Herdecke/Hagen. Wehrsanierung in Herdecke und Hagen, Revision bei RWE, niedriger Wasserstand im Hengsteysee: Der Ruhrverband nennt Folgen für Tiere und Vereine.

Seit 2017 saniert der Ruhrverband am Hengsteysee das Wehr zwischen Herdecke und Hagen. Das hatte bisher kaum Auswirkungen auf dortige Freizeitaktivitäten. Das hat sich geändert – und hält in den nächsten Monaten an.

Zunächst das Erfreuliche: Ab sofort steht die Bootsumsetzstelle am Wehr nach mehrwöchiger Sanierung wieder zur Verfügung. Wasserwanderer können also beispielsweise ihr Kanu auf Herdecker Seite am Schiffswinkel herausheben, ein paar Meter durch den Tunnel unter der Brücke gehen und ihr Boot am Steg neben der neu hergerichteten Fläche wieder einsetzen. „Mehr als zehn Kubikmeter Beton haben wir hier verbaut“, so Projektleiter Andreas Schiffmann. Auch der Wasserstand bis zur Stiftsmühle befinde sich wieder auf normalem Niveau.

Seit Dienstag dauerhafter Pegelstand

Wo Licht ist, fällt auch Schatten. Die laufende Revision und Außerbetriebnahme des Pumpspeicherkraftwerks nutzt der Ruhrverband, um die Betonpfeiler des Stauwehrs zu sanieren. Dafür ließen RWE und Ruhrverband eine Woche lang Wasser aus dem Hengsteysee ablaufen. Dienstag endete dieser Vorgang. Am Ufer zeigt sich deutlich, dass der Spiegel nun um 45 Zentimeter unter dem minimalen Stauziel liegt. Wenn der Energiekonzern in seiner Herdecker Anlage Strom produziert, gibt es beim Pegel Schwankungen um rund 70 Zentimeter.

Dieses Ebbe-Flut-Phänomen (Tide) entfällt nun wegen laufender Reparaturarbeiten am Kraftwerk von RWE in den nächsten Monaten und ermöglicht dem Ruhrverband, an seinem Wehr Gerüste auf niedrigster Stufe aufzubauen. Von dort aus nehmen Arbeiter Ausbesserungen an den insgesamt fünf Betonpfeilern aus den 1920-er Jahren vor. „Da es sich hier um eine so genannte Wasserwechselzone handelt und das Bauwerk durch Anströmung, Treibgut oder auch Frost verschiedenen Angriffen dauerhaft ausgesetzt ist, müssen und können wir nun auch an dieser Stelle nachhaltig sanieren“, erklärt Matthäus Schallenberg, Leiter der Stauseen beim Ruhrverband. Die Gelegenheit sei gewissermaßen günstig, zumal der Zustand der alten Pfeiler eines Tages ohnehin eine Erneuerung erfordert hätte.

Schiffsfahrt mit Freiherr vom Stein vorerst unmöglich

Wegen der Umstände kann die Herdecker Familie Dörnbach auf dem Hengsteysee vorerst weder Ausflugstouren mit dem Schiff (FGS Freiherr vom Stein) noch ihren Ruder- und Tretbootverleih unter der Hohensyburg anbieten.Während der aktuellen Sanierung der Wehrpfeiler ruhen die Arbeiten an den Walzen. Vor allem aus Sicherheitsgründen können Fachleute nicht parallel agieren. Die zweite von vier Walzen ist mittlerweile instand gesetzt.

Diese Maßnahme, die nun auf Hagener Seite begann und nach ca. drei Monaten in der Mitte sowie am Herdecker Ufer fortgesetzt wird, soll im November 2021 enden. Und hat weitreichende Konsequenzen. Etwa für die Fische. „Es gab Überlegungen, in den nächsten Wochen den Wasserstand im Hengsteysee auch mal zwischenzeitlich wieder zu erhöhen, doch das würde sich beispielsweise negativ auf das Laichen auswirken, da Fische diesbezüglich mit wechselnden Bedingungen nicht so gut klarkommen und eher dauerhafte Verhältnisse mögen“, erläutert Schallenberg.

Bei der ausgiebigen Vorbereitung habe der Ruhrverband auch an die Vögel gedacht. Einige Tiere müssen wegen des niedrigen Pegels quasi umplanen, finden sie am Ufer doch nun andere Bedingungen für den Nestbau vor. Während normalerweise nur drei oder vier Schwimmflöße als zusätzliches Brutangebot auf dem Hengsteysee treiben, erhöht der Wasserwirtschaftsverband diese Anzahl der 60 mal 60 Zentimeter großen Inseln nun auf bis zu 20. Obendrein hat das Unternehmen einen 900 Meter langen Schutzzaun nahe der Lennemündung installiert, um eine dortige Graureiher-Kolonie zu schützen.

All das sei Teil der biologischen Begleitplanung, die mit der Absenkung einhergehe und viele Vorplanungen sowie informative Gespräche erforderlich machte. Auch mit ansässigen Vereinen. Etwa mit Seglern. Während in dieser Woche noch vereinzelt Boote den Wind zwischen Herdecke und Hagen nutzten, befürchten manche starke Einschränkungen wegen des niedrigen Wasserstands. „Wir hatten den Vereinen einen Transfer über die Schleusen angeboten, damit der Freizeitspaß woanders vonstatten gehen kann. Dazu gab es aber keine Rückmeldung“, sagt Schallenberg.

Michael Kranz als Vorsitzender des Segelvereins Herdecke-Ruhr teilt auf Anfrage mit: Ein Klub vom Hengsteysee angefragt habe, ob dessen Boote für Harkortsee-Ausflüge vom Herdecker Hafen am Viadukt starten können. „Wir haben diesem Verein für die ganze Saison bei uns Liegeplätze angeboten, sofern unsere Mitglieder die nicht selbst benötigen.“ Abwarten, ob diese Art Nachbarschaftshilfe zum Tragen kommt.

Warnung und Vorsicht

Weitere Auswirkungen: Durch das Absenken des Pegels habe sich die Strömung im Hengsteysee erhöht, das sei schon am Wasserwerk Westhofen zu spüren. Schiffmann bittet etwa Kanuten, gerade an der Lennemündung vorsichtiger als sonst zu agieren, wobei sich laut Schallenberg die flachsten Stellen unterhalb der Hohensyburg befinden. Zudem liegen Schwimmstege nun etwas steiler, also Obacht beim Umtragen.

Abschließend ein Appell des Ruhrverbands vor allem an Spaziergänger: „Niemand sollte die Uferwege verlassen und den Hengsteysee betreten. Einerseits aus Naturschutzgründen. Andererseits besteht auch die Gefahr, im Schlamm einzusinken bzw. einzubrechen.“ Weitere Warnhinweise sollen in Kürze darauf aufmerksam machen.