Hagen. 2023 wurden 1807 Ladendiebstähle bei der Polizei erfasst. Doch die Dunkelziffer ist hoch. Ein Blick auf die Zahlen und Hintergründe.

Zwei 17-Jährige stehen an einer Selbstzahler-Kasse in einem Drogerie-Geschäft in der Innenstadt. Statt aber die Artikel zu scannen und zu bezahlen, verlassen sie den Laden mit vollen Taschen. Sie hatten die Rechnung ohne eine aufmerksame Mitarbeiterin gemacht, die die Polizei rief. Es stellte sich heraus, dass die beiden jungen Frauen Ware im Wert von rund 300 Euro entwenden wollten. Sie gaben an, das Diebesgut für einen bevorstehenden Urlaub mitgenommen zu haben. Beide erhielten eine Strafanzeige und jeweils ein Hausverbot für alle Filialen der Drogeriekette, teilt die Polizei Hagen mit.

Kein Einzelfall. Diebstähle sind für die Polizei quasi zum Tagesgeschäft geworden. Auch in Hagen nahm die Zahl der Fälle zuletzt zu - das geht aus der Kriminalstatistik der Polizei hervor. Demnach stieg die Anzahl der Ladendiebstahlsdelikte im vergangenen Jahr in Hagen deutlich an: 1807 vollendete Delikte - etwa 234 mehr als im Vorjahr - verzeichnete die Behörde. Ein Anstieg von rund 15 Prozent.

Schutz vor Diebstahl

„Im Einzelhandel haben wir zahlreiche Maßnahmen, um Diebstahl zu verhindern“, erklärt die Geschäftsführerin vom Handelsverband Nordrhein-Westfalen - Südwestfalen, der auch für Hagen zuständig zeichnet. „Es geht von technischen, mechanischen Maßnahmen (Kameras, elektronische Diebstahlsicherung etc.) bis hin zu digitalen Maßnahmen (digitale Etiketten, Tracking der Ware etc.) und insbesondere natürlich auch gut geschulte Mitarbeiter oder die Einrichtung eines Ladens ohne tote Winkel haben präventive Wirkung.“

Mit der zunehmenden Verbreitung und Nutzung der Selbstbedienungs-Kassen steige leider auch das Diebstahlrisiko. Viele Unternehmen arbeiteten daran, diese Gefahren zu minimieren - z. B. über Ausgangsschleusen, Gewichtskontrollen, Kameraüberwachung oder das Einblenden von Bondaten in Kamerabilder. Das eigene Scannen der Artikel werde als zusätzlicher Kundenservice verstanden, um vor allem Wartezeiten zu verkürzen oder lästiges Umpacken an der Kasse zu vermeiden. „Meines Wissens sind die Differenzen an den SB-Kassen jedoch nicht eklatant viel höher, sodass die aktuelle Entwicklung allein nicht hierauf zurückzuführen ist“, erklärt Anja Gröne-Nolte.

Hohe Dunkelziffer

66 versuchte Diebstähle konnten laut Polizei schon während der Tat vereitelt werden. „Bundesweit sind die angezeigten Ladendiebstähle 2023 im Vergleich zum Vorjahr um weitere 23,6 Prozent gestiegen. Das sind täglich rund 100.000 Ladendiebstähle“, teilt der Handelsverband Nordrhein-Westfalen mit. Zusätzlich geht der Verband davon aus, dass viele Diebstahlsdelikte gar nicht erst bei der Polizei angezeigt werden, weil gefasste Ladendiebe häufig ohne größere Konsequenzen davonkommen oder gar nicht erst erwischt werden. „Aktuelle Zahlen des EHI Retail Instituts unterstreichen nun die besorgniserregende hohe Dunkelziffer. Unentdeckt bleiben demnach 100.000 Ladendiebstähle pro Tag“, bekräftigt Anja Gröne-Nolte, Geschäftsführerin vom Handelsverband Nordrhein-Westfalen-Südwestfalen, auf Nachfrage der Redaktion.

In Hagen sei, so Gröne-Nolte weiter, sei kein besonderer Diebstahl-Trend bekannt. „Sicherlich variieren auch hier die Vorfälle je nach Region/Stadtgebiet. Liegt das Handelsgeschäft in einem Brennpunkt, steigen die Zahlen deutlich an. Dies gilt auch insbesondere bei den Mitarbeiterdiebstählen; die Zahlen gehen gerade unter die Decke und die Vorfälle sind jetzt schon so hoch wie im kompletten Jahr 2023.“ Lebensmittler würden auch in Hagen einen Diebstahlanstieg im Bereich E-Zigaretten und Alkohol verzeichnen. Die Produkte würden häufig von Minderjährigen entwendet, da diese für sie nicht legal an der Kasse erworben werden könnten.

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Wie die Polizei auf Anfrage der Redaktion bestätigt, seien zum überwiegenden Teil Lebensmittel- und Bekleidungshandel sowie Drogerie- und Baumärkte im Stadtgebiet von Diebstählen betroffen. Das deckt sich auch mit den Ergebnissen einer Studie des Handelsforschungsinstitut EHI, die auf Zahlen aus ganz Deutschland blickt.

Aufklärungsquote steigt auf 93 Prozent

Händler mit einem speziellen Publikum hingegen, wie hochpreisige Waren oder Reformhäuser, hätten weniger mit Diebstählen zu kämpfen. „Sie weisen ein spezielles Publikum auf, die an den Produkten und auch wahrscheinlich an der Weiterveräußerbarkeit kein Interesse haben. Händler, die ihr Geschäft an der Randlage von der Innenstadt haben, können den Anstieg der Kriminalität auch nicht festhalten“, so Gröne-Nolte, die auch für den Geschäftsbereich Hagen zuständig zeichnet.

Parallel zur Zahl der gemeldeten Diebstähle ist in Hagen auch die Aufklärungsquote so hoch wie nie. In Hagen konnten nach Angaben der Polizei 2023 etwas mehr als 93 Prozent der Delikte aufgeklärt werden. Zum Vergleich: im Vorjahr lag die Quote bei 91,93 Prozent. „Der zweithöchste gemessene Wert in den letzten sieben Jahren stammt aus dem Jahr 2020. Rund 92,66 Prozent der Ladendiebstähle konnten in dem Kalenderjahr aufgeklärt werden.“ Auffällig sei auch, dass sich die Zahl der Delikte im Vergleich zum Pandemiejahr 2021 fast verdoppelt habe.

„In Hagen kann sicherlich insgesamt von einem Anstieg der Ladendiebstähle gesprochen werden, eine besonders ausgeprägte Entwicklung in diesem Kreisgebiet im Vergleich zu anderen Regionen oder anderen Städten in Deutschland ist nicht feststellbar“, resümiert Anja Gröne-Nolte.