Hagen. Die Bundesregierung feiert ihre Klinik-Reform schon jetzt als Erfolg. So blickt ein Krankenhaus aus Hagen auf die Pläne.
Bereits vor gut zwei Jahren ist in Hagen eine eigene Klinikreform angestoßen worden. Das St.-Johannes-Hospital in Boele wurde von der Katholischen Krankenhaus GmbH geschlossen, diverse Abteilungen wechselten an das Zentrum für seelische Gesundheit in Elsey und an das Agaplesion-Klinikum. Vor diesem Hintergrund blickt man bei der Katholischen Krankenhaus GmbH mit einer gewissen Gelassenheit auf die Pläne der Bundesregierung, die Leistungsgruppen einführen, die Finanzierung neu aufstellen und Bürokratie abbauen will. Im Interview spricht Klinkmanager Marcus Gertjejanßen.
Der Hagener Abgeordnete Dr. Janosch Dahmen, gesundheitspolitischer Sprecher der Grünen und selbst Mediziner, feiert die Reform der Bundesregierung. Wie schaut das bei Ihnen aus?
Die Reform war ja lange angekündigt. Bei den Leistungsgruppen, die ja dafür sorgen sollen, dass eben Leistungen nur noch dort erbracht werden, wo man sich darauf spezialisiert hat, ist das Land NRW vorgeprescht. Diesen Prozess, mehr auf Qualität zu setzen, begrüßen wir im Grundsatz. Wir sind gut aufgestellt und fest davon überzeugt, dass dadurch unsere Standorte gestärkt werden.
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Auch bei der Finanzierung soll Qualität eine größere Rolle spielen. Glauben Sie daran?
Die Rede ist ja von Vorhaltepauschalen, also davon, dass Kliniken auch dafür Gelder erhalten, dass sie bestimmte Leistungen anbieten. Aber ein Teil läuft weiterhin über Fallpauschalen, richtet sich also beispielsweise danach, wie viele Eingriffe einer bestimmten Art dann auch tatsächlich in einer Klinik durchgeführt werden. Fälle müssen also weiter generiert werden, die Auslastung muss stimmen. Ich glaube unter dem Strich nicht, dass der Druck, der auf den Krankenhäusern lastet, durch die angepasste Regelung nicht geringer wird.
Warum ist das so?
Weil das grundlegende Problem der nachlaufenden Vergütung niemand angeht. Wir haben Tarifsteigerungen zwischen 6,5 und 7 Prozent. Das ist der entscheidende Kostenfaktor. Dazu kommen allgemeine Preissteigerungen in Höhe von 4,5 Prozent. Aber es gibt keinen Nachholeffekt. So tut sich eine Schere auf, die die Kliniken alleine nicht schließen können.
Also droht der Katholischen Krankenhaus GmbH ein Defizit?
Wir werden entgegen dem Branchentrend das Jahr voraussichtlich mit einem guten Ergebnis abschließen.
Wie stellt sich denn die wirtschaftliche Situation der Hagener Häuser dar?
Das St.-Josefs-Krankenhaus bildet eine kleine aber schlagkräftige Einheit. Ich möchte unter all unseren hervorrragenden Abteilungen beispielhaft die HNO- und die Gefäßabteilung nennen, zwei hochspezialisierte Abteilungen, die Patienten aus der Region und weit darüber hinaus nach Hagen locken. Die Auslastung im St.-Josefs-Hospital liegt bei 80 Prozent. Das ist außergewöhnlich gut und läuft dem Bundestrend klar entgegen. Es zeigt, dass es auf die Qualität ankommt und dass der Weg, den wir zuletzt beschritten haben, der richtig war. Ich habe das Gefühl, dass wir quasi vor eine Welle schwimmen. Wir sind zuletzt viele Dinge angegangen. Das macht sich nun bei den Leistungszahlen bemerkbar.
Glauben Sie an den versprochenen Bürokratieabbau?
Nein. Ich arbeite jetzt seit 20 Jahren im Gesundheitswesen. Und in dieser Zeit ist die Bürokratie noch nie weniger geworden. Das Gegenteil war der Fall. In den Klinikverwaltungen braucht es unheimlich viele Experten für einzelne Bereiche. Die gibt es aber auf dem Markt nicht. Und wenn, dann sind sie ausgesprochen teuer. Wenn nun von Transformationsfond die Rede ist, mag das ein guter Ansatz sein. Ich fürchte aber, dass die Beantragung wieder mit hohen Auflagen verbunden ist.
Wie blicken Sie insgesamt auf die Kliniklandschaft?
Der gesamte Krankenhausmarkt wird sich weiter bereinigen. Es wird noch zu weiteren Klinikschließungen kommen. Wer die jetzt anstehende Welle überlebt, der hat am Ende ausreichend Patienten. Vermutlich sprechen wir dann sogar in einigen Bereichen von Kapazitätsproblemen.
Also sehen Sie die wohnortnahe Versorgung in Gefahr?
Für Hagen und die angrenzenden Ballungsräume gewiss nicht. Aber: Auch im Ruhrgebiet werden die Menschen nicht mehr alle Leistungen in ihrer Heimatstadt finden. Schauen wir mal auf das Beispiel der Cochlea-Implantate, auf die das St.-Josefs-Hospital spezialisiert ist. Da wird es in NRW vielleicht vier oder fünf Häuser geben, die diese Leistung anbieten können.
Welche Rolle nimmt bei all dem das Zentrum für seelische Gesundheit in Elsey ein?
Die Psychiatrie ist in unseren Augen ein besonderes Thema, das aber auch bei der Klinikreform unter dem Radar läuft. Die Zahl der Erkrankungen nimmt dramatisch zu. Die Plätze aber sind knapp. NRW-Gesundheitsminister Josef Laumann hat das erkannt, aber in der Reform des Bundes kommt unserer Einschätzung nach dieser Bereich nicht vor. Die Fragen der Mindeststandards und der Vorhaltepauschale ist völlig offen.