Fröndenberg. Das Thema Flüchtlinge elektrisiert in Strickherdicke – der Saal im Dorfgemeinschaftshaus ist voll, sogar vor der Tür gibt es Gedränge.

Während der Bürgerversammlung zu den geplanten Flüchtlingscontainern war nicht nur die Luft in dem völlig überfüllten Saal zum Schneiden, die Stimmung der Anwesenden zeigte sich ähnlich aufgeheizt.

Bürgermeisterin Sabina Müller war mit dem Beigeordneten und Kämmerer Heinz-Günther Freck, Fachbereichsleiter Matthias Weischer und Marco Richter, Hochbau und städtische Immobilien, vor Ort, um die Bürger über den Stand der Dinge aufzuklären. Die Rathauschefin stellte klar, dass eine vernünftige Lösung gefunden werden muss: „Ich habe keine Lust, die Menschen ohne Privatsphäre einfach irgendwo unterzubringen.“

„Ich habe keine Lust, die Menschen ohne Privatsphäre einfach irgendwo unterzubringen“

Sabina Müller
Bürgermeisterin

Sie versuchte, Spannung aus der Veranstaltung zunehmen: „Wir sollten uns bewusst sein, dass es um Menschen geht.“ Schon dieser Einwurf brachte einige Einwohner auf Hundert: „Um Menschen geht es? Wir sind auch Menschen.“ Schon dieser Konter zeigte, dass es an diesem Abend kein Zuckerschlecken wird für die Verwaltungsspitze. Auch die Hinweise, dass das ehemalige Feuerwehr-Gerätehaus als Dorfgemeinschaftshaus jetzt zur Verfügung steht, als Wahllokal genutzt wird, die Kleiderkammer für die Feuerwehr erhalten wird, ein Klettergerüst den Spielplatz aufwertet und aus dem Bürgerbudget 2000 Euro für die Grünanlagenpflege in den Ortsteil fließen, beruhigte die Gemüter kaum.

Die Informationspolitik war spärlich

Die Informationspolitik, bis es endlich zu diesem Treffen kam, war spärlich, wurde von vielen Anwesenden als missglückt bezeichnet, denn nur Kai Schiereck als Vorsitzender des Vereins „Wir-in-Strickherdicke e.V.“ und ein weiteres Mitglied wurden per Brief informiert. Der Eindruck entstehe, so die Meinung, dass die Einwohnerschaft über Dritte Auskünfte erhalten und die Betroffenen nicht beteiligt würden: „Dafür ist dieses Thema viel zu sensibel.“

Bürgerversammlung Strickherdicke
Nicht nur der Saal war bis zum Bersten gefüllt, in der Küche, der Grarge und vor der Tür drängelten sich die Strickherdickger Bürger. © WP Menden | Peter Benedickt

„Wir haben eine Fürsorgepflicht gegenüber Flüchtlingen, wollten Anschriften nicht breit streuen“, rechtfertigte sich Heinz-Günther Freck. „Aber nun stehen wir doch hier und beteiligen sie, was wir rechtlich gar nicht müssten.“ Schiebt aber noch nach: „Unser Weg ist nichts, was uns vorgeworfen werden kann.“

„Unser Weg ist nichts, was uns vorgeworfen werden kann“

Heinz-Günther Freck
Beigeordneter

Marco Richter erläuterte zur Diskussionsgrundlage die Planungen: „Zwei Wohneinheiten mit dem Maßen 6 x 9 Meter, 3 Meter Höhe.“ Jede Einheit hat drei Schlafzimmer, einen Gemeinschaftsraum und ein Bad, etwa 45 Quadratmeter. „Das ist nicht einmal eine Mietwohnung“, meinte Freck. Kosten rund 650.000 Euro, komplett finanziert durch Landes-Fördermittel.

Das Prinzip der Dezentralisierung wird beibehalten

Ein Schotterplateau wird errichtet, Anschlüsse an das bestehende Gebäude eingerichtet, eine Zuwegung erstellt: „Wenn alles planmäßig läuft, sind wir im Spätsommer fertig.“

„Hier ist nichts willkürlich ausgesucht, wir haben uns auf dem gesamten Stadtgebiet informiert, wollen das Prinzip der Dezentralisierung beibehalten. Die Umwelt möglichst wenig belastet, die Container für den Hausmeisterdienst einfach zu erreichen, sind weitere Kriterien“, erklärt der Beigeordnete.

„Um Menschen geht es? Wir sind auch Menschen“

Zurufe aus der Versammlung

Mit der getroffenen Entscheidung waren die Strickherdicker jedoch absolut nicht einverstanden: „Wir haben uns die Mühe gemacht, Alternativen abzufahren, uns erscheint Westick besser geeignet.“ Die Anbindung an Einkaufsmöglichkeiten scheint dort komfortabler: „Wie sollen die Leute von hier denn in die Innenstadt kommen?“ „Es macht keinen Sinn, die Standorte gegeneinander auszuspielen“, will der Beigeordnete vermitteln.

Bürgerversammlung Strickherdicke
Marco Richter (vorne) stellte die Planungen vor, der Beigeordnete Heinz-Günther Freck (dahinter) versuchte die Ausführungen zu erläutern und Fragen zu beantworten. © WP Menden | Peter Benedickt

Die Infrastruktur wird angeführt: „Wir sind Hochwasser-Gefährdungsstufe 3, jetzt pflastert ihr das Gelände weiter zu.“ „Das Abwassersystem ist alt, es gab einen Baustopp, für die zusätzlichen Menschen ist es wieder ausreichend?“ Die Unruhe stieg: „Eine Verschandelung, die Container passen nicht ins Ortsbild, ich bin hierhin gezogen, weil es schön ist, jetzt rechne ich mit einer Abwertung der Grundstücke.“ Auf das Argument, dass die Intervalle der Grünpflege erhöht werden, kam die erboste Antwort: „Klappt bisher nicht, auf einmal soll‘s klappen?“

Frage nach der Belegung brachte die Gemüter weiter zum Kochen

Die Frage nach der Belegung brachte die Gemüter weiter zum Kochen: „Wer soll überhaupt untergebracht werden? Die Männer aus der Zeltstadt in Selm, die aufgelöst wird?“ „Wir gehen von zwei Familien aus, wir können ja nur acht Personen aufnehmen“, kommt eine unbefriedigende Antwort. „Sie gehen davon aus? Das heißt, sie wissen es nicht. Da sind schnell Hochbetten hineingestellt und dann haben wir die Männer“, wird es deutlich lauter. „Die Zuteilung liegt in den Händen der Bezirksregierung, dort war bisher die Rede von Familien, damit dürfte es keine Probleme geben“, versuchte Freck, die Wogen zu glätten.

„Es macht keinen Sinn, die Standorte gegeneinander auszuspielen“

Heinz-Günther Freck
Beigeordneter

Das sah eine Besucherin anders: „Wir haben schon eine Flüchtlingsfamilie im Dorf, die Kinder sind den ganzen Tag unbeaufsichtigt auf dem Spielplatz, urinieren ins Gebüsch, wenn da nicht eingegriffen wird, verlieren wir sie. Und wenn da jetzt noch welche dazukommen?“ Bürgermeisterin Sabina Müller versprach, sich über die momentanen Zustände zu informieren.

Der Versuch der Verwaltungsspitze, die Bürger in Strickherdicke beim Projekt der Flüchtlingscontainer mitzunehmen, scheint keine Früchte zu tragen, wie die Zwischenrufe erahnen ließen: „Wir haben sie gewählt, damit sie uns vertreten, davon merken wir nichts.“