Hohenlimburg. Thyssenkrupp will sich von den Hüttenwerken Krupp Mannesmann trennen - wichtigster Lieferant für das Werk Hohenlimburg. Das sorgt für Unruhe.
Bei den jüngsten Protesten gegen Einschnitte beim Stahlkonzern Thyssenkrupp in Duisburg waren auch einige Arbeiter aus dem Werk in Hohenlimburg dabei. Es sind wichtige Wochen für die Zukunft von Deutschlands größtem Stahlhersteller. Weil die Nachfrage eingebrochen ist, will Thyssenkrupp künftig weniger Stahl in Duisburg produzieren und die Sparte abkoppeln. Das Restrukturierungsprogramm liegt noch nicht auf dem Tisch - und das sorgt in der Belegschaft in Hohenlimburg für Ernüchterung.
„Alle hängen in der Luft, auch die Betriebsräte. Das ist sehr frustrierend“, sagt Nadja Kappenstein, Vorsitzende des Betriebsrates Thyssenkrupp Hohenlimburg. „Man hangelt sich von einer Sitzung zur nächsten.“ Weil klare Aussagen fehlen, macht sich Unruhe breit.
Verkauf von Vormaterial-Lieferant
An der Lenne steht besonders die Zukunft der Hüttenwerke Krupp Mannesmann (HKM) im Fokus. Denn die 50-Prozent-Tochter von Thyssenkrupp Steel soll verkauft werden. Die Hamburger Beteiligungsgesellschaft CE Capital Partners habe sich laut Medienberichten bereits als Interessent dem Präsidium des Aufsichtsrats vorgestellt.
Verkaufsgespräche, die in Hohenlimburg genau beobachtet werden. Schließlich liefert HKM die sogenannten „schmalen Brammen“, die Thyssenkrupp in seinem hiesigen Werk an der Lenne zu warmgewalztem Mittelband verarbeitet. „Wir beziehen unser Vormaterial zu 95 Prozent von HKM“, beziffert Kappenstein. „Zwar steht der Standort in Hohenlimburg nicht auf dem Spiel, aber es ist trotzdem wichtig, dass die Versorgung mit Vormaterial weiter sichergestellt ist.“
Abhängig von Lieferungen
Nicht zuletzt auch, weil dieses Vormaterial am Anfang einer Kette steht, an der viele Betriebe hängen. Nachdem die schmalen Brammen aus Duisburg in dem Werk von Thyssenkrupp an der Oeger Straße angekommen sind, werden sie dort zum Mittelband „Precidur“ warm gewalzt. Mit diesem spezialisierten Mittelband wiederum werden benachbarte Kaltwalzbetriebe wie C.D. Waelzholz, Bilstein und Risse + Wilke beliefert. Rund 839.000 Tonnen Absatz verzeichnete das Werk in Hohenlimburg laut Unternehmenshomepage im Geschäftsjahr 2022/23.
„Es wäre extrem absurd, ein so erfolgreiches Geschäftsmodell wie zwischen Thyssenkrupp, HKM und den Kaltwalzbetrieben zu zerschlagen. Das muss in jedem Fall verhindert werden.“
Auftraggeber in der Nachbarschaft
Die enge Verzahnung von Lieferanten und Auftraggebern vor Ort bezeichnet Jens Mütze, 1. Bevollmächtigter der IG Metall Hagen, als „Erfolgsgeschichte“, mit der Thyssenkrupp auch gutes Geld verdiene. „Es wäre extrem absurd, ein so erfolgreiches Geschäftsmodell wie zwischen Thyssenkrupp, HKM und den Kaltwalzbetrieben zu zerschlagen. Das muss in jedem Fall verhindert werden.“
Auf Anfrage wollte sich die Geschäftsführung von Thyssenkrupp Hohenlimburg nicht zu den Debatten über die Zukunft der Stahlsparte äußern. Sprecherin Tanja Laven verwies auf das laufende Verfahren. Es gebe in der Sache noch nichts Konkretes.
Suche nach Alternativen
Rund tausend Mitarbeiter arbeiten in dem Warmwalzwerk von Thyssenkrupp in Hohenlimburg. Da das Werk rund 95 Prozent seines Vormaterials von HKM bezieht, ist der Standort abhängig von dieser Duisburger Hütte. Eine Abhängigkeit, die angesichts der unklaren Zukunft der Stahlsparte offene Gedankenspiele auslöst. Was wäre, wenn HKM verkauft wird und als Lieferant für Hohenlimburg wegfiele? Dann müssten andere Lieferanten einspringen, wie die Hochöfen von Thyssenkrupp Steel im Duisburger Norden: „Dazu bräuchte es dort technische Veränderungen, um die schmalen Brammen herzustellen. Das geht aber nicht von jetzt auf gleich“, sagt Mütze.
Warten auf Zukunftskonzept
Es wird wohl noch Monate dauern, bis über einen möglichen Verkauf von HKM entschieden ist. Ebenso unklar, wann das angekündigte neue Zukunftskonzept für die Stahlsparte von Thyssenkrupp vorgestellt wird.
„Es wird mit dem Betriebsrat keine Gespräche über einen möglichen Arbeitsplatzabbau geben, bevor nicht geklärt ist, wie dieser überhaupt finanziert werden soll.“
Gutachten beschlossen
Zunächst soll ein unabhängiges Gutachten klären, wie hoch die finanzielle Mitgift des Konzerns ausfallen muss, wenn die Stahlsparte ausgekoppelt wird. Auf diesem Gutachten der Fachleute liegen auch Hoffnungen in Hohenlimburg, wie Nadja Kappenstein, Vorsitzende Betriebsrat Thyssenkrupp Hohenlimburg, betont: „Es wird mit dem Betriebsrat keine Gespräche über einen möglichen Arbeitsplatzabbau geben, bevor nicht geklärt ist, wie dieser überhaupt finanziert werden soll.“
Proteste an Konzernzentrale
Mit Mahnwache und Protestaktionen an der Zentrale in Duisburg machen die Stahlarbeiter von Thyssenkrupp auf sich aufmerksam. So zog, nach Vorbild des olympischen Feuers, symbolisch eine „Flamme der Solidarität“ durch die einzelnen Standorte von Thyssenkrupp Steel. Diese stählerne Fackel zog über Siegerland, Finnentrop und Hohenlimburg weiter ins Ruhrgebiet. Zuletzt wurde sie vor der Konzernzentrale in Duisburg an Vertreter des Aufsichtsrats übergeben, allen voran Aufsichtsratschef und Ex-Vizekanzler Sigmar Gabriel.
Stahlgipfel am 16. September
Derweil hat das NRW-Wirtschaftsministerium angesichts der Lage bei Thyssenkrupp für den 16. September zu einem Stahl-Gipfel in der Duisburger Mercatorhalle geladen. Eine Senkung der Energiepreise, der rasche Ausbau der Erneuerbaren Energien und ein zügiger Aufbau der Wasserstoff-Wirtschaft sind für die Landesregierung erforderlich.
In Hohenlimburg hat Thyssenkrupp zuletzt einen wichtigen Schritt getan, um den Co2-Ausstoß des Werkes zu senken. Dort wird grüner Strom direkt aus den neuen Windrädern am Stoppelberg bezogen.