Herdecke. Es wird wärmer werden, heftiger regnen und mehr Stürme geben - im Klimaanpassungsbericht stehen Hinweise, wie sich Herdecke dafür wappnen kann.
War das Hochwasser vom 14. Juli ein Blick in die Zukunft? „Weniger Niederschlag, dafür aber konzentrierter“ erwartet Michael Happe. Er ist einer der Autoren, die das Klimaanpassungskonzept für Herdecke verfasst haben. Die Stadt hatte damit das Büro für Kommunal- und Regionalplanung in Essen beauftragt. Das Konzept kann schon länger auf den Internetseiten der Stadt nachgelesen werden. Corona-bedingt konnte Happe es jetzt erst im Fachausschuss vorstellen. Das Zuhören lohnte. Seine Erwartung: „Es wird zu einer Verschiebung von Klimazonen kommen. Alles wird eine Stufe höher werden – in Richtung belastender“. Herdecke kann, muss reagieren.
Hitze, Trockenheit, Stürme und Hochwasser – „Die Klimaveränderungen sind zwar unvermeidbar, jedoch können die Schäden durch gezielte Maßnahmen gemindert und die Lebensqualität erhalten werden“, macht das Klimaanpassungskonzept Hoffnung. Drei Fragen führen zu den entscheidenden Punkten der Klimaanpassung: Welche Risiken kommen durch Klimaänderungen auf die Stadt Herdecke zu? Wo ist Herdecke besonders verwundbar? Wie kann sich die Stadt besser koordinieren, um gravierende Schäden zu vermeiden, beziehungsweise zu vermindern?
Zu nah am Wasser gebaut
Thermisch belastende Gewerbe- und Industrie-Klimatope hat das Planungsbüro im Gewerbegebiet Loerfeld, Gahlenfeld und an der Wetterstraße ausgemacht. „Aufgrund der starken Versiegelung durch Gebäude und großflächige Verkehrsflächen werden diese Gebiete tagsüber stark aufgeheizt und kühlen nachts nur verzögert ab“, heißt es erläuternd. Aber auch im Bereich der City sind die Temperaturen höher. „Ein räumlich eng begrenzter Bereich nördlich der Frühlingstraße weist ein Innenstadtklima (rot) und somit die höchsten Wärmebelastungen auf. Hier beträgt nachts die Temperaturerhöhung gegenüber den bioklimatischen günstigen Wohnsiedlungen mit Vorstadtklima ca. 2.5 °C.“ Auf einer Karte sind mit tiefem Rot die besonders berührten Bereiche hervorgehoben. Viele Senioreneinrichtungen sind hier zu finden.
Um die Wälder müssen Spaziergänger nicht so sehr bangen, wie die vom Planungsbüro zusammen getragenen Daten zeigen. Das Risiko von Sturmschäden werde eher niedrig eingeschätzt. Der Nadelholzanteil sei glücklicherweise nicht so hoch. Anders sieht es bei der Gefahr durch Starkregen aus. Michael Happe weiß von den „leidvollen Erfahrungen“, die die Herdeckerinnen und Herdecker im Juli gemacht haben. Und er weist auf generelle Zusammenhänge hin: „Problematisch wird es immer da, wo man nahe am Wasser gebaut hat.“ Im Hagener Stadtteil Hohenlimburg, der von den Fluten besonders gezeichnet ist, „wurde offensichtlich zu nahe am Bach gebaut, und das hat sich gerächt.“
Was aber kann die Stadt nun tun, um Herdecke für die Veränderungen des Klimas besser zu wappnen? Die Ratschläge von Michael Happe: Mit den Eigentümern gefährdeter Häuser Gespräche führen, insbesondere am Herdecker Bach die Entsiegelung voran treiben, den Anwohnern möglicherweise Anreize dazu geben. Was auch helfen könnte: helle Fassaden wie in den südlichen Ländern und mehr Begrünung. Und dann ist das noch die Schaffung von Rückhaltebecken. „Herdecke muss zu einer Schwamm-Stadt werden“, ließ Happe den Umweltausschuss wissen. Zumindest vorübergehend müssten auch große Wassermengen auf diese Weise aufgesogen werden.
Auch eine Starkregensimulation solle Herdecke machen lassen, so der Experte vom Büro Kommunal- und Regionalplanung in Essen. Umweltausschussvorsitzender Andreas Disselnkötter (Grüne) war nicht ganz sicher, ob so etwas nach den realen Ereignissen im Juli noch nötig sei. Für Michael Happe keine Frage: „Wir haben einen Starkregen erlebt, wie wir es noch nicht erlebt haben.“ Dabei sei Herdecke nicht einmal der Schwerpunkt bei den Niederschlägen gewesen wie etwa Hohenlimburg oder andere Teile Hagens. „Wir haben wenig Erfahrung mit solchen Ereignissen. Daher sind Simulationen wichtig.“ 30 bis 50.000 Euro seien da „gut angelegtes Geld.“
>>> Mehr Starkregen und mehr Stürme
„Trotz aller Bemühungen um CO2-Reduzierungen wird der Klimawandel noch einige Jahrzehnte fortschreiten, Experten erwarten Temperaturerhöhungen um 2°C bis zur Mitte des Jahrhunderts.“ Weiter heißt es wörtlich im Klimaanpassungskonzept: Das Jahr 2020 war in Europa durchschnittlich um 1,6 Grad Celsius wärmer als im 30-jährigen Referenzzeitraum 1981 bis 2010. Aktuelle Klimaprognosen halten beim jetzigen Tempo des Klimawandels sogar eine globale Temperaturerhöhung von über 4°C für möglich. Dabei sind schon 2°C nicht harmlos, sondern bedeuten einen Monat mehr Sommertage und bis zu fünfmal so viele Hitzetage und Tropennächte.
Außerdem führt eine solche Temperaturerhöhung zu 10 bis 20 Prozent weniger Niederschlag, was Trockenheit und Dürreperioden sowie eine Zunahme von Starkregenereignissen und starken Stürmen zur Folge haben wird. Dies wird auch Auswirkungen auf die Stadt Herdecke, ihre Infrastrukturen und die Gesundheit seiner Bewohner haben. Die genannten Klimaveränderungen sind zwar unvermeidbar, jedoch können die Schäden durch gezielte Maßnahmen gemindert und die Lebensqualität erhalten werden.
Das gesamte Konzept und eine Präsentation können abgerufen werden auf der Seite www.herdecke.de; Klimaanpassungskonzept in die Suche eingeben.