Wetter. Drama Dauerbaustelle: Händler, Dienstleister und Gastronomen beklagen Zustände in der Innenstadt: „Wetter ist eine Geisterstadt geworden.“
Ein Auto nach dem anderen steht vor der roten Ampel. Viereinhalb Minuten, dann springen die Lichter der neuen Ampelanlage an der Kaiserstraße wieder auf Grün (wir berichteten). Für fast 50 Sekunden. Dann heißt es wieder: warten. Da ist Geduld gefordert. Nicht nur von den Menschen hinterm Steuer. Auch die anliegenden Geschäftsleute werden mit den Verkehrseinschränkungen, die zur provisorischen Wiederbelebung des Kreisverkehrs im Zentrum notwendig sind, auf die (Gedulds-)Probe gestellt. Zum wiederholten Mal.
Kundenfrequenz nimmt ab
„Ich habe den Eindruck, die Kundenfrequenz wird weniger“, kann Tanja Dolenski schon nach knapp einer Woche mit der neuen Baustellenampel an der Kaiserstraße berichten. Die Pharmazeutisch-Technische Assistentin (PTA) arbeitet in der Feen-Apotheke. Ihr Blick geht Tag für Tag auf die Autoschlange, die sich – mal mehr, mal weniger – vor dem Schaufenster bildet. Morgens ginge es in der Regel noch, hat Tanja Dolenski beobachtet. „Doch am Dienstagnachmittag war es zum Beispiel eine Katastrophe“, sagt sie. Auch sie persönlich ist von der Verkehrsführung betroffen. „Als ich gegen 15 Uhr von Wengern zur Apotheke nach Wetter fahren wollte, ging gar nichts mehr“, berichtet sie. Bis hinter das Demag-Gebäude habe sich der Verkehr auf der Ruhrbrücke zurückgestaut. Für einen Weg von zehn Minuten zwischen der Elfen-Apotheke in Wengern und dem Wetteraner Standort braucht die PTA zurzeit mindestens doppelt so lang.
„Wetter ist, was Baustellen angeht, schon gebeutelt.“
Auch für die Kunden ist ein Abstecher zur Apotheke nun umständlicher. Kurz in einer der Parkbuchten halten, aus dem Auto raus- und in die Apotheke reinspringen, um schnell ein Rezept einlösen – zurzeit ist das nicht möglich. „Und wenn wir ein Medikament nicht vorrätig haben, kommen die Kunden nicht unbedingt wieder“, weiß Tanja Dolenski. Die Anfahrt sei vielen wegen der Baustellenampel zu aufwändig. Andere könnten nicht direkt parken und führen direkt weiter. „Darum bieten wir verstärkt unseren Botendienst an“, so die Mitarbeiterin.
„Wetter ist, was Baustellen angeht, schon gebeutelt“, findet auch Ulrich Maaßen. Der Inhaber der Feen- und Elfen-Apotheke geht davon aus, dass zumindest die Ampelanlage direkt vor seiner Wetteraner Filiale wirklich nur „eine kurze Zeit“ da sein soll. „So hoffe ich mal“, fügt er noch hinzu und zuckt kurz mit den Schultern. Ali Torun glaubt nicht daran. Was die Baustellen-Situation in Wetter angeht, wirkt er frustriert, auch ein wenig resigniert. „Es ist doch kein Ende in Sicht“, sagt der Inhaber des Imbiss Ceyda in der Kaiserstraße. Seit 26 Jahren gibt es das Lokal, in dem sich Dönerspieße drehen und Burger gebraten werden. Seit 24 Jahren gehört es Ali Torun. „Und seit 17, 18 Jahren ist das Gebiet rund um den Bahnhof, einschließlich Bismarck- und Königstraße, eine Baustelle“, sagt dieser.
Der Imbiss-Inhaber zählt auf: Die Neugestaltung der Kaiserstraße, die Brückenarbeiten, die Arbeiten wegen des Hangrutsches im vergangenen Jahr und natürlich: der Kreisverkehr. Und jetzt noch die neue Ampelanlage. Vor seinem Geschäft, dort, wo zuvor „wenigstens der Verkehr frei war“, so Torun, bekommt er nun erneut die Auswirkungen zu spüren. „Es fahren weniger Autos hier entlang“, sagt er. Ihn verwundert das nicht. „Wer vor der Ampel steht, muss ja fast fünf Minuten pro Umlauf warten.“ Das hat auch Konsequenzen für seinen Lieferdienst. Für eine Strecke, die sonst in zwei Minuten erledigt war, brauche er aufgrund der Ampel „mindestens zehn bis 20 Minuten länger. Das ärgert mich, das ärgert die Kunden“, betont Ali Torun.
Viele Ladenlokale stehen leer
Als Ali Torun den Imbiss im Jahr 2000 übernommen hat, war Wetter „eine belebte Stadt“, erinnert er sich. Darum habe er sich für den Standort in der Kaiserstraße entschieden. Restaurants, Bäcker, Metzger, einen Drogeriemarkt habe es gegeben. Auch ein Ledergeschäft. „Mittlerweile sind so viele Ladenlokale leer“, bedauert Torun. „Wetter ist eine Geisterstadt geworden.“ Mit der Eisdiele Sagui und der Bücherstube Draht gehöre er zu den Anliegern, die am längsten vor Ort seien. „Jetzt hört auch die Bücherstube Draht auf.“ Und er selbst? Denkt er manchmal daran, seinen Imbiss zu schließen? Ali Torun schweigt nachdenklich. „Ich will nicht weg“, sagt er dann bestimmt. „Wir kämpfen.“ Er zuckt mit den Schultern, blickt sich in seinem Ladenlokal um. Ein Mann sitzt an einem der Tische. Die anderen Plätze sind leer. „Aber wenn das so weitergeht....“. Ali Torun geht wieder hinter die Theke, schneidet das Dönerfleisch für die Bestellung. Den Satz lässt er unvollendet.