Herdecke. Reichen 39 Ratsmitglieder nicht aus? Muss Herdecke dazu auch noch für sachkundige Bürger bezahlen? Über den Sinn der Extra-Expertisen.
Feierabendpolitiker müssen von vielen Dingen Ahnung haben. Manchmal greifen die Parteien dabei auf sogenannte „sachkundige Bürger“ zurück, die an den Beratungen in den Fraktionssitzungen und Ausschüssen teilnehmen. Wie viele dieser sachkundigen Bürger gibt es in der Herdecker Politik und wieviel Aufwandsentschädigung haben sie in der laufenden Ratsperiode bereits bekommen, will die AfD in einer Anfrage wissen.
Sachkundige Bürger erhalten nach Auskunft der Stadtverwaltung 36,40 Euro Sitzungsgeld pro Ausschusssitzung und dazu noch einmal den gleichen Betrag für jede Fraktionssitzung, an der sie teilnehmen. Maximal zwölf Fraktionssitzungen pro Jahr können abgerechnet werden. Würde jede Partei im Herdecker Rat nur einen sachkundigen Bürger stellen, wären das rund 20.000 Euro über die fünfjährige Ratsperiode verteilt, rechnet die AfD vor. Es sind deutlich mehr Sachkundige, wie ein Blick auf die Ausschusszusammensetzung zeigt. Auf den städtischen Internetseiten ist das für jeden Bürger nachzählbar.
Vielfältiges Wissen
Grundsätzlich erklärt auch AfD-Fraktionschef Oliver Haarmann in seiner Anfrage den Einsatz sachkundiger Bürger für sinnvoll. Sofern diese entsprechende Expertise mitbrächten, sei das Sitzungsgeld verdient. „Falls diese Expertise jedoch nicht vorhanden ist, kann man die Frage stellen, warum nicht die Ratsmitglieder aus den Fraktionen an den Ausschüssen teilnehmen, um so zusätzliche Kosten für die Gemeinde zu vermeiden“, schränkt Haarmann ein. Ratsmitglieder bekommen eine feste Pauschale für ihren Aufwand, Sitzungen inbegriffen.
Hat Oliver Haarmann also Zweifel an der Expertise von sachkundigen Bürgern in der Herdecker Politik? „Nein“, sagt er auf Nachfrage der Redaktion, er sehe dafür keinen Anlass. Bislang habe seine Fraktion nicht auf sachkundige Bürger in der Ausschussarbeit zurück gegriffen. Für die kommende Ratsperiode schließe er das aber „ausdrücklich nicht aus.“ Falls sich ein Experte aus der Tourismus-Branche fände, der sich als sachkundiger Bürger im Ausschuss für Wirtschaftsförderung und Tourismus einbringen möchte, würde er dies ausdrücklich befürworten.
Auch interessant
Klaus Klostermann, Fraktionschef der SPD im Herdecker Rat, baut in mehreren Ausschüssen auf das zusätzliche Wissen von politikinteressierten Bürgerinnen und Bürgern. Gerd Tebben fällt ihm ein. Der frühere Polizist meldet sich besonders oft bei Verkehrsthemen im Fachausschuss für Bauen, Planen und Verkehr zu Wort. Klostermann denkt auch an René Langenohl im Ausschuss für Umwelt, Klima und Sicherheit. Langenohl verdient sein Geld beim Hagener Wirtschaftsbetrieb. Die Pflege von Grünanlagen etwa zählen zu den Aufgaben des Betriebs.
Da wäre noch Jan Schaberick. Lange Jahre war er Vorsitzender des Bauausschusses, bevor er überraschend nicht mehr in den Rat gewählt wurde. Jetzt sitze er als sachkundiger Bürger im Bauausschuss und sorge für Kontinuität. Oftmals sei das Einbringen von Sachkunde auch die Vorbereitung auf ein Mitwirken im Rat. Für Klaus Klostermann gibt es jedenfalls keinen Grund, den Einsatz von sachkundigen Bürgern in Frage zu stellen, im Einzelfall nicht und auch nicht in der Gesamtheit. Schließlich hätten die sachkundigen Bürger „von bestimmten Dingen mehr Ahnung als die Ratsmitglieder“, Ahnung, die den Bürgern zugute komme.
+++ Hier gibt es mehr aus Wetter und aus Herdecke +++
Auch für Harald Müller, den Chef der zweitstärksten Fraktion, der CDU, im Herdecker Rat, sind die Aufwandsentschädigungen für die sachkundigen Bürger gut angelegtes Geld. Dafür gebe es wichtigen Sachverstand und „eine andere Perspektive aus der Bürgerschaft heraus.“ Sachkundige Bürger müssten noch nicht einmal der Partei angehören, die sie für die Ausschussarbeit benennt. Meist seien sie stark in der Sache verankert und weniger parteipolitisch ausgerichtet. Nicht zuletzt wegen der Heranführung an ein Mandat handele es sich „um ein hervorragendes Instrument der Demokratie.“