Herdecke. Bislang waren die Bäume ein natürlicher Sonnenschutz für Kinder. Auf einer Seite der Bahnlinie sind sie trotzdem schon vollständig verschwunden.

Ein Sandkasten, eine Wippe, eine Rutsche, eine Holzbank. „Hier verbringen wir gefühlt den kompletten Sommer“, sagt Marie Berlinski. Jetzt fürchtet sie für sich und ihre beiden Kinder um den natürlichen Sonnenschutz, den die Bäume auf der Dörkenseite am Bahndamm geben. Auf der anderen Seite des Erdwalls hat die Bahn Fakten schaffen lassen. Bäume und Büsche wurden nahezu vollständig entfernt. Das dürfe sich keinesfalls wiederholen, findet auch Vasco Gerace. Er wohnt im selben Haus wie Marie Berlinski, auch er hat kleine Kinder.

Natürlicher Schattenspender

„Die Sonne kommt von da“, sagt Marie Berlinski und zeigt über die Baumkronen am Bahndamm Richtung Stadtmitte. Ihr Arm beschreibt den Weg, den die Sonne nimmt. Bis 16 Uhr lägen die Wiese und der Spielplatz im Sommer wunderbar im Schatten. „Dann wird es kurz unerträglich“, weiß sie für den kleinen Zeitabschnitt direkter Einstrahlung von der Ruhr her, bis die Sonne hinter dem Gebäude mit der Hausnummer 2A an der Raabestraße verschwindet.

Lebensraum für Tiere

Es geht der jungen Mutter um den Erhalt des natürlichen Sonnenschutzes für ihre Kinder, aber auch um den Erhalt des Lebensraumes für verschiedene Tierarten. Rehe und Füchse wurden schon zwischen Bäumen und Büschen am Hang gesehen, dazu haben sich mehrere Spechte Gehör verschafft. Marie Berlinski hat ein Schreckbild vor Augen: die andere Seite des Bahndamms, der über Wochen bis zum Viadukt hin abgeholzt worden ist. Ganz „nackt“ sei er geworden, war in der Überschrift zu einem Zeitungsbericht über den Rückschnitt zu lesen.

Arbeiten am Ruhrviadukt
Mitarbeiter der Firma Salmen haben im Auftrag der Deutschen Bahn am Viadukt in Herdecke die Mauer der Brücke freigelegt. Im Bild oben die RB 52. © WP | Steffen Gerber

Vom Gang in die Stadt kennt Marie Berlinski das neue Bild vom Bahndamm. Und vom Grundstück ihrer Eltern. Sie wohnen an der Harkortstraße am Fuße des Damms Richtung Innenstadt. „Bis an den Garten ran ist alles kahl geschnitten worden in einer Nacht- und Nebelaktion“, sagt sie. Plötzlich hätten die Eltern eine Kettensäge gehört, und schon sei alles Grün weg gewesen. Genau hier setzt Vasco Gerace an. Er will informiert sein, was die Bahn womöglich noch so alles plant, damit an den Dammseiten keine Gefahr für den Zugbetrieb und die Fahrgäste heranwächst. „Aufklärung fehlt“, beklagt Gerace.

Kahle Hänge rutschen leichter ab

Andreas Disselnkötter hat sich darum bemüht. Er wohnt ebenfalls im Haus mit der Nummer 2a und ist Fraktionssprecher der Grünen im Herdecker Rat. In einem Schreiben hat er die Bahn um Erläuterungen gebeten. Die eine Seite des Hangs sei mittlerweile vollständig gerodet, nun hätten die Anwohner Sorge, dass die andere Seite ebenfalls gerodet wird, schreibt Disselnkötter. Hintergrund dieser Sorge seien Erfahrungen mit Hängen, die wenig Wasser aufnehmen können. Bei Stark- oder Dauerregen rutschten diese leicht ab. Die natürliche Barriere durch die Bepflanzung falle weg, ebenso der natürliche Lärmschutz bei den Fahrten der Bahn über den Damm.

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Marie Berlinski und Vasco Gerace wüssten gerne, mit welchen Vorgaben für den Grünschnitt Arbeiter wohl an den Abhang auf ihrer Seite geschickt würden. So jedenfalls wie auf der anderen Seite des Gleises dürfe es keinesfalls aussehen. An Gestrüpp und Totholz will auch Andreas Disselnkötter nicht festhalten. Aber er ist überzeugt: „Das meiste kann bleiben.“ Vasco Gerace wünscht sich einen „nachhaltigen Kompromiss“: Die Tiere müssten zu ihrem Recht kommen, die Anwohner mit ihren Kindern und natürlich die Bahn.

Die Bahn hat Antworten auf entsprechende Fragen der Redaktion angekündigt, die allerdings auf sich warten lassen.