fällen.