Wetter. Um fünf Minuten vor Zwölf wird am 31. Dezember endgültig Schluss sein. Dann schließt Hans Günter Draht die Türen im Bismarckquartier. Ein Rückblick.
Während Udo Jürgens einst sang, „mit 66 ist noch lange nicht Schluss“, heißt es für Hans Günter Draht und seine Bücherstube am Dienstag, 31. Dezember, und im Alter von 67 Jahren: „Geschlossen. Für immer.“
Bereits am Freitag lud Draht daher seine Kunden zu einem kleinen Umtrunk mit Ausverkauf in seinen Laden ein, und zeitweilig platzte die Bücherstube aus allen Nähten. Jeder wollte noch einmal vorbeischauen, ein paar nette Worte wechseln und auch das ein oder andere Schnäppchen machen. „Ich habe hier früher schon meine Schulbücher gekauft, in den letzten zwei Jahren habe ich die Bücher für meine Tochter hier bestellt“, erzählt eine Kundin etwas wehmütig.
Kein Abschied für immer
So wie ihr ergeht es vielen Menschen, die am Freitag in die Bücherstube gekommen sind. Doch viele trösten sich auch mit dem Gedanken, dass es vielleicht kein Abschied für immer ist, denn wie bereits berichtet, will Draht als Bürgermeister kandidieren. Die Liste für die Unterstützerunterschriften liegt beim Umtrunk aus, und zahlreiche Kunden haben bereits ihre Unterschrift geleistet. „Das ist doch selbstverständlich“, meint eine langjährige Kundin und wünscht Draht viel Glück, während sie ihrerseits die Hoffnung auf eine Veränderung an der Stadtspitze äußert.
Wieder andere Besucher nutzen den Umtrunk als Gelegenheit, noch das ein oder andere Buch zu ergattern oder auch Dekorationsmaterial zu erstehen. „Ich hatte wirklich Sorge, dass es bald keinen Buchladen mehr in Wetter geben wird“, meint ein Besucher. Aber die Nachricht passend zur Weihnacht, dass wahrscheinlich schon am 1. Februar auf der gegenüberliegenden Seite im Bismarckquartier ein neuer Buchladen eröffnet wird, stimmt ihn fröhlich. Auch wenn dann der Inhaber nicht mehr Hans Günter Draht sein wird. Doch es gebe ja noch genügend Möglichkeiten, miteinander in Kontakt zu bleiben.
Viele Kontakte und Freundschaften
Das bejaht auch Hans Günter Draht: „Einige Kunden wollen eine kleine WhatsApp-Gruppe starten“, sagt er gerührt, dass die Zwischenmenschlichkeit sich nicht nur auf den Laden bezog, sondern seinen Kunden auch darüber hinaus wichtig ist. „Es sind über die Jahre viele Kontakte und Freundschaften entstanden“, erzählt er.
Im Mai 1986 hatte Draht die Bücherstube in Wetter eröffnet, damals noch in einem kleinen Ladenlokal unter den Arkaden an der Kaiserstraße neben der Rolltreppe. Im April 1992 folgte der Umzug in das heutige Ladenlokal von Dinges, dem E-Bike-Reparaturladen, bevor es im April 2001 in das Bismarckquartier ging. In den Jahren hat er sich nicht nur als Händler vor Ort gesehen, sondern als Teil der Gemeinschaft, die sich gegenseitig unterstützt.
Regionale Autoren waren in seiner Bücherstube mit ihren Werken stets willkommen. Ebenso wie beispielsweise Imker, die ihren Honig über die Buchhandlung an den Mann oder die Frau bringen wollten. Schulen, die ein soziales Projekt planten, rannten bei ihm ebenfalls offene Türen ein. „Mir ist klar, dass wir in Wetter wirtschaftlich eher eine kleine Rolle gespielt haben, aber sozial waren wir für viele wichtig“, weiß Draht.
Kleiner Wirtschaftsfaktor
Wirtschaftlich habe sich in den vergangenen Jahren viel verändert, und das nicht immer zum Guten, wusste Draht schon vor einigen Monaten gegenüber der Redaktion zu berichten. Das meiste davon hing mit Faktoren zusammen, die er selbst nicht beeinflussen konnte. In jüngster Zeit beispielsweise die Baustellensituation in Wetter, die das Erreichen der Bücherstube für viele Kunden schwieriger machte. Oder auch die Corona-Pandemie, als der Laden im Lockdown schließen musste. Hinzukommt noch die generelle Leerstandssituation, die Wetter auch nicht unbedingt attraktiver macht. Daher sei er umso glücklicher, dass zumindest der Leerstand auf der anderen Seite bald mit einer neuen Buchhandlung gefüllt wird. Zudem engagiert sich Draht neben seiner Bürgermeisterkandidatur auch im neu gegründeten „Verein Bismarckquartier“, um die Attraktivität der Stadt, die ihm so ans Herz gewachsen ist, zu erhalten und zu beleben.
So oder so - mit der Bücherstube ist am Dienstag um 11.55 Uhr Schluss. Aber im Falle von Hans Günter Draht haben die Worte von Trude Herr Bestand: „Niemals geht man so ganz. Irgendwas von mir bleibt hier.“