Wetter. Gebührenerhebung für die Überquerung der neuen Brücke refinanziert Zinsen und Darlehen. Eröffnungsjubiläum am 31. Oktober. Ein Blick zurück.

125 Jahr ist es her, dass die Ruhrthal-Zeitung in ihrer Ausgabe vom 23. September 1899 ihre Leser über das Herannahen einer von allen schon „lange ersehnten Stunde“ informierte. Gemeint ist die fünf Wochen später am 31. Oktober erfolgte feierliche Eröffnung der Overwegbrücke. Historiker Gerhard E. Sollbach hat sich anlässlich des Jubiläums durch das Archiv gelesen und einen Gastbeitrag dazu verfasst.

Die „Ruhrthal-Zeitung“ bezeichnete die Eröffnung als einen „hochwichtigen Tag“ sowohl für Wetter als auch die benachbarten Gemeinden. Das war nicht zu übertrieben, denn das Bauwerk war die erste Brücke über die Ruhr in Wetter. Bis dahin hatte Jahrhunderte lang jeder, der trockenen Fußes oder mit einem Fahrzeug an dieser Stelle den Fluss nach Wengern, Grundschöttel oder Volmarstein wollte, sich einem Fährkahn (Untere Fähre) anvertrauen müssen. Doch die Überfahrt war vor allem bei Wind oder höherem Wasserstand nicht ungefährlich. Bei stürmischem Wetter und bei Eisgang im Winter sowie wegen des bis zur Anlage des Hengstey- und Harkort-Sees häufigen Ruhrhochwasser insbesondere bei der Schneeschmelze im Frühjahr, fuhr die Fähre erst gar nicht. So musste der Fährverkehr im Februar 1898 wegen des Steigens der Ruhr „bis auf weiteres“ unterbrochen werden. Eine neuerliche Unterbrechung machte das Ende März desselben Jahres eingetretene Hochwasser erforderlich, bei dem Ruhrweiden fast gänzlich überschwemmt wurden. Anfang Mai verhinderte dann ein durch lang anhaltenden Regen hervorgerufenes und für die Jahreszeit ungewöhnliches Ruhrhochwasser schon wieder das Auslaufen der Fähre auf unbestimmte Zeit.

Untere Fähre
Die so genannte Untere Fähre an der Ruhrstraße im Bereich der heutigen Overwegbrücke: Aufnahme aus den 1890-er Jahren. © WP | Stadtarchiv Wetter

Staatliche Hilfe

Wer zu diesen Zeiten aber unbedingt über die Ruhr wollte, dem blieb als Alternative der Umweg über Herdecke. Dort gab es nämlich schon spätestens seit 1229 eine Ruhrbrücke, die seit dem Beginn des 15. Jahrhunderts immerhin steinerne Brückenpfeiler besaß. Bereits 1857 existierten daher konkrete Pläne für eine – hölzerne – Brücke über die Ruhr bei Wetter. Es dauerte noch gut vier Jahrzehnte und benötigte dann auch noch jahrelange Beratungen und Verhandlungen mit den zuständigen staatlichen Stellen, bis der Brückenbau schließlich ermöglicht wurde. Dieses Mal sollte es jedoch ein dauerhaftes, aus dem heimischen Ruhrsandstein zu errichtendes massives Bauwerk sein. Das kam aber teuer. Ursprünglich hatte man die Gesamtkosten auf 300.000 Mark veranschlagt (ca. 2.460.000 €). Doch dann wurden es 400.000 Mark (ca. 3.280.000 €). Diesen Betrag konnte die Gemeinde Wetter, deren Haushalt lediglich 180.00 Mark (ca. 1.476.000 €) betrug, aber nicht annähernd aufbringen, auch nicht mit Unterstützung der Gemeinden Wengern, Grundschöttel und Volmarstein. Durch Bemühungen des damaligen Landeshauptmanns (Regierungschef) der Provinz Westfalen, August Overweg, gelang es jedoch, dass sich die Provinz zur Übernahme von einem Drittel der Baukosten verpflichtete. Die übrigen zwei Drittel fielen aber der Stadt zur Last und konnten von ihr nur durch eine Anleihe zu 5% Zinsen beschafft werden.

Brückengeldtarif
Der von der Gemeindevertretung Wetter beschlossene und staatlich genehmigte Brückengeldtarif vom 27. Juli 1899 für die Benutzung der Overwegbrücke. © WP | Ruhrthal-Zeitung

