Schwelm. Wenn fremde Namen auf Klingelschildern auftauchen, könnten Betrüger am Werk sