Herdecke/Hagen. Am Hengsteysee ist Zukunft des Bauwerks von Herdecke nach Hagen offen. Bewegung scheint in Verhandlungen zu kommen, eine Gesellschaft mischt mit.

Eine komplizierte Gemengelage. Das Unternehmen Amprion will seine Brücke am unteren Ende des Hengsteysees mangels Nutzung abgeben, Übertragungsverhandlungen mit den Stadtverwaltungen Hagen und Herdecke gelten als gescheitert. Zwischenzeitlich hat sich aus den Reihen der AG Koepchenwerk eine gemeinnützige Gesellschaft mit beschränkter Haftung (gGmbh) gegründet, die das Bauwerk am Schiffswinkel übernehmen sowie vor allem die dortigen Schienen erhalten will. Diese Gruppe hat nun ihr Konzept öffentlich vorgestellt, während im Hintergrund neue Bemühungen der Kommunen anlaufen.

Neuer Briefverkehr

Ende Oktober hat Amprion ein Schreiben aus beiden Rathäusern erhalten. Im gemeinsamen Brief der Herdecker und Hagener Stadtverwaltungen steht, dass die Beteiligten nach dem kurzfristigen Ausstieg des Unternehmens im August 2024 („...für uns nicht nachvollziehbar“) wieder an den Verhandlungstisch zurückkehren sollten. Die Firma hätte in einem Gegenangebot verdeutlichen können, unter welchen Voraussetzungen sie die Brücke und Schienen an die zwei Kommunen abgeben würde. Eine Nutzung als museale Eisenbahnverbindung sei „allenfalls von nachrangigem Interesse“.

Antwortschreiben eingetroffen

Nun liegt den beiden Bürgermeister-Büros eine Antwort vor. Amprion betont einerseits, dass die Brücke weiter für den Freizeitverkehr geöffnet bleibe. Zudem habe das Unternehmen die Gespräche mit Hagen und Herdecke unterbrochen, nicht beendet. Als Übertragungsnetzbetreiber und staatlich reguliertes Unternehmen müsse eine Trennung von Vermögenswerten erfolgen, „die nicht mehr mit unserem gesellschaftlichen Auftrag in Einklang zu bringen sind“. Dazu zähle besagte Brücke, bei der es sich rechtlich um einen Gleisanschluss handele. Hintergrund: Als um 1927 herum das Koechenwerk entstand, diente besagter Überweg als Eisenbahn-Anlieferungsstrecke für Material vom Ufer in Hengstey.

Neu gegründete Gesellschaft als Partner

Ursache für die Unterbrechung vor einigen Wochen war demnach, dass sich die Gespräche mit einem anderen Interessenten als erfolgversprechender darstellten. Das Unternehmen sei trotz eines „engen Handlungsspielraums“ aber bereit, die Verhandlungen mit den Städten Hagen und Herdecke fortzusetzen. Grundsätzlich sei es zweitrangig, wem die Brücke in Zukunft gehören wird, so Amprion. All diese Aspekte führen zur Koepchenwerkanschlussbahn gGmbH. Mit Patrick Lausen, der bei der Hagener Straßenbahn AG als Projektleiter arbeitet, und dem bekannten Herdecker Peter Gerigk haben nun zwei der vier Gesellschafter die Ideen der privaten Initiative vorgestellt.

Schienen erhalten

Schon der Name zeige, dass die Gesellschaft die Gleise für einen nostalgischen Zugverkehr von Hengstey zum denkmalgeschützten Pumpspeicherkraftwerk erhalten will. Die gGmbh wolle keine Gewinne erzielen und will im Falle des Zuschlags von Amprion eine Museumsbahn einrichten. Das könne wie bei den Vereinen Wupperschiene oder Mooskamp in Dortmund über ein Kooperationsmodell mit Unterstützung der öffentlichen Hand erfolgen. Ein wesentlicher Bestandteil des Konzepts: Mit Hartgummi lassen sich die Schienen an den Ufern von Hagen und Herdecke verfüllen, so dass die Sturzgefahr für Radfahrer sinkt. Eine tonnenschwere Lok plus Anhänger könne diese dauerhafte Vorrichtung kurzzeitig verdrängen und von Hengstey zum Koepchenwerk pendeln.

2013 wurde ein Teil der Schienen am Schiffswinkel verfüllt, um Sturzgefahren für Radfahrer zu verringern.
2013 wurde ein Teil der Schienen am Schiffswinkel verfüllt, um Sturzgefahren für Radfahrer zu verringern. © WP | Steffen Gerber

Allein für die Abdeckung der Schienen brauche es laut Lausen einen sechsstelligen Betrag und Fördergeld, „für die gGmbh ist das nicht zu stemmen“. Zudem erinnert Gerigk an einen geltenden Vertrag von 1984, wonach die Städte Hagen und Herdecke dort die Unterhaltungskosten plus Verkehrssicherungspflicht für den Fuß- und Radverkehr übernehmen müssen. Für das langjährige Ratsmitglied der hiesigen Grünen ein Anhaltspunkt, wonach die beiden Kommunen auch in Zukunft Verantwortung übernehmen müssten. Obendrein sei der bauliche Zustand der Brücke keinesfalls katastrophal, das habe ein von der gemeinnützigen Gesellschaft in Auftrag gegebenes Gutachten gezeigt.

Neubau einer zweiten Brücke

Nach der Frage des grünen Ausschussmitglieds Irmingard Schewe-Gerigk (die Ehefrau des Vorsitzenden der AG Koepchenwerk) zum angedachten Neubau eines zweiten Überwegs antwortet Herdeckes Beigeordneter Dennis Osberg, dass dies eine Alternative und nicht die favorisierte Lösung sei. Daniel Matißik als Leiter des hiesigen Bau- und Planungsamtes äußert Bedenken, ob die gGmbh im Falle einer Übernahme der bestehenden Brücke für die Unterhaltung des Bauwerks aufkommen kann.

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Auch aus den Reihen der anderen Fraktionen kommen Zweifel auf. Für die SPD, so Sylke Gröhne und Gustav Müller, habe am Hengsteysee der Rundweg für den Freizeitverkehr Priorität. Kostspielige Eisenbahnfahrten sorgen eher für Gefahren von Passanten und könnten sich als „nicht rentabel“ erweisen. Nico Fischer (Die Partei) will wissen, was mit Folgekosten sei und im Falle einer Insolvenz der gGmbh mit der Brücke passiere. Ähnliche Finanz-Sorgen spricht André Moldenhauer von der CDU an. Oliver Haarmann von der AfD sieht im Zusammenhang mit dem geplanten Koepchenwerk-Schrägaufzug eine touristische Aufwertung durch Nostalgiezüge.

Touristische Aufwertung

Lausen und Gerigk werben daraufhin weiter für ihr Projekt, das in Sachen Tourismus „unglaublich attraktiv“ und auch sicher sei. Es würde auch nicht jedes Wochenende ein nostalgischer Zug fahren, am Hengsteysee-Ufer gebe es weiterhin genug Platz für ein Verkehrsmiteinander. Der Gesellschafter aus Herdecke regt zudem an, die Brücke zwischen Herdecke und Hagen unter Denkmalschutz zu stellen, das erleichtere den Zugang zu Fördergeldern. Gleichwohl gibt Gerigk zu, dass „sich nicht alle Eventualitäten und Risiken ausschließen lassen. Andere kommen auch nicht ohne öffentliche Mittel aus. Und falls im schlimmsten Fall die gGmbh eines Tages insolvent ist, dann bräuchte es in der Tat jemanden, der die Brücke übernimmt. Aber man darf auch nicht alles schlecht sehen.“

Wie es nun weiter geht? Während Amprion weiter mit der gGmbh verhandelt und diese sich offen für einen weiteren Austausch mit den beiden Städten zeigt, rechnet Daniel Matißik mit Gesprächen innerhalb der beiden Verwaltungen in den nächsten Wochen.