Wetter. Beim Malen können die Mädchen in der Arrestanstalt in Wetter ihren Gefühlen freien Lauf lassen. Zu sehen sind überraschende Liebeserklärungen.

Dunkler Hintergrund, rote Zacken im Auge. Das gemalte Gesicht gleicht einer Fratze. Zeichen des Stresses hat Melina (Name geändert) auf die Leinwand gebannt, Ausdruck ihrer aktuellen Gefühlswelt. Die 18-Jährige hat knapp zwei Wochen Mädchenarrestanstalt in Wetter hinter sich. Beim Malen konnte sie „ihre Emotionen einfach los lassen“, sagt die Arrestantin. Das Ergebnis stimmt sie zufrieden. Ein wichtiges Gefühl bei all der Bedrückung hinter den dicken Zellen-Mauern.

Janine (auch ihr Name ist geändert) sieht die Malerei mehr von der praktischen Seiten. Zwei Wochen Arrestanstalt hat die 18-Jährige schon hinter sich, zwei Wochen liegen noch vor ihr. Da waren die gemeinsamen Malstunden „eine sehr gute Abwechslung“. Aber auch sie hat Bestätigung mit genommen, ganz buchstäblich: Ein kleines quadratisches Bild mit viel Rosa und Glitzer schmückt jetzt ihre Zelle und tritt vermutlich mit Janine die Heimreise an.

Vorstufe zum Knast

Eine Arrestanstalt ist kein Gefängnis und ein Gefängnis höchstens landläufig noch ein Knast. Und doch bietet die „Knastkulturwoche 2024“ den Hintergrund für die künstlerische Entfaltung von Melina und Janine. Der Begriff wurde gewählt, weil er werbewirksam ist, vermutet Jacqueline Halama. Sie ist Lehrerin, wenn auch nicht für Kunst, und unterrichtet in der Justizvollzugsanstalt in Hagen und in der Mädchenarrestanstalt in Wetter. „Knast sagt jedem was“, stellt sie fest.

Und natürlich haben die Gänge mit ihren rüttelfesten Gittertüren oder die Zellen mit den dicken, gelben Türblättern etwas von der Vorstellung eines Gefängnisses. Dabei sollen sie die Arrestantinnen genau davor bewahren: „Die Arrestanstalt ist eine Vorstufe für Knast“, sagt Jacqueline Halama und hofft, dass die Abschreckung in der einzigen Einrichtung in dieser Art für Mädchen aus Nordrhein-Westfalen auch funktioniert.

Knastkulturwoche in Weter
Watteweich und mit starken Konturen: Ein Ergebnis der Knastkulturwoche 2024 in der Jugendarrestanstalt in Wetter.. © WP | Klaus Görzel

„Maximal sind die Mädels vier Wochen hier“, beschreibt die Lehrerin ein Grundproblem der Kunstaktionen. Eigentlich sollen sie über einen längeren Zeitraum gehen. So nun müssen sie in kleinere Einheiten aufgespalten werden. Dafür sind sie über Monate fester Bestandteil des Unterrichts. Und wirken so eben in kleineren Dosen. Malen, weben, Skulpturen formen - all das soll dazu führen, dass die Arrestantinnen „am Ende der Projektzeit stolz auf ihre Ergebniss sein dürfen“. So steht es in einer Mitteliung von Amtsgerichtsdirektor Till Deipenwisch zur Knastkulturwoche.

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Jacqueline Halama bestätigt: „Es gibt Mächen, die hier in der Arrestanstalt festgestellt haben, dass sie malen können - jedenfalls besser als ich.“ Kunst gehört nicht zu den Fächern, die Halama studiert hat. Aber darum geht es auch nicht. Auch in der Arbeit mit Erwachsenen hat sie festgestellt, dass sie „Menschen gut heranführen kann, aus Kunst Erfolgserlebnisse heraus zu ziehen.“ Das kann das Glücksgefühl sein, eine Bildidee in ein Acrylbild umgesetzt zu haben oder gemeinsam an ein dekoratives Webstück angefertigt zu haben.

„Jedes Mädchen entdeckt hier seine Mutter.“

Jacqueline Halama
Lehrerin und Betreuerin der Knastkulturwoche in der Mädchenarrestanstalt in Wetter

Die Wirklichkeit der Arrestanstalt wird dabei immer wieder zum Bezugspunkt, aber auch die Reflektion über das eigene Tun oder das Zuhause. Ein großes Herz beherrscht das Bild, das Jacqueline Halama in einem der Unterrichtsräume aufgestellt hat. „Ich liebe dich, Mama“, lautet unübersehbar die Botschaft. Für die Lehrerin keine Überraschung: „Jedes Mädchen entdeckt hier seine Mutter“, weiß sie von der Sehnsucht ihrer „Kunst-Kinder“ nach Geborgenheit und Liebe. Die Mütter würden vermisst, auch wenn zu Hause alles andere warten würde als eine heile Welt.