Wetter. Umfragetief: Jochen Ott kritisiert das Bild der Ampel und setzt auf landespolitische Themen. Drängende Probleme und Lösungsansätze für NRW.

Der Wahlkampf hat begonnen. Das lässt sich nicht zuletzt an der Politprominenz ablesen, die sich auch in Wetter die Ehre gibt. So besuchte mit Jochen Ott erstmals der SPD-Fraktionsvorsitzende des Landtags die Harkortstadt, absolvierte dabei ein straffes Programm und fand dennoch Zeit, der Redaktion einige Fragen zu beantworten.

Problembeladen

Es sind viele Probleme, die Ott im Gepäck hat, als er in Wetter ankommt. Die SPD ist in einem Umfragetief, dazu noch mehr als nur beunruhigende Meldungen aus der Stahl- und Autoindustrie. Da ist der Besuch beim gesunden Weltmarktführer Abus in Volmarstein schon fast wie eine Erholungskur, und das weiß auch der Fraktionschef der Landes-SPD zu würdigen. „Familienunternehmen haben immer etwas Besonderes“, erklärt er. Beeindruckt zeigt er sich von der Finanzphilosophie: „Sie geben nur das Geld aus, das sie verdient haben, und machen keine Schulden bei Banken“, berichtet Ott von dem eben Gelernten. „Sie kaufen keine Betriebswirtschaftler von außen ein“, nennt er eines der Erfolgsrezepte Abus‘.

Wichtiger Zusammenhalt

„Viel liegt auch am Branchenmix“, weiß Landtagsabgeordnete Kirsten Stich das gesunde Unternehmen einzuordnen. „Abus entwickelt sich immer weiter. Sie bieten beispielsweise nicht nur Fahrradhelme, sondern inzwischen auch Reithelme an“, weiß sie. Einen weiteren Pluspunkt sieht der Fraktionsvorsitzende aber auch in der Loyalität der Mitarbeiter. Die entstehe jedoch nicht einfach so. „Es gibt bei Abus eine spürbare Bindung über Generationen. Der Zusammenhalt ist anders als in anderen Unternehmen, und das ist ganz wichtig. Wenn Unternehmen sich nicht für ihre Mitarbeiter interessieren und in sie investieren, gerät etwas in Schieflage“, weiß er und fügt hinzu: „Es wird immer wichtiger, dass die Menschen an das Unternehmen glauben. Und Loyalität hat immer zwei Richtungen.“

Jubilarfeier in der Margerethenhöhe
Die SPD hat zur Jubilarfeier in der Margarethenhöhe geladen. Mit dabei sind Landrat Olaf Schade, Landratskandidat Jan-Christoph Schaberik, Bürgermeister Frank Hasenberg und NRW-Fraktionsvorsitzender Jochen Ott. Alle werden von der Landtagsabgeordneten Kirsten Stich begrüßt.  © www.berndhenkel.com | Bernd Henkel

Unternehmensattraktivität hat jedoch nicht nur etwas mit dem Arbeitsplatz allein zu tun. Gute Verkehrsanbindungen, am besten Wohnortnähe sind gefragt. Doch beim Blick auf den Wohnraummangel, der nicht nur in den Großstädten um sich greift, ist das nicht selbstverständlich. Gestiegene Baukosten und eine permanente Mietsteigerung verlangen Arbeitnehmern einiges ab, das weiß auch Jochen Ott, der sich, aus Köln kommend, insbesondere dieser Problematik annehmen will. Kirsten Stich betont: „Auch hier in Wetter fehlt es an gutem und bezahlbarem Wohnraum.“ Ott verdeutlicht: „Oftmals ist es auch nicht der passende Wohnraum. Manche Wohnungen sind für Familien einfach zu klein oder sind nicht für Senioren geeignet, weil sie nicht barrierefrei sind.“ Seine Lösung: „Wir müssen wieder zu eigenem Wohnungsbau kommen.“

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Gestresste Familien

Damit könnte auch den Familien, die laut Ott die meist gestresste Bevölkerungsgruppe sind, etwas Druck genommen werden. Sie will er aber auch in anderen Bereichen mehr entlasten, denn von einer guten Vereinbarkeit von Familie und Beruf, von der immer die Rede ist, sei man hierzulande noch weit entfernt. Das liege auch an fehlenden Fachkräfte, Unstimmigkeiten bei der Finanzierung und mangelnder Zusammenarbeit zwischen den Ministerien. „Es weiß doch kaum jemand, welcher Träger wofür zuständig ist. Es gibt zu viele Entscheider“, weiß Ott. „Wir müssen uns einen Überblick darüber verschaffen, wer eigentlich die Bildung bezahlt. Dafür brauchen wir ein Gutachten. Und dann müssen wir den Bildungsbereich neu sortieren, und zwar so, dass diejenigen, die erfolgreich bei ihrer Arbeit sind, mehr Kompetenzen zugesprochen bekommen“, so Ott. „Die jeweilige Ebene muss dann ihrer Verantwortung gerecht werden, und es muss klar erkennbar sein, wer dahinter steckt“, fordert der Landeschef der SPD.

Desaströses Bild der Ampel

Große Worte, klare Vorstellungen, doch wie will er das umsetzen? Die Umfragewerte der SPD sind sowohl im Bund als auch im Land im Tiefflug. Nach der letzten Veröffentlichung von Oktober steht die NRW-SPD bei rund 18 Prozent der Stimmen. Das würde ein Minus zu den vergangenen Wahlen von 8,7 Prozent bedeuten. Jochen Ott sieht dafür die Bundesregierung verantwortlich. „Das ist auf das desaströse Bild der Ampel zurückzuführen“, ist er sich sicher. „Wenn man in einer Regierung ist, muss man sie auch zu Ende bringen wollen“, schießt er in Richtung der FDP. Er ist sich sicher, dass die SPD auf Landesebene punkten kann. „Schwarz-Grün wird an den Themen wie Wohnraum, Kita und Schule gemessen werden“, meint Ott und sieht sich und seine SPD da klar im Vorteil.