Herdecke. „Ich bin ein Wald-Freak“, sagt der Kümmerer über sich selbst. Seit 20 Jahren steigt er täglich zum Nacken auf. Zur Freude vieler Herdecker.
Ein Spaziergang mit Giulio Monsorno dauert ein wenig länger. Immer wieder schnippt er mit der Spitze seiner Nordic-Walking-Stöcke einen Ast vom Weg oder greift mit der Hand zu. Auch der Inhalt seines Rucksacks sorgt regelmäßig für Verzögerungen. Rund ein Dutzend Futterstellen für Vögel betreut Monsorno am Nacken. Sein Werkzeug aber, Säge oder Akkuschere, hat er diesmal zu Hause gelassen. Er braucht es nicht. Erst am Tag zuvor hat er für Ordnung gesorgt, auf den Wegen und am Wegrand.
Seit 20 Jahren macht er das. Damals ist Giulio Monsorno in den vorgezogenen Ruhestand gegangen. Eine sinnvolle Beschäftigung war schnell gefunden. Immer schon war der Mann, der aus den Dolomiten nach Herdecke gekommen ist, gerne in der Natur. Aber er beließ es nicht beim Spazierengehen. Hier störte ihn das Gestrüpp am Wegrand, da kam man einen Pfad nicht mehr entlang, dort war ein Weg mit Blättern und Ästen überzogen. Giulio Monsorno packte an, besorgte sich Werkzeug und machte den Wald am Nacken in vieler Hinsicht wohnlicher.
Eine schöne Aussicht für die Allgemeinheit
„Die habe ich in meinem Panda hier hingefahren“, sagt Monsorno und stellt den Fuß auf einer Sitzbank ab. Schweres Holz, gestiftet vom Gartencenter Siepmann in Ende. Ebenso im Auto herangefahren hat er die dicken Bohlen für die Bank ein paar hundert Meter weiter. Hier war Dörken der Sponsor. Für die jüngste Bank, die er aufgestellt hat, war aber der Wald selbst in Geberlaune: Monsorno hat einen Baumstamm so ausgehöhlt, dass der Rest jetzt eine Sitzfläche mit Rückenlehne bildet. Von ihr geht der Blick auf den Harkortsee und die Camper in Vorhalle und die Freiheit von Wetter. „Bella Vista“, schöne Aussicht, heißt der Ort, den Giulio Monsorno seit anderthalb Jahrzehnten zielstrebig ausgebaut hat.
Immer mittwochs trifft sich hier eine kleine Gruppe von Naturverbundenen. Wenn nicht gerade gesundheitsbedingt zu viele Absagen zu beklagen sind. Anke Wenzel zählt zu dieser Gruppe. „Wenn ich Giulios gelben Panda auf dem Parkplatz sehe, dann weiß ich Bescheid“, erzählt sie. Dann wählt sie mit Mischlingshund Trixi den Weg zur schönen Aussicht. Wunderbar findet sie es hier. Ein ausreichender Ersatz für Urlaub. „Giulio gibt sich so viel Mühe“, lobt sie und lässt den Blick schweifen über die vier Sitzbänke und die Vogelhäuschen. Ein Wohnzimmer im Wald.
Ein Kind der Dolomiten
Früher mal gab es einen Trimm-dich-Pfad am Nacken. Dann geriet er in Vergessenheit, auch bei denen, die ihn aufstellen ließen. Giulio Monsorno hat das öfter erlebt: „Es wird was gemacht im Wald. Keiner kümmert sich. Alles verkommt. Schade“, stellt er fest. Sein Engagement dagegen ist kontinuierlich. Tag für Tag steuert er seinen Allrad-Panda auf den Parkplatz am Ende des Asternweges und macht sich auf „in seinen Wald“, wie er selbst sagt. Wohl wissend, dass der Hochwald in diesem Teil des Ardeygebirges der Stadt Herdecke, dem Energieversorger Enervie oder auch Privatleuten gehört. Sie fragt Monsorno, wenn er eine Bank aufstellen oder das Gestrüpp in einem Waldstück beseitigen will.
80 Jahre wird Giulio Monsorno bald. Er ist das Älteste von fünf Geschwistern. Auch zwei seiner Brüder sind Kümmerer, allerdings daheim in den Dolomiten. Schon in seiner Kinderzeit sei es üblich gewesen, etwas für die Allgemeinheit zu tun, erinnert sich Monsorno. Wege wurden gepflegt, Bäume gepflanzt, der Wald aufgeräumt für die Kühe, die hineingetrieben werden sollten. „Das ist dann drin in einem“, sagt Giulio Monsorno und denkt an seinen jüngsten Bruder. 57 Jahre alt ist dieser, und auch er macht Wege frei. Sogar extra krankenversichert worden sei dieser für sein Ehrenamt. Der Saubermann vom Nacken kann davon nur träumen. Ein bisschen enttäuscht klingt er schon.
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Natürlich haben auch immer mal wieder Unbekannte in Klumpen gehauen, was Monsorno mühsam geschaffen hat. Vogelhäuschen beispielsweise oder Teile einer Sitzbank. Vieles hat er erneuert, manches an anderer Stelle wieder aufgebaut. Die Brocken hinschmeißen wollte er deshalb noch nie. „Ich bin ein Wald-Freak“, stellt Giulio Monsorno fest. Da muss man auch schon mal Nackenschläge hinnehmen können. Wichtiger für Monsorno aber ist: „Ich habe Spaß an der Natur.“ Für sein Revier hat er sich Grenzen gesetzt. Der Wald von Gut Schede oder rüber zum Ender Krankenhaus liegt jenseits davon. Beim Alter gibt es diese Grenzziehung nicht, „bis jetzt jedenfalls“. Gerne würde er allerdings einen Nachfolger einarbeiten. „Die Suche ist schwierig“, sagt Monsorno und kickt den nächsten Ast weg. Steckt halt tief in ihm drin.