Herdecke. Vor 100 Jahren wird eine bedeutende Persönlichkeit geboren: Knauers Biografie gibt viel her zur Stadtentwicklung Herdecke und deutschen Geschichte.
Bei seinen Recherchen über Herdecker Persönlichkeiten kann Dr. Michael Füllkrug eine prägende Figur nicht übergehen. Von 1964 bis 1997 leitete Hugo Knauer als Bürgermeister die Geschicke der Stadt. Natürlich hat auch der langjährige Jurist Füllkrug zahlreiche Daten über den 2008 verstorbenen SPD-Politiker gesammelt, der 1924 geboren wurde. Das bietet 100 Jahre später den Anlass, auf das Leben des einstigen Lehrers zurückzublicken.
Datenbank über verstorbene Persönlichkeiten
Normalerweise orientiert sich Füllkrug bei seinen historischen Darstellungen vor allem an Fakten und Zahlen. Das hat der frühere Oberstaatsanwalt, der bekanntlich eine Datenbank über verstorbene Persönlichkeiten aufbaut und bereits hunderte Einträge mit Herdecker Bezügen abgespeichert hat, auch bei Hugo Knauer getan. „Aber an einigen Stellen fließt meinerseits eine Wertung mit hinein, das ließ sich nicht vermeiden“, berichtet der Heimatforscher. Bei seinen Nachforschungen habe er wieder viel Wert auf Quellenangaben gelegt, neben früheren Berichten aus diesem Lokalteil erwähnt er auch Werner Kehreins und Willi Creutzenbergs Beiträge aus den Herdecker Blättern (Heft 12 und 34). Hier nun Füllkrugs Text:
Hugo Knauer wurde am 17. Februar 1924 in Gnadental (damals Rumänien, heute Ukraine) als Sohn von Albert und Berta Knauer geboren. Der Heimatort der Knauers gehörte zu den rund 150 Ortschaften der deutschsprachigen Minderheit in Bessarabien.
Hugo Knauer besuchte von 1930 bis 1934 die Volksschule in Gnadental, anschließend von 1934 bis 1938 im benachbarten Sarata die „Wernerschule“, eine Art Mittelschule. Nach der Abschlussprüfung wechselte er auf die „Lehrerbildungsanstalt“, die sich im gleichen Schulgebäude befand. Er verbrachte gut zwei Jahre auf diesem Lehrerseminar, konnte seine Ausbildung dort aber nicht abschließen. Die politischen Verhältnisse zwangen die Familie Knauer zur Umsiedlung ins Herrschaftsgebiet des Deutschen Reiches, die Familie kam so ins Sudetenland.
Hugo Knauer wurde am 12. Dezember 1940 eingebürgert und hatte von da an die deutsche Staatsbürgerschaft. Seine Ausbildung zum Volksschullehrer konnte er an der Lehrerbildungsanstalt in Reichenberg/Sudetenland (heute: Liberec in Tschechien) fortsetzen und schloss diese am 7. Juli 1942 mit der 1. Lehrerprüfung ab. Im Oktober 1942 wurde er zur Wehrmacht eingezogen, in der er bis zum Kriegsende verblieb.
Weichenstellungen nach dem Zweiten Weltkrieg in Herdecke
Nach seiner Entlassung aus der Kriegsgefangenschaft kam er im Februar 1946 nach Herdecke. Hier lernte er schon bald nach seiner Ankunft seine spätere Ehefrau Ruth Overhoff kennen, aus dieser Ehe der Sohn Rolf hervorgingen. Die sich ihm bietende Möglichkeit, vor Ort Arbeit in seinem erlernten Beruf als Lehrer zu finden, veranlasste ihn, in Herdecke zu bleiben. Nach erfolgtem Entnazifizierungsverfahren – er wurde am 1. Juli 1946 als unbelastet eingestuft – bekam er eine feste Anstellung an der zweizügigen Volksschule am Oberen Ahlenberg, wo er bis zur Schließung der Schule im Jahre 1958 wirkte.
Nach Abschaffung der Volksschulen und Einführung von Grund- und Hauptschulen wurde 1970/71 die Grundschule am Schraberg errichtet, deren erster Rektor Hugo Knauer wurde; dieses Amt hatte er bis 1985 inne. Sein Nachfolger wurde Wolfgang Schmiedel (SPD), der dieses Amt bis 2010 inne hatte.
Infos willkommen
Michael Füllkrug nimmt in Zusammenarbeit mit dem Heimat- und Verkehrsverein weiterhin Hinweise zu verstorbenen Herdecker Persönlichkeiten entgegen. Zuletzt freute er sich über Angaben zweier Familienangehöriger von Karl Pötter. Der leitete von 1945 bis 1963 die hiesige Feuerwehr, wurde aber nicht in der hiesigen Kleinstadt geboren. „Und er ist in Warstein gestorben“, so Füllkrug.
Wer ihm Daten oder ähnliches mitteilen will, kann ihm eine Mail schreiben, entweder an chroniken@heimatverein-herdecke.de oder persönlich (fuellkrug@t-online.de).
Knauers politische Karriere begann im Jahr 1961, als er für die SPD in den Rat der Stadt Herdecke gewählt wurde. Nach der Kommunalwahl im September 1964 wurde er hier am 13. Oktober 1964 zum neuen Bürgermeister gewählt. Er löste damit Otto Helmuth (SPD) ab, der von 1952 bis 1964 Herdeckes Bürgermeister war. Hugo Knauer bekleidete das Amt bis 1997; für seine Verdienste wurde ihm am 11. Dezember 2003 der Ehrenring der Stadt Herdecke verliehen. Sein Nachfolger wurde der bisherige Beigeordnete Hans-Werner Koch (SPD), der dieses Amt bis 2009 übernahm.
Früh erkannte Knauer gemeinsam mit dem damaligen Stadtdirektor und Landtagsabgeordneten Walter Schwier, dass die Eigenständigkeit Herdeckes durch die kommunale Neuordnung Anfang der 1970er Jahre gefährdet war. Zu seinen großen Verdiensten zählt, dass er die Selbstständigkeit der Stadt Herdecke behauptete. Dies gelang insbesondere durch den Ausbau neuer Wohngebiete am Nacken und in Ende. Mit seinem Namen ebenfalls verbunden ist die Schaffung neuer Gewerbegebiete nach der Schließung der Habig AG 1966 sowie die Ansiedlung des Gemeinschaftskrankenhauses, das 1969 eingeweiht wurde. Die Innenstadtsanierung, die Errichtung des Schul- und Sportzentrums am Bleichstein, der Bau der Umgehungsstraße verbunden mit der Schaffung der Fußgängerzone sind Projekte, die auf seine Zeit als Bürgermeister zurückzuführen sind.
Es sollte an dieser Stelle nicht verschwiegen werden, dass die Wahrung der kommunalen Selbstständigkeit ihren Preis hatte. Der (gewollte) Zuzug vieler Bürger nach Herdecke führte dazu, dass sich die Bevölkerungsstruktur deutlich veränderte. Die einstige Hochburg der SPD mit Wahlergebnissen von teilweise über 60 Prozent wurde „geschliffen“; die SPD lag zuletzt unter 30 Prozent. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Selbstständigkeit zwar erhalten wurde, die Mehrheit der SPD aber verloren ging.
„Mit seinem Tod hat die Stadt Herdecke einen ihrer größten Söhne verloren.“
Hugo Knauer starb am 29. Juni 2008 im Alter von 84 Jahren in Herdecke. Er war - über alle Parteigrenzen hinweg - in der Bevölkerung hoch angesehen und galt als „Kümmerer“. Mit seinem Tod hat die Stadt Herdecke einen ihrer größten Söhne verloren, so Michael Füllkrug.
>>> hier gibt es weitere Artikel aus Wetter und Herdecke