Hohenlimburg. Keine Haustür, karge Zimmer: Der bauliche Zustand einer Notunterkunft in Hohenlimburg schockiert die Politik. Nun soll sich etwas ändern:
Obdachlosen Menschen mit psychischen Problemen eine Bleibe zu bieten, dafür betreibt die Stadt Hagen eine Notunterkunft am Frankenweg in Elsey - doch anhaltende Mängel haben die Lokalpolitik in Hohenlimburg alarmiert. „In dieser Unterkunft herrschen skandalöse Verhältnisse“, sagt Frank Schmidt, Bürger für Hohenlimburg. „Wir drängen darauf, dass hier endlich etwas passiert.“ Die Stadt kündigte an, dass in der Unterkunft bald etwas passieren wird.
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Mängel längst bekannt
Als „erheblich renovierungs- und sanierungsbedürftig“ wurde die städtische Notunterkunft erst Ende November 2023 vom Fachbereich Wohnraumsicherung bewertet, als die Bürger für Hohenlimburg die Missstände vor Ort erstmals in die Bezirksvertretung brachten. Seither scheint wenig passiert zu sein, wie Josefa Scholz von der Hagener Suppenküche zu berichten weiß. Seit Ende vergangenen Jahres fährt sie mit anderen Ehrenamtlichen der Suppenküche einmal pro Woche mit einem Kombi an den Unterkünften vor, um Lebensmittel an die Bewohner zu verteilen. „In Zimmern fehlt der Wasseranschluss und teils gibt es keine Türen“, berichtet Scholz. Geschirr müsse in Sanitäranlagen gespült werden.
„In Zimmern fehlt der Wasseranschluss und teils gibt es keine Türen.“
Elektroradiator statt Heizung
„Außerdem gibt es keine Heizungen in den Zimmern. Stattdessen stehen dort Elektroradiatoren, die viel Strom fressen“, erläutert die Ärztin gegenüber dieser Zeitung.
In der Notunterkunft wohnen hauptsächlich Frauen. Alle Bewohner leiden laut Stadt an schweren psychischen Erkrankungen wie Psychosen und Schizophrenie. Nur einmal pro Woche gibt es vor Ort eine Sprechstunde des Sozialpsychiatrischen Dienstes. Der Alltag vor Ort ist für die Nachbarschaft oft eine Belastungsprobe. Anwohner berichten von Bewohnern, die ihre Notdurft in der Öffentlichkeit verrichten oder in der Nachbarschaft klingeln und um Geld bettelten.
Weil die Menschen nicht dauerhaft in der Einrichtung leben, wechselt über die Jahre die Bewohnerschaft häufig. „Je nachdem, wer gerade in der Einrichtung lebt, ist es mal schlimmer, mal ruhiger“, sagt eine Anwohnerin, die in Sichtweite der Notunterkunft wohnt, gegenüber dieser Zeitung.
Gewalt, Prostitution und Drogen
Über die Begleiterscheinungen der Notunterkunft nimmt die Stadt kein Blatt vor den Mund: Es gebe Gewalt, Prostitution und Drogenhandel. „Die Gemeinschaftsunterkunft Frankenweg ist eine gefährliche Unterkunft“, heißt es in einem Konzeptpapier des Fachbereichs Integration, Zuwanderung und Wohnraumsicherung, das dem Sozialausschuss im Juni 2024 vorlag. Weil die früheren Holztüren in dem Gebäude immer wieder durch Gewalt beschädigt wurden, greife man mittlerweile auf Stahltüren zurück, die bei Bedarf ausgetauscht werden. Seit Anfang 2023 gebe es einen Wachdienst von zwei Mitarbeitern, der in den Nachtstunden vor Ort sei - ohne großen Erfolg.
Wachdienst ohne Effekt
Weder seien Gewalt und Beschädigungen rückläufig, noch habe man den unbefugten Zutritt von Fremden unter Kontrolle bringen können, heißt es in dem Papier, das für die Einrichtung viele Maßnahmen (wie eine 24/7-Betreuung, mehr Sicherheitsleute und ein Gewaltschutzkonzept) vorschlägt.
„Wir setzen die Mindeststandards nach und nach um, weil es Schlag auf Schlag eben nicht geht.“
Umbauarbeiten angekündigt
Umgesetzt wurde bislang wenig. Für schnelle Lösungen fehlten die finanziellen Mittel und das Personal, betonte Dirk Fröhning, Abteilungsleiter Wohnraumsicherung, vor der Bezirksvertretung. „Wir setzen die Mindeststandards nach und nach um, weil es Schlag auf Schlag eben nicht geht.“ Mit dem Vermieter der Unterkunft- der Ha.ge.we - seien die nötigen Verträge unterzeichnet, um einen Umbau der Einrichtung zur Frauennotschlafstelle auf den Weg zu bringen. Bald soll es verschließbare Haustüren an den Gebäuden geben (bislang stehen die Eingänge offen) sowie Heizungen und Warmwasserleitungen in sämtlichen Zimmern.
340.000 Euro für Sanierung
„Spätestens zum zweiten Quartal wird mit dem Einbau einer Gaszentralheizung begonnen“, kündigt Alexander Krawczyk, Geschäftsführer der Ha.ge.we, auf Anfrage an. „Danach werden in den Gebäuden räumliche Umbaumaßnahmen (WC-Anlagen, Heizkörper, Innentüren, Oberböden etc.) beginnen.“ Rund 340.000 Euro werde die Ha.ge.we investieren.
Lange Vorlaufzeiten
Warum die Ha.ge.we nicht schon Ende 2023 reagierte, als bauliche Mängel am Gebäude erstmals öffentlich wurden, erklärt der Eigentümer gegenüber dieser Zeitung mit langen Vorlaufzeiten. „In 2024 kam bei der Stadt Hagen die Überlegung, eine übergangsweise Frauennotschlafstelle zu schaffen. Es sollen Schlafplätze und eine kleine Verwaltungsstelle vor Ort geschaffen werden“, so Krawczyk. „Dies geht mit Planungen voraus, die leider dauern. Daneben haben wir auf die Unterzeichnung einer Zusatzvereinbarung gewartet.“
Mehr Personal angekündigt
Die Stadt will das Personal für die Notunterkunft, in der aktuell 19 Menschen leben, aufstocken. Eine Leitungsstelle sowie fünfeinhalb Stellen für Heil- und Erziehungspfleger sollen entstehen. Auch eine Rund-um-die-Uhr-Betreuung soll es künftig geben.
„Wir sind nicht länger bereit, hier weiter mit Absichtserklärungen vorliebzunehmen und nach einem halben Jahr stellt sich heraus, dass noch nichts passiert ist.“
Politik will Druck hochhalten
„Wir sind nicht länger bereit, hier weiter mit Absichtserklärungen vorliebzunehmen und nach einem halben Jahr stellt sich heraus, dass wieder nichts passiert ist“, will Frank Schmidt, Bürger für Hohenlimburg, den Druck hochhalten. Einhellig fordern die Bezirksvertreter zudem einen Sachstandsbericht über den Zustand und die Pläne für die Unterkunft.
4485 Euro Miete pro Monat
Für die Bewohner ist eine monatliche Nutzungsgebühr von 218,31 Euro pro Kopf fällig, die entsprechend Gebührensatzung erhoben wird. „In dieser Nutzungsgebühr sind anteilige Kosten für Strom und Heizung in Höhe von 41,38 Euro enthalten“, so Franziska Michels, Stadt Hagen, auf Anfrage. Weitere Nebenkosten werden nicht mit den untergebrachten Personen abgerechnet. Unterm Strich zahlt die Stadt derzeit 4485,23 Euro Miete für die Notunterkunft an die Ha.ge.we.
Mietvertrag mit der Stadt
Wie wurden die Einnahmen in den vergangenen Jahren von dem Vermieter genutzt, wenn nicht für Sanierungsarbeiten in der Unterkunft? „Wir haben einen Mietvertrag mit der Stadt Hagen und erhalten einen geringen Mietzins. Von den Nutzern erhalten wir keine Nutzungsgebühr“, so die Antwort der Ha.ge.we gegenüber dieser Zeitung.