Herdecke. Ein geburtenstarker Jahrgang sorgt für ein Novum, im Sommer 2025 entstehen zehn Eingangsklassen. Mit verschiedenen Folgen an den Schulstandorten.

Fallen Wörter wie „Novum“ oder Sätze wie „So etwas gab es noch nie“, herrscht eine erhöhte Aufmerksamkeit. Ein geburtenstarker Jahrgang sorgt für besondere Herausforderungen bei der Stadt Herdecke und den hiesigen Grundschulen. Für den nächsten Sommer hat das zuständige Amt 239 anmeldepflichtige Kinder ermittelt. 2025/26 sollen 226 i-Dötze hier in eine erste Klasse gehen. Aber wo und wie?

Zwischen 52 und 62 Lernanfänger pro Grundschule

Der rechnerische Vorgang: Zahl der Lernanfänger durch 23 teilen und dann aufrunden. Somit soll es in Herdecke bald zehn Eingangsklassen geben. „Das hatten wir noch nie. Wir kannten aber die Zahlen und den Peak bei diesem Jahrgang“, erklärt Schulamtsleiterin Jessica Rausch der Politik im zuständigen Fachausschuss. Nach Absprache mit dem Ennepe-Ruhr-Kreis sei auch die Lehrerversorgung für 2025/26 nach derzeitigem Stand gesichert, so dass die Stadtverwaltung mit den hiesigen Schulleitungen eine Lösung für die Problematik erarbeitet habe. Dabei zeigt sich an mehreren Orten, wie eng es dort zugeht.

Auswirkungen eines Umbaus

Die Werner-Richard-Grundschule bildet wieder „nur“ zwei Eingangsklassen mit je 26 Kindern. Mehr Platz stehe am Bleichstein nicht zur Verfügung, weil die benachbarte Realschule wegen des dortigen Umbaus Räume benötige. Am Schraberg und in der Robert-Bonnermann-Schule entstehe im kommenden Sommer jeweils ein dreizügiger Verbund mit i-Dötzen.

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Die größten Schwierigkeiten zeigen sich in Ende: 66 Sechsjährige soll die einzügige Hugo-Knauer-Schule aufnehmen. Um zwei Eingangsklassen bilden zu können, braucht es räumliche Veränderungen. Das wirkt sich auf die offene Ganztagsbetreuung und den städtischen Kindertreffpunkt Wuselnest aus, die teils umziehen und sich arrangieren müssen. Das lasse sich aber organisieren, laut Jessica Rausch komme es dabei sogar zu einer „sinnvollen Kooperation“ mit Blick auf die inhaltliche Gestaltung. „Es handelt sich aber um einen Kraftakt, für eine Entzerrung soll hoffentlich bald der dort entstehende Ergänzungsbau sorgen“, so die Amtsleiterin.

Umverteilungen

Alle Beteiligten räumen ein, dass manche Eltern ihre Kinder nicht in die gewünschte Grundschule schicken können. Ablehnungen müssen sowohl die Hugo-Knauer- als auch die Werner-Richard-Schule aussprechen. In Ende soll ein Container auf dem Parkplatz für Erleichterung sorgen, auch wenn er sich nicht als Klassenraum eigne. Vom Bleichstein beziehungsweise Sonnenstein berichtet Matthias Wittler, dass entsprechende Gespräche mit den Erziehungsberechtigten nicht einfach seien. „Für das letzte Jahr mussten wir 20, jetzt wohl 13 Absagen aussprechen. Zudem haben wir unterjährig 20 unvorhersehbare Anmeldungen bekommen. Wir schauen ständig, wie wir im überlasteten Bildungssystem klarkommen“, sagt der Schulleiter. „So gesehen, könnten wir in Herdecke kurzfristig eine neue Schule gebrauchen. Aber nach dem Peak geht es ja auch wieder herunter.“

Die weiterführenden Schulen

Im Zuge der Haushaltsberatungen will Marie-Hélène Gauthier-Klinkenberg von der CDU wissen, wie der mit 537.000 Euro hohe Betrag für die Dachsanierung an der Aula des Friedrich-Harkort-Gymnasiums zustande kommt und wieso es dort eine Begrünung geben soll. Kämmerer Dennis Osberg antwortet, dass die Verwaltung sich nach längerer Diskussion für die Zusatzkosten entschieden habe, da der Pflegeaufwand minimal wäre und dies die Ökobilanz aufbessere. Insgesamt handele es sich um einen finanziellen Mittelweg.

Die Realschule am Bleichstein kämpfe derzeit einerseits mit der Besetzung des Sekretariats (Lösung in Arbeit) und andererseits mit einem lange anhaltenden Toilettenproblem. Auf einem Schulhof können die Acht- bis Zehntklässler nicht aufs Klo gehen und müssen ausweichen. Wann dieses in Abstimmung mit dem städtischen Gebäudemanagement wieder nutzbar ist, lasse sich nicht vorhersagen.

Vladimir Munk von der Linksfraktion+ kritisiert die vermeintlich hohe Zahl an Mädchen und Jungen in den Klassen. Er stimme (übrigens als Einziger) gegen die Aufteilung, weil weniger als 20 Kinder wünschenswert wären. „Wir können uns hier in Herdecke im Vergleich zu anderen Städten mit rund 30 Kindern pro Klasse glücklich schätzen, dass wir recht kleine Klassen haben, selbst wenn es hier und da etwas eng wird“, entgegnet die Beigeordnete Bettina Bothe.

Sie hat auch heimische Zahlen schulpflichtiger Lernanfänger bis 2030 vorliegen, die sinken von derzeit rund 240 auf 180. Schwierig sei es zudem, die Auswirkungen des Neubaugebiets in Ende (Am Berge) einzuberechnen. „In der Vergangenheit sind solche Prognosen stets zu hoch angesetzt gewesen. Außerdem müssen wir auch immer schauen, dass wir nicht über Bedarf Plätze in Schulen und Kitas einrichten, denn das alles muss ja auch finanzierbar sein“, so Bothe. „Für wellenförmige Bewegungen werden wir auch weiterhin situationsbedingt nach Lösungen suchen.“

Mittelfristig sogar ein Überangebot?

Kritisch äußert sich auch Enric Tange von der FDP, der statt der Bemühungen um ein saniertes Freibad diese Kapazitäten lieber im Bildungssystem sehe. Angesichts bald sinkender iZahlen bei den i-Dötzchen und vorliegender Baupläne frage er sich obendrein, ob die hiesigen Schulen dann eines Tages nicht zu viele Plätze anbieten. „Nein“, erwidert Amtsleiterin Rausch. „Wir haben aktuell auch mit 17 Rückstellungen aus dem Vorjahr zu kämpfen. Zudem zeigt sich, dass sich die multifunktionale Nutzung von Gebäudeteilen als Vorteil erweist und uns punktuell Luft verschafft.“