Spenden und Brückengeld

Da die Provinz lediglich die reinen Baukosten zu einem Drittel übernahm, hatte die Stadt zusätzlich noch die Kosten für den notwendigen Grunderwerb zu tragen, die auf 10.000 Mark (ca. 82.000 €) geschätzt wurden. Unter anderem musste das Haus des Wirts Carl Bratzel an der Ruhr, das dem Brückenbau im Wege stand, angekauft und abgerissen werden. In ihrem Bericht darüber am 16. Juli 1898 bedauerte die „Ruhrthal-Zeitung“, dass auch die mächtige Kastanie an dem Haus ebenfalls weichen musste. Da durch den Bau der Brücke der Fährbetrieb wegfiel, hatte die Gemeinde Wetter dem damaligen Eigentümer des Fährrechts, dem Rittergutbesitzer Hammacher, diese Berechtigung abzukaufen. Von der Gemeindevertretung Wetter waren die Bürger der betroffenen Gemeinden aber auch zur Zeichnung freiwilliger Beiträge für den Brückenbau aufgerufen worden. Die kamen dann aber teilweise nur zögerlich oder auch gar nicht ein. Deshalb beschloss die Gemeindevertretung in ihrer Sitzung am 16. Juni 1899, dass die säumigen Spender von der Amtsverwaltung zur baldigen Entrichtung ihrer gezeichneten Beiträge angehalten werden sollten. Außerdem hoffte man, durch ein gegenüber dem Fährgeld drastisch erhöhtes Brückengeld zusätzliche Mittel für die Zins- und Rückzahlung des aufzunehmenden Darlehns zu erhalten.

Modernes Gerät

Mit der Ausführung des Brückenbaus wurde die Firma Bernhard Liebold & Co in Holzminden beauftragt, die eine der bekanntesten Baufirmen der damaligen Zeit war. Von ihr ist 1900-1901 auch der Bismarck-Turm in Hagen errichtet worden. Nachdem die Provinz Westfalen den Bauvertrag mit der Firma abgeschlossen hatte, konnte Mitte August 1898 mit den Arbeiten begonnen werden. Die gingen dank des bis weit in den Herbst anhaltenden schönen Wetters und des folglich niedrigen Wasserstands der Ruhr gut voran. Dabei kam auch für die damalige Zeit modernes Gerät zum Einsatz, nämlich ein Lokomobil (Dampfmaschine auf Rädern) und zwei Dampfbagger. Anfang September wurde von der Baufirma eine hölzerne Notbrücke für den Fußgänger- und Fahrverkehr errichtet. Der Pächter der Fähre, der seine Fähre nun nicht mehr nutzen konnte, verlangte daraufhin von den Passanten ein Brückengeld in Höhe des bisherigen Fährgelds. Dagegen wehrte sich aber die Baufirma, die für die von ihr errichtete Notbrücke auch das Brückengeld vereinnahmen wollte. Wie der Streit ausgegangen ist, wird nicht berichtet. In den folgenden Monaten trat lediglich wegen Hochwasser ein zeitweiliger Stillstand bei dem Brückenbau ein, sodass am 23. Juni 1899 der Schlussstein in dem letzten und größten der sieben Brückenbögen eingesetzt werden konnte.

Eröffnung Brücke
Die anlässlich der Eröffnung am 31. Oktober 1899 festlich geschmückte Overwegbrücke. © WP | Stadtarchiv Wetter

Eröffnungsfeier mit politischem Ausklang

Auf Beschluss vom 15. August 1899 der Gemeindevertretung Wetter sollte die Brücke als Dank für die Unterstützung des Landeshauptmanns Overweg bei der Verwirklichung des Brückenvorhabens dessen Namen erhalten. Am 31. Oktober des Jahres konnte die Übergabe der Brücke an den Verkehr mit einer großen Feier um 1 Uhr nachmittags und einem anschließenden Festessen erfolgen. Aus diesem Anlass hatte sich die Stadt mit Flaggenschmuck festlich herausgeputzt und die Brücke war zudem mit Tannengrün bekränzt worden. Am Schluss der Feier mit Reden der zahlreich erschienenen Vertreter der beteiligten staatlichen und kommunalen Behörden sowie auch der evangelischen Ortsgeistlichen, erfolgte dann noch eine tagesaktuell-politische Bekundung. Wahrend der Eröffnungsfeier war nämlich die telegraphische Nachricht eingetroffen, dass die Buren in dem gut zwei Wochen zuvor ausgebrochenen 2. Burenkrieg der beiden südafrikanischen Buren-Republiken Oranje-Freistaat und Transvaal mit dem imperialistischen Großbritannien in der Schlacht bei Ladysmith am selben Tag einen glänzenden Sieg errungen hatten. Der lutherische Pastor Eduard Goecker brachte daraufhin ein Hoch auf das „Brudervolk“ der Buren aus, das laut dem Bericht der „Ruhrthal-Zeitung“ von den Anwesenden „freudig“ aufgenommen wurde. Anschließend fand noch eine Tellersammlung für die verwundeten Buren statt. Sie erbrachte 135 Mark (ca. 1.100 €), die Pastor Goecker dem Gesandten der Buren-Republik Transvaal in Brüssel übersandte. Die 1899 errichtete Overwegbrücke überspannte etwas mehr als 45 Jahre die Ruhr, bis sie am frühen Morgen des 12. April 1945 von deutschen Truppen gesprengt und dabei vollständig zerstört wurde.