Hagen. ADFC Hagen misst Überholabstände: Viele Autofahrer halten sich nicht an die Vorgaben. Welche Strecken besonders negativ auffallen:
„Bei mindestens 70km/h mit weniger als einem Meter Seitenabstand von einem Auto überholt zu werden, fühlt sich schon sehr unangenehm an - abgesehen davon, dass es gefährlich ist“, sagt Katrin Heinrichs vom ADFC Hagen. „Teilweise sind die Überholabstände so gering, dass einem auf dem Fahrrad schon anders werden kann.“
Dass immer noch viel zu viele Autofahrer sich nicht an die Abstandsvorgaben halten, kann der Hagener Fahrradclub jetzt auch mit Messungen belegen, die mit einem sogenannten Openbikesensor durchgeführt wurden. „Der ADFC hat vor über zwei Jahren die Bauteile dafür angeschafft“, erklärt die Hagener Gruppe zu dem Gerät, das Abstände zu vorbeifahrenden Autos während der Fahrt messen kann.
Gleich mehrere Straßen in der Stadt sind bei den Messungen besonders negativ aufgefallen. „Mittlerweile haben wir genug Daten für einen Eindruck, auf welchen Straßen Radfahrende besonders eng überholt werden. Leider sind wir, auch wenn wir uns abwechseln, bisher noch nicht auf allen Straßen unterwegs gewesen“, berichtet die Alltagsradlerin, die sich in der Stadt hauptsächlich auf zwei Rädern fortbewegt. „Natürlich gibt es auch schon viele Autofahrer, die sich an die Vorgaben halten“, möchte die Hagenerin im gleichen Zug betonen, dass es nicht nur schwarze Schafe gibt.
„Mittlerweile haben wir genug Daten für einen Eindruck, auf welchen Straßen Radfahrende besonders eng überholt werden. “
Seit zwei Jahren im Einsatz
Seit gut zwei Jahren übernehmen verschiedene ADFC-Mitglieder den Sensor für einige Wochen und erfassen die Überholabstände auf ihren Alltagsstrecken. „Zur Erinnerung: Innerorts schreibt die Straßenverkehrsordnung 1,5 Meter Überholabstand vor, außerorts 2 Meter.“ Dabei zähle, so der ADFC, der Abstand des rechten Autoaußenspiegels zum linken Lenkerende. Das Gerät könne keine personenbezogenen Daten speichern. „Das bedauert man manchmal, denn wir messen gelegentlich sogar Überholabstände von einem halben Meter oder weniger - und das auch auf der L700 (Tempo 50, 1,5 Meter Überholabstand) oder B7 (Tempo 70 bis 100, 2 Meter Überholabstand)“.
Der Sensor speichere den geringsten gemessenen Abstand und die zugehörigen GPS-Daten. Die Daten werden im Anschluss auf einer Online-Karte vom Radentscheid Essen veröffentlicht. Aus Hagen wurden bereits mehr als 3510 Überholvorgänge dort dokumentiert. Auf der Online-Karte werden die Überholvorgänge „im grünen Bereich“, also vorschriftsmäßigem Abstand, grün angezeigt. Überholvorgänge, die den Mindestabstand extrem unterschreiten, werden rot angezeigt.
Hier wird oft zu eng überholt
Enneper Straße: „Ursache sind vermutlich zu schmale Schutzstreifen“, so die Einschätzung der Radfahrer. Viele Autofahrer schienen anzunehmen, dass der Mindestabstand nicht mehr gelte, sobald sich eine gestrichelte oder durchgezogenen weiße Linie zwischen Fahrrad und Auto befindet.
Teile der Altenhagener Straße: „Hier gibt es bedingt durch Verkehrsinseln, durchgezogene Linien und Gegenverkehr wenige Möglichkeiten zum Überholen mit vorgeschriebenem Abstand.“ Autofahrer müssten oft lange hinter einem Radfahrer bleiben, „manche haben dafür wohl leider nicht die Geduld“, so die Einschätzung vom ADFC.
Boeler Straße: Auch an der Boeler Straße sind die Fahrspuren relativ schmal, an beiden Seiten parken Autos. „Da werden Autofahrer anscheinend häufiger zu ungeduldig, um sich an die Straßenverkehrsordnung zu halten.“
Fleyer Straße: An der Straße halten Busse ohne entsprechende Einbuchtungen, „Autos überholen oft riskant, anstatt zu warten, kommt ein Rad in Sicht, wird das im ‚Flow‘ gleich mit überholt.“ Häufig erfolge auch ein verkehrswidriges Überholen kurz vor den Verkehrsinseln. Zusätzlich würden etliche Fahrzeuge von den schmalen Parkstreifen aus auf die Fahrbahn ragen und so die Situation verschärfen.
Eckeseyer Straße: Auf der Straße ist häufig recht viel Verkehr. „Einige Autofahrer scheinen nicht zu erkennen, dass ein nahezu kompletter Spurwechsel nötig ist, um mit ausreichend Abstand zu überholen.“
B7 (größtenteils außerorts): Vor den Ampeln würden viele Autofahrer noch „schnell überholen“, während eigentlich durch die Ampeln (und teilweise Gegenverkehr) nicht ausreichend Platz zum Überholen bliebe. Zwischen A45 und Hammacherstraße seien die Seitenstreifen mit Lkw zugeparkt, was das (sonst erlaubte) Fahren auf den Seitenstreifen mit dem Rad unmöglich mache. Viele Autofahrer würden nicht auf eine Lücke im Gegenverkehr warten und einfach überholen. Auch am Ortsausgang Hohenlimburg parken zahlreiche Pkw auf Seitenstreifen, „sodass man sich auch hier die Fahrbahn mit ungeduldigen Kfz-Lenkern teilen muss.“
Halteverbot auf Seitenstreifen
„Insgesamt denken wir, dass in allen Straßen, die eine überdurchschnittliche Gefahr des zu engen Überholens aufweisen, Tempo 30 zumindest die Gefahr schwerer Unfälle reduzieren könnte“, so die ADFC-Mitglieder aus Hagen. Leider könnten Kommunen immer noch nicht frei über derartige Tempolimits entscheiden. Außerorts könne ein Halteverbot auf den Seitenstreifen der B7 helfen, um die Straße gefahrlos befahrbar zu machen. In der Augustastraße, Hagens erster und bisher einziger Fahrradstraße, wurden noch keine Messungen durchgeführt, „weil unser Messfahrer bei seinen Fahrten dort nie überholt wurde (auch schön)“, so Heinrichs. Die Gruppe freue sich über weitere Meldungen zu potenziellen Gefahrenstellen und plant weitere Messungen in der Stadt: obs@adfc-hagen.de (Katrin Heinrichs).
„Dass das bei der existierenden Infrastruktur noch nicht alle wagen, können wir nachvollziehen.“
„Wir beobachten, dass immer mehr Leute in Hagen mit dem Rad unterwegs sind“, so Heinrichs. „Dass das bei der existierenden Infrastruktur noch nicht alle wagen, können wir nachvollziehen. Daher setzen wir uns auch für ein durchgängiges Radverkehrsnetz in Hagen ein.“ Umso mehr durchgängige Streckenabschnitte zur Verfügung stünden, desto geringer seien auch die Gefahren für Radfahrer.