Hagen. Nach neun Jahren hat die Hagen wieder ein Stadtmuseum, in dem die eigene Geschichte aufgearbeitet wird. Wir geben exklusive Einblicke
Es mag abgedroschen klingen, dass man in diesem Museum eine Zeitreise erleben kann. Das ist aber so. Und das Außergewöhnliche daran ist die Art: unaufdringlich, nicht überfrachtet, wohl sortiert. Der Besucher kann selbst entscheiden, wie weit er reist und wo er einen Schwerpunkt setzen möchte. Will er in zwei Stunden die Entwicklung von Hagen nachvollziehen? Das geht. Oder will er tief einsteigen in die Geschichte? Auch letzteres ist möglich im neuen Stadtmuseum an der Hochstraße. Wenn auch vielleicht nicht bei einem Besuch an einem einzigen Tag.
Zuerst ist da aber diese Botschaft: Nach neun Jahren hat Hagen wieder ein Stadtmuseum. Das in der Wippermann-Passage in Eilpe, das vor allem bekannt war dafür, mit kleinstem Budget Sonderausstellungen zu kreieren, die tausende Besucher (häufig Kinder und Jugendliche lockten) hatte 2015 geschlossen. Eigentlich sollte ein kurzer Übergangszeitraum folgen. Dass daraus neun Jahre werden sollten (aus nachvollziehbaren und nicht nachvollziehbaren Gründen), hatte damals niemand geahnt.
Unzählige Stunden
Auch nicht Dr. Ralf Blank, Leiter des Fachdienstes Wissenschaft, Museen und Archive der Stadt Hagen, der bereits am alten Standort maßgeblich Verantwortung trug. Blank zählt zu jenen, die auch am neuen Ort über Jahre eine kurzweilige Ausstellung konzipiert haben. Wenngleich er mit einem Augenzwinkern einräumt, dass er - ein ausgewiesener Experte für die Zeit des Nationalsozialismus - immer wieder gebremst worden sei.
„Ich bin ja selbst ein alter, weißer Mann. Manchmal ist man da mit seinen Ansichten und seinem Blick einfach zu festgefahren. Da ist es gut, wenn mal jemand von außen wichtige Impulse gibt.“
Vor allem von einer jungen Frau, die keine Hagenerin ist, sondern in Mülheim lebt und erst seit vier Jahren in Diensten der Stadt steht: Projektleiterin Julia Wahlsorf. Sie und ihr Team (Ausstellungsexperten, Mediengestalter, Museumstechniker) haben in den letzten Monaten unzählige Stunden im früheren Gerichtsgebäude im Schatten von Schumacher- und Osthaus Museum verbracht. „Ich bin ja selbst ein alter, weißer Mann“, sagt Blank mit einer gewissen Selbstironie, „manchmal ist man da mit seinen Ansichten und seinem Blick einfach zu festgefahren. Da ist es gut, wenn mal jemand von außen wichtige Impulse gibt und sagt: Da sollten wir jetzt mal einen Fokus setzen.“
Schumacher-Staffelei im Stadtmuseum
Dieser Fokus liegt nicht nur auf einzelnen Exponaten, sondern generell auf der Art und Weise, wie Geschichte präsentiert wird. Durchaus humorvoll direkt am Eingang, wenn beispielsweise Radiomoderator Robin Hiermer als Friedel Hiersenkötter auf Knopfdruck Hagener Eigen- und Besonderheiten erklärt. Anspruchsvoll und gleichzeitig unterhaltsam, wenn Besucher an Multimediawänden immer wieder selbst entscheiden können, wie weit und wie tief sie vordringen wollen. Oder aber überraschend, wenn ein Bogen geschlagen wird zum benachbarten Emil-Schumacher-Museum und die Staffelei des berühmten Malers im Museum für Stadtgeschichte ausgestellt wird.
Auch interessant
Daneben gibt es in der Ausstellung Exponate mit Seltenheitswert. Zum Beispiel eines der wenigen Tücher, aus denen die Sterne geschnitten wurden, die Juden in der Zeit des Nationalsozialismus tragen mussten. Oder eine U-Boot-Batterie, die in Hagen in der Akkumulatoren-Fabrik hergestellt wurde und die in einem Boot verbaut war, das erst vor einigen Jahren aus dem Meer gezogen wurde, weil man glaubte, dass Hitler darin Schätze und Persönliches aus Deutschland herausschmuggeln wollte (was sich nicht bewahrheitete). Oder der eiserne Schmied, der die Besucher gleich am Eingang empfängt und der zu Zeiten des Ersten Weltkriegs in Hagen und anderen Städten erschaffen wurde, um Kriegswaisen zu unterstützen. „In dieser Größe ist ein solches Exponat in kaum einer anderen Stadt erhalten“, so Blank.
Feiertage zur Eröffnung
Bleibt noch die Frage nach der Zusammenarbeit im ehemaligen Kunstquartier: Prof. Rainer Stamm, neuer Leiter des Fachbereichs Museen und Archive, erst seit 1. September in Amt und Würden, spricht lieber von einem Museumsquartier: „Wir wollen die alten Gräben nicht mehr. Diese Insel ist ein Beitrag zum Zusammenhalt in der Stadt. Man soll über Geschichte und die Geschichten sprechen.“
Erste Gelegenheit: Am Samstag und Sonntag, 14. und 15. September. Da können Hagener (und Auswärtige) das neue Museum entdecken. Von 12 bis 18 Uhr steigt im Museumsquartier ein Eröffnungsfest. Sechs Bands spielen an beiden Tagen, dazu gibt es eine Museumsrallye, Bastelangebote und mehrere Führungen. Snacks bietet das Museumscafé Pottblümchen.