Wetter. Familie Koßmann in Wetter hat eine beispiellose Hilfeaktion ausgelöst. Ihr Hund braucht dauernd neue Wickel. Jetzt stapeln sich die Spenden.
Ein Bürotischchen, wie viele. „Da liegt er sonst, mein Miro, mein Wächter“, sagt Bea Koßmann und zeigt auf die leere Stelle neben ihrem Drehstuhl. Auch jetzt liegt Miro, aber daheim und sterbenskrank. Eine Autoimmunkrankheit lässt Haut und Pfoten und Mund eitern. Immer wieder sind neue Verbände nötig. Die Familie Koßmann hat mittlerweile mehr als genug davon. Ein Aufruf auf Facebook hat eine beispiellose Hilfsaktion ausgelöst.
Verbandszeug aus Italien
Seit Tagen stehen Kisten mit Verbandszeug vor der Tür. Verfallsdatum unbedeutend. Freunde haben gespendet, Nachbarn und sogar Menschen, die lange schon aus Wetter weggezogen sind. Über Facebook sind sie der alten Heimat verbunden. „Das muss noch aus dem Ersten Weltkrieg sein“, sagt Bea Koßmann und zeigt auf ein Verbandspäckchen, dem noch ein Kreidestift beigegeben war. Wie zum Nachzeichnen von Umrissen von Verletzten. Zu einer Verbandskiste aus Plastik gehört eine vergilbte Beschreibung in Italienisch. Andere Kartons kommen über Amazon. Ihr Inhalt ist ganz neu.
Für Bea Koßmann ist es „ein Wahnsinn“, was in den wenigen Tagen seit dem Aufruf zusammen gekommen ist. Gerne sagt sie allen Spendern ein Dankeschön. „Ich habe eine Apotheke zuhause, damit kann ich 15 Jahre alle Hunde versorgen“, stellt sie immer noch mit Staunen fest und nimmt die Fülle der Spenden als Zeichen, dass es sich lohnt, sozial zu sein.: „Die Menschen merken, dass man was für andere getan hat - und wollen auf diese Art etwas zurückgeben.“
„Schwätzbänkchen“ für Jung und Alt
Was aber hat die 60-jährige Grundschöttelerin für andere unternommen, dass sie sich jetzt vor Verbandszeug kaum retten kann? Die Antwort hat vier Beine, auch wenn es nicht Hund Miro ist: Vor dem Haus ihrer Tochter Auf der Höhe 25 stellt sie im Sommer immer das „Schwätzbänkchen“ auf. Senioren aus der Nachbarschaft nehmen darauf Platz, reden miteinander, greifen zu einer der Wasserflaschen, die Bea Koßmann fürsorglich unter der Bank abgestellt hat. Und auch Junge gesellen sich gerne dazu.
Der Spendenappell war erst ein paar Stunden alt, da türmten sich die ersten Kisten vor der Tür. Bea Koßmann konnte gar nicht so schnell von ihrem Arbeitsplatz bei der Evangelischen Stiftung Volmarstein kommen. Eine Nachbarin räumte den Stapel ins Trockene. Und immer noch wird Verbandsmaterial für Miro abgegeben. „Der ganze Hund besteht nur noch aus Eiter und Blut“, erklärt sie den großen Bedarf für die sanften Wickel.
Im Dezember ging‘s plötzlich los
Ein Foto zeigt Miro mit weißen „Schühchen“ über allen vier Pfoten. Viel mehr als liegen kann er nicht mehr. Alles ist aufgerissen oder schorfig. Fürs Geschäft muss er nach draußen getragen werden. Medikamente lindern den Schmerz. Im Dezember ging es los mit einem Ausschlag an der Schnauze. Niemand in der Familie hätte gedacht, wie sehr sich das Leben mit dem schwarzen Hütehund ändern würde. Acht Jahre blieb der Briar kerngesund. In wenigen Wochen war er völlig geschwächt.
Baby, Schoßhund, Aufpasser im Büro, Beschützer des Enkels nennt Bea Koßmann ihren Miro. Jetzt ist er nur noch ein Patient. Ein Foto zeigt ihn putzmunter auf ihrem Schoß. Ein anderes das ganze Ausmaß seiner Erschöpfung. Eine OP hat ihn nicht wirklich über den Berg gebracht. Nun ruhen alle Hoffnungen auf einer Behandlung mit Cortison. „Bis Freitag noch hat er eine Chance“, sagt Bea Koßmann und gibt sich gefasst.
Wird sich sein Zustand bessern? „Ein Hund hat keine Patientenverfügung“, ist sie sich der Verantwortung für das geliebte Familienmitglied bewusst. Immer pochender werde die Frage: Hat der Hund noch sein Leben oder lassen wir ihn nur am Leben, damit wir nicht traurig sind?“
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Egal, was es zu entscheiden gibt: Die riesengroße Spendenbereitschaft tut gut in dieser schweren Zeit. Auch wegen des lieben Tons, der in den Begleitschreiben angeschlagen wird. Oft wird „Gute Besserung“ gewünscht, und immer wieder liegen Leckerlis bei. Bei aller Beherrschtheit: „Da sieht man dann doch, wie die Tränen laufen“, sagt Bea Koßmann und wendet den Blick zur Pinnwand im Büro: Ihr Enkel lacht sie da an, und direkt daneben der Wächter, der Schoßhund, ihr Baby.