Hagen. Generationen von Vorhallern haben in der Turnhalle Nöhstraße gespielt, geschwitzt und gelacht. Was wird aus dem nostalgischen Bau in Hagen?
„Das Schlimmste, was einem Denkmal passieren kann, ist, dass es nicht genutzt wird.“ Mirjam Kötter, Leiterin der Unteren Denkmalbehörde in Hagen, steht ein wenig ratlos vor der wohl ältesten Turnhalle der Stadt. Das 1929 errichtete Gebäude in der Nöhstraße, das jahrelang als Heimstätte für viele Vorhaller Sportgruppen diente, wurde von der Stadtverwaltung vor elf Jahren aus statischen Gründen geschlossen. Seitdem steht es leer und vergammelt.
Aus dem nahezu 100 Jahre alten errichteten Holzgebäude ist nach einem Jahrzehnt der Untätigkeit eine Ruine geworden. Zwar sei keine unmittelbare Gefahr im Verzug, doch ein unberechenbarer Windstoß könnte das Gebäude im schlimmsten Fall zum Einsturz bringen, urteilten seinerzeit die Experten der städtischen Gebäudewirtschaft. Der TSV Vorhalle, einer der größten Sportvereine in Hagen, verlor seinen zentralen Anlaufpunkt und musste sich zugleich von einem Stück seiner Geschichte verabschieden.
Bis heute hat sich kein Investor gefunden
Andererseits steht die Halle unter Denkmalschutz. Sie sei bedeutend für die Geschichte der Menschen in Hagen und zeige Aspekte des Sportes nach dem Ersten Weltkrieg, urteilten die Wissenschaftler des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe in ihrer Expertise. Zudem mache das Gebäude historisch deutlich, wie die Stadt damals der Aufgabe, den Sport auch in wirtschaftlich schwachen Jahren zu unterstützen, nachgekommen sei. Und: Das Gebäude dokumentiere den Stand des Turnhallenbaus in den 20er-Jahren.
Mit ihrem Gutachten verhinderten die Denkmalschützer, dass die Halle abgerissen wurde. Bis heute steht sie, leer und nutzlos, unmittelbar neben der A1 in Vorhalle. Bis heute hat sich kein Investor gefunden, der bereit wäre, für die immensen Sanierungskosten aufzukommen und die Halle anschließend – in welcher Form auch immer – zu nutzen.
Die Stadt tut nur, was sie tun muss
Stattdessen ist das Gebäude von Brombeeren und Unkraut überwuchert, Scheiben wurden eingeschlagen und mit Brettern vernagelt. Die Wände sind mit Graffiti und obszönen Kalauern beschmiert, die Fensterrahmen starren vor Schmutz, rund um die Halle hat sich ein Wald von Brennesseln ausgebreitet. Niemanden scheint es zu interessieren, dass hier ein kommunaler Vermögenswert im Boden einsinkt und verwildert.
Die Stadt kommt ihrer Pflicht nach, den Bestand zu sichern, hat aber aus finanziellen Gründen nicht die Möglichkeit, die Immobilie grundlegend zu sanieren und wieder für den Sport in Vorhalle zur Verfügung zu stellen. Und ein privater Geldgeber werde natürlich nur dann in die Halle investieren, wenn er sie anschließend sinnvoll nutzen könne, gibt Mirjam Kötter zu bedenken. „Was allerdings angesichts der Denkmalauflagen und der unzugänglichen Lage der Halle eine Herausforderung darstellt, aber nicht unmöglich ist.“
Das Warten auf den Retter in der Not
Vor sechs Jahren tat sich plötzlich eine Chance auf, die Stadt Hagen wollte die dem Verfall freigegebene und denkmalgeschützte Turnhalle mit Geldern aus einem spontanen Förderprogramm des Bundesbauministeriums sanieren. Knapp über eine Million Euro würde das kosten. Damit sollte auch dem großen Platzdruck des Schul- und Vereinssports in Vorhalle Rechnung getragen werden. Doch schließlich scheiterten die ehrgeizigen Pläne u.a. an der Tatsache, dass sich die Stadt im Nothaushalt befand.
Dennoch hat Mirjam Kötter die Hoffnung, dass sich eines Tages doch noch ein „Retter“ für die Turnhalle einfindet, nicht aufgegeben. „Auch wenn das Erscheinungsbild derzeit nicht sehr ansprechend ist, so stellt das Gebäude nach wie vor ein Denkmal dar“, betont die städtische Angestellte, die selbst aus Vorhalle stammt und früher in der Halle trainiert hat.
Eine Halle mit Atmosphäre
Die Halle besitzt ihre ganz eigene Atmosphäre. Alles aus Holz, der leicht gewellte Parkettboden, die Wände, die Fensterrahmen. Generationen von Vorhallern haben hier geturnt, gespielt, geschwitzt.: „Die Architektur, der gestalterische Anspruch, aber auch die mit der Halle verbundene Orts- und Vereinsgeschichte sind Merkmale, die nach wie vor für die Ausweisung als Denkmal sprechen.“
Im übrigen sei das Gebäude rechtskräftig in die Denkmalliste der Stadt aufgenommen worden. Wenn der Denkmalwert durch ein Gutachten des Landschaftsverbandes erst einmal festgestellt worden sei, könne eine Kommune sich dieser Expertise nicht einfach widersetzen. Vom schlechten Zustand eines Gebäudes bzw. einem fehlenden Nutzungskonzept dürfe der Status als Denkmal jedenfalls nicht abhängig gemacht werden, betont Mirjam Kötter: „Selbst wenn die bauliche Substanz weiter schwindet und die statischen Probleme zunehmen, bleiben ja die Ortsbezüge, die den Denkmalwert mitbegründen, erhalten.“
Und so dämmert die mit so vielen Erinnerungen verbundene Halle einem ungewissen Schicksal entgegen.