Schwelm. Michaela Graf hilft am Schwelmer Helios Klinikum Müttern bei Stillproblemen. Warum das nicht immer intuitiv klappt.

Die Geburt eines Kindes ist vor allem für die Mütter ein aufregendes Ereignis. Nicht nur die Hormone der jungen Mütter spielen verrückt, auch die Sorge um das Neugeborene beschäftigt die Frauen. Wie fasst man das Baby richtig an, warum weint es – und wie geht das eigentlich genau mit dem Stillen? Eigentlich ein von Natur aus einfacher Vorgang. Doch für viele Mütter ist das Stillen zu Beginn nicht so einfach. Hier hilft Michaela Graf weiter. Die 58-Jährige ist zertifizierte Still- und Laktationsberaterin (IBCLC) am Schwelmer Helios Klinikum.

„Am meisten höre ich von den Müttern: Ich habe keine Milch“, sagt Graf. Aber die Fachfrau kann beruhigen: „Diese Sorge ist meistens nicht berechtigt.“ Es ist ihre Aufgabe, den Müttern zu erklären, wie die Milchbildung funktioniert und wie man durch den Haut-zu-Haut-Kontakt mit dem Baby die Produktion der Milch anregen kann. „Ich mache mit den Frauen meistens eine Brustmassage und zeige ihnen so, dass sie Milch haben.“ Nach diesem ersten Erfolgserlebnis seien die Frauen erleichtert und könnten sich mehr fallen lassen.

Haut-zu-Haut-Kontakt ist essentiell

Wichtig sei es auch, den jungen Müttern die Gewinnung des Kolostrums zu zeigen, die sogenannte Erstmilch. „Ich erkläre, wie wichtig diese erste Milch für das Baby ist und wie man sie auffangen kann. Das sind wirklich nur Tröpfchen, die da gewonnen werden. Aber für die Kinder ist das völlig ausreichend“, sagt Michaela Graf. „Das Kolostrum ist das Red Bull für Babys. Da ist so viel Power drin.“ Es sei reich an Antikörpern und stärke das Immunsystem des Neugeborenen.

Graf versucht, möglichst unmittelbar nach einer Geburt für die Mütter da sein. Das gilt auch für Kaiserschnitt-Geburten. „Da bringe ich die Kinder, noch während die Mütter auf dem OP-Tisch liegen, für den Haut-zu-Haut-Kontakt zu den Müttern. Da hatte ich auch schon Erfolgserlebnisse, dass die Kinder tatsächlich noch im OP an der Brust gesaugt haben.“

Hormone Prolaktin und Oxytocin regen Milchfluss an

Das Problem, dass es nach einer Kaiserschnitt-Geburt mit der Milchbildung nicht so gut klappe, kennt Michaela Graf. „Die Mütter kommen verzögert in die Milchbildung, auch durch die Medikamente und Infusionen, die man während des Kaiserschnitts bekommt. Aber da heißt es: Dran bleiben.“ Eine große Hilfe sei es hierbei, die Kinder ganz schnell in den Haut-zu-Haut-Kontakt zu bringen und eine Brustmassage zu beginnen.

Der Hautkontakt zwischen Mutter und Kind sei deshalb so wichtig, weil die Nähe zur Mama das Baby zum einen beruhige, seine Instinkte anrege und die Bindung fördere. „Zum anderen kommen durch den Kontakt die Hormone der Mutter in Wallung.“ Die Hormone Prolaktin und Oxytocin regen den Milchfluss und die -bildung an. „Gleichzeitig schüttet die Mutter durch den engen Kontakt zum Baby Glückshormone aus. Das ist für ihr Wohlbefinden wichtig. Sie ist relaxt und happy.“

„Ich dachte, das Stillen klappt ganz intuitiv.“

Yeni Lambeck bekam im Helios ihren Sohn

Das kann auch Yeni Lambeck bestätigen. Die 33-Jährige bekam ihren Sohn Oskar im Helios Klinikum in Schwelm. Beim Stillen spürt sie eine tiefe Verbundenheit zu ihrem Kind: „Diese intimen Momente sind einfach schön.“ Doch wie viele Frauen hatte auch Yeni Lambeck die große Sorge, nicht genügend Milch für Oskar produzieren zu können. „Vor der Geburt dachte ich, das Stillen klappt ganz intuitiv.“ Über die Unterstützung von Michaela Graf war die junge Mutter dankbar.

Mütter sind überinformiert

Laut der 58-Jährigen stehen sich die jungen Mütter oftmals selbst im Weg. „Mir ist aufgefallen, dass die Frauen überinformiert sind.“ Nach dem Motto: Die eigene Mutter gab diesen Tipp, die Freundin riet hierzu und im Ratgeber stand wieder etwas anderes. „Im Endeffekt sind die Mütter hier und wissen gar nichts mehr.“ Und wenn das Stillen nicht auf Anhieb funktioniere, setze bei den Frauen eine Blockade ein: „Ich reiche nicht, ich schaffe das nicht“, beschreibt Michaela Graf die Gedanken der Mütter.

Dabei kann der Weg zum Stillen tatsächlich ganz intuitiv funktionieren – nämlich dann, wenn sich das Baby sozusagen selbst auf den Weg zur Brust mache. Michaela Graf beschreibt den Prozess des „Breast Crawl“, bei dem das Baby seinem Ur-Instinkt folgt. „Das passiert in der ersten Stunde nach der Geburt, wenn man das Baby in den Haut-zu-Haut-Kontakt legt. Dabei legt man das Kind mittig auf die Brust und lässt es einfach mal Kind sein“, erklärt Graf. Dann könne man beobachten, wie die Instinkte des Kindes geweckt würden. „Der Kopf des Babys geht hin und her, es riecht die Brustwarze und kann die Brustwarze auch sehen, weil es Kontraste unterscheiden kann.“

Still- und Laktationsberaterin Michaela Graf (links), Hannah Kothe, Bereichsleitung Gynäkologie, Geburtshilfe, Pädiatrie, Geriatrie, Mutter Yeni Lambeck (Mitte) und Dr. Stefan Nilles, Leitender Oberarzt der Klinik für Geburtshilfe am Helios.
Still- und Laktationsberaterin Michaela Graf (links), Hannah Kothe, Bereichsleitung Gynäkologie, Geburtshilfe, Pädiatrie, Geriatrie, Mutter Yeni Lambeck (Mitte) und Dr. Stefan Nilles, Leitender Oberarzt der Klinik für Geburtshilfe am Helios. © Helios Klinikum Schwelm | Helios Klinikum Schwelm

Das alles bringe das Baby selbst dazu, sich in Richtung der Brustwarze zu bewegen. „Sie werden richtig aktiv und fangen an, zu robben“, erklärt Michaela Graf. „Wenn man das beobachtet, ist das fantastisch. Immer wieder spannend.“ Wenn die Kinder dann „andocken“ würden, sei ihr Trinkverhalten immer richtig. „Dann haben sie immer genügend Brustgewebe im Mund – das hat die Natur so vorgesehen.“

Wenn das Kind beim Trinken genügend Brustgewebe im Mund habe, sei das Stillen für die Mütter auch nicht schmerzhaft. „Die Brustwarzen dürfen nicht schmerzen. Wenn sie das tun, ist das häufig ein Anlagefehler.“ Mache das Baby beim Trinken zum Beispiel einen Kussmund, kaue es auf der Brustwarze herum. Und so komme es zu entzündeten Stellen.

Regelmäßiges Still-Café ab 9. Januar 2025

„Ich würde mir wünschen, dass die Mütter wieder mehr auf ihren Bauch und ihre Instinkte hören würden. Man wird im Vorfeld einer Geburt mit Informationen überflutet, das ist zu viel“, sagt Michaela Graf. Derzeit ist sie auf der Station der Geburtshilfe im Helios die einzige Still- und Laktationsberaterin. Da sie auch in den Stationsalltag eingebunden ist, würde sie sich eine Freistellung nur für die Beratung der Mütter wünschen.

Auch eine Still-Ambulanz, zu der Mütter von außen kommen könnten, kann sich die 58-Jährige vorstellen, um die Frauen in ihrem individuellen Still-Prozess weiter zu begleiten. Ab Januar 2025 lädt das Helios Klinikum wieder zu regelmäßig stattfindenden Still-Cafés ins Forum des Krankenhauses ein. Der erste Termin ist der 9. Januar, danach findet das Still-Café im 14-tägigen-Rhythmus statt.

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