Herdecke. Nicht allein die AfD sieht Grund zum Feiern. Andere Parteien dagegen haben Federn gelassen und sehen trotzdem mit Zuversicht nach vorn.

Frust bei den Grünen über mehr als 10 Prozent Verlust, Freude bei der CDU über beinahe 6 Prozent Zuwachs: Schon gleich nach der Europawahl war das aus ersten Stellungnahmen der Ratspolitiker in Herdecke deutlich heraus zu hören. Aber es gibt noch andere Parteien mit Stimmenverlusten oder aber auffälligem Zugewinn. Das Bündnis Sahra Wagenknecht etwa hat es in Herdecke aus dem Stand auf 4,3 Prozent gebracht. „Das hat mich umgehauen“, sagt Dieter Kempka, der schon früh als Kommunalpolitiker von der Linken zum BSW gewechselt war. Die Zahlen auf dem Fernseher und im Internet jedenfalls haben ihm „einen sehr netten Abend“ beschert, sagt der Herdecker.

In Breckerfeld, aber auch in Wetter und Herdecke hat Kempka Wahlkampf für das Bündnis Sahra Wagenknecht gemacht und dabei das Gespräch gesucht. Selbst wenn er die „Stimmung für einen Wechsel“ vieler Wählerinnen und Wähler von der Linken dabei gespürt hat: Der Stimmenzuwachs für die beiden linken Gruppierungen insgesamt hat ihn doch überrascht. Das Ergebnis der Europawahl im Rücken, geht Dieter Kempka davon aus, dass das Bündnis auch bei der nächsten Ratswahl die Linke überflügeln und womöglich ablösen wird.

Eine optimistische Stimmung herrscht auch bei der AfD. Sie hat in Herdecke zwar etwas weniger als im Bundestrend zugelegt und ist in Herdecke nur die viertstärkste politische Kraft geworden und nicht wie bundesweit die Nummer zwei. Fraktionschef Oliver Haarmann macht aber vor allem der Blick auf Einzelergebnisse zuversichtlich: In 18 von 19 Wahlbezirken hat die AfD zweistellige Prozentwerte erreicht. Im Wahlbezirk Herdecker Bach kam sie sogar auf 20,6 Prozent.

Die SPD hat Federn gelassen

Haarmann hat die Kommunalwahl im nächsten Herbst vor Augen, wenn er sagt: „Wir sind in einigen Wahlbezirken auf dem Sprung, dort die stärkste politische Kraft zu werden und das Direktmandat zu erringen.“ Ziel sei es, bei der Wahl 2025 mit einer größeren Fraktion in den Rat einzuziehen. In Wetter muss sie überhaupt erst mal wieder im Rat vertreten sein, nachdem die AfD bei der letzten Kommunalwahl keine Kandidaten aufgestellt hat und davor die ursprünglich für die AfD angetretenen Ratsmitglieder eine andere Fraktion gegründet hatten.

Die SPD in Herdecke hat „nicht übermäßig viel gefeiert“, so Stadtverbandsvorsitzender Carsten Adametz. Die SPD hat Platz zwei behauptet, nur hat sich dieses Mal im Vergleich zur Europawahl vor fünf Jahren die CDU statt der Grünen an ihr vorbeigeschoben. „Die SPD hat Federn gelassen in Herdecke“, so Adametz, aber immerhin habe es die AfD in der Stadt nur auf Platz vier geschafft. Zur Frage, ob die Ampelparteien nun bundesweit als Lehre aus der Wahl eine deutliche Profilierung anstreben oder mehr ihre Gemeinsamkeiten entdecken sollten, will er „als kleiner Hobbypolitiker“ nichts sagen.

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Dass die FDP nicht mehr Stimmen verloren hat als einen halben Prozentpunkt bundesweit, führt deren Stadtverbandsvorsitzender Jürgen A. Weber jedenfalls darauf zurück, dass die FDP in der letzten Zeit stärker mit ihrem eigenen Profil wahr genommen worden ist. „Erleichtung“ beschreibt für ihn das vorherrschende Gefühl am Wahlabend, weil der Partei stärkere Verluste prognostiziert worden sind.

Fünf Prozent der Stimmen für die FDP würden eine Bundestagswahl allerdings zu einer Zitter-Partei machen. Der Schrecken einer solchen Wahlnacht hat sich bei Jürgen A. Weber am Sonntag aber nicht eingestellt. Seit 47 Jahren sei er jetzt in der FDP, sagt er, und bei Bundestagswahlen habe die FDP immer ein wenig besser dagestanden als etwa bei der Europawahl. Darauf hofft er auch jetzt.