Breckerfeld/Ennepetal. Der Motorrad-Lärm an der L699 zwischen Breckerfeld und Ennepetal raubt Anwohnern den letzten Nerv. Jetzt gehen sie gemeinsam auf die Barrikaden.

Sie können von kaum unzähligen Gegebenheiten berichten: Motorradfahrer, die mal eben vor einer Kurve noch ausscheren und überholen. Maschinen, die aus dem Maisfeld gezogen werden müssen. Motorräder, die auf glatter Fahrbahn ins Schlingern geraten. Schließlich die tödlichen Unfälle.

Und über all dem steht dieser ebenso andauernde wie ohrenbetäubende Lärm, der ihnen allen vor allem an sonnigen Wochenenden den letzten Nerv raubt. Im beschaulichen Tal der Ennepe zwischen Breckerfeld und Ennepetal könnte die Idylle so wunderbar sein, würde nicht quasi parallel des Flusses zuweilen auf der Stadtgrenze mit der L699 eine Landstraße verlaufen, die bei Motorradfahrern aus der weiten Region offenbar zu den beliebtesten zählt.

Auch Sportwagen nerven

Diese Belastung, hervorgerufen vor allem, aber nicht nur durch Motorradfahrer, sondern auch durch rasende Sportwagen, hat nun dazu geführt, dass sich entlang der L699 eine Bürgerinitiative formiert. Die Nachbarschaft, die im Bereich Grüntal/Behlinger Weg auf Ennepetaler Gebiet wohnt, ist dabei, den Widerstand zu organisieren.

M. Kleinrensing WP Hagen Straßenverkehr
In der Ortschaft Holthausen in Breckerfeld gilt - wie an anderen Stellen entlang der L699 - Tempo 30. Anwohner bemängeln, dass sich ein großer Teil der Motorradfahrer daran nicht hält. © WP | Michael Kleinrensing

„Sie schalten auf Höhe von Wohnhäusern sogar noch herunter und drehen am Gashahn.“

Martina Schwunke
Anwohnerin L 699

„Seit 20 Jahren wohne ich hier“, sagt Tobias Krug. „Und ich habe den Eindruck - es wird immer schlimmer. Es ist im Sommer nicht mehr möglich, mal in Ruhe im Garten zu sitzen.“ Denn - um es auf den Punkt zu bringen - sagt Jaqueline Franke: „Die Motorräder sind zu schnell und zu laut. Mit Tempo 50 ist hier keiner unterwegs.“ Was - zumindest an einigen Stellen, so man von Ennepetal aus bergauf fährt - auch schon 20 km/h zu schnell wäre.

Einmal im Jahr herrscht Ruhe

Dabei, so argumentiert Martina Schwunk, sei die L699 eben auch eine ausgewiesene Radstrecke. Obendrein führe sie durch ein Naturschutzgebiet. „Damit aber scheinen viele Motorradfahrer nichts im Sinn zu haben. Sie schalten auf Höhe von Wohnhäusern sogar noch herunter und drehen am Gashahn.“ Der schönste Tag im Jahr sei der, an dem „Ennepetal auf Rädern“ stattfinde. Da ist die Landstraße gesperrt und ausschließlich Radfahrern vorbehalten.

WP Lokalbild Hagen
Immer wieder ist es an der L 699 - so wie hier oberhalb der Ennepetalsperre - zu schweren Unfällen gekommen. © WP | Jens Stubbe

All das, so erzählt Dirk Männl, habe man auch immer wieder an die Polizei herangetragen. „Aber manchmal habe ich das Gefühl, dass die uns gar nicht mehr ernst nehmen.“ Überhaupt: „Ich habe vorher in der Stadt gewohnt. Da war es zu den Zeiten besonders laut, zu denen ich arbeiten musste. Hier, im ländlichen Bereich, ist es genau umgekehrt.“

„Die kommen aus dem Tal zum Teil mit mehr als 100 km/h hier durchgeschossen. Das ist der absolute Wahnsinn.“

Carsten Schoppmann
Anwohner aus Holthausen

Auch Familie aus Breckerfeld sauer

Die Ennepetaler Anwohner sind längst nicht die einzigen, die sich gestört fühlen. Auch Familie Schoppmann, die oberhalb der Ennepetalsperre im Örtchen Holthausen lebt und vor deren Haus Tempo 30 gilt, hatte zum Ausklang der Saison vor drei Wochen eine ernüchternde Bilanz gezogen: „Die kommen aus dem Tal zum Teil mit mehr als 100 km/h hier durchgeschossen. Das ist der absolute Wahnsinn.“

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Auch Familie Schoppmann aus Breckerfeld hat den Lärm an der Landstraße 699 satt. © WP | Michael Kleinrensing

Noch höhere Geschwindigkeiten hat auch Tobias Krug gemessen. „Ich habe 20 Motorräder erfasst und dann Geschwindigkeiten ausgerechnet“, sagt er, „drei Maschinen sind hier mit mehr als 155 Kilometern pro Stunde durchgerast. Der Lärmpegel liegt in Teilen bei mehr als 100 Dezibel.“

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Zettel an 150 Haushalte

All das hat die Anwohner dazu bewogen, ihren Protest jetzt auf eine neue Stufe zu heben. An 150 Haushalte zwischen dem Platsch in Ennepetal und der Ortschaft Ehringhausen haben sie Zettel verteilt und zu einer Versammlung am 17. November, 15 Uhr, in den Räumen des Angelvereins, Schöntal 1a, eingeladen. „Die Resonanz ist total positiv“, sagt Tobias Krug, „wir wollen in einem ersten Schritt uns selbst organisieren und dann in einem zweiten an Politik und Polizei herantreten.“

Über Jahre hinweg hatten Kreisverwaltung und Polizei die Landstraße nicht im Fokus. Aufgrund der zunehmenden Anzahl der Motorradunfälle hatte man zuletzt erklärt, dass sich die Unfallkommission mit dem Abschnitt befassen werde.

Verband hat Verständnis

Michael Lenzen, Vorsitzender des Bundesverbandes der Motorradfahrer, hat - ohne die konkreten Verhältnisse vor Ort zu kennen - Verständnis für den Ärger. „Wir appellieren ja an Motorradfahrer, sich rücksichtsvoll zu verhalten“, sagt er, „subjektiv haben die Anwohner recht. Objektiv braucht es genaue Messungen an bestimmten Punkten. Wenn die Ergebnisse vorliegen, sind auch wir bereit, uns mit unserem Knowhow einzubringen.“ Nur eine von mehreren denkbaren Maßnahmen sei das Aufstellen einer Lärmanzeige, die den Pegel messen und dann den Fahrern einen Hinweis geben, sich angemessen zu verhalten. Das zeige durchaus Effekte.

Ab Januar 2025, so Lenzen, gelte die neue Norm Euro 5 plus. „Die führt generell dazu, dass neue Motorräder leiser werden“, sagt Lenzen. Und dafür setze man sich auch als Verband ein. „So werden beispielsweise Klappen in Auspuffen, die sich ab einer bestimmten Drehzahl öffnen und für mehr Lärm sorgen, künftig verboten.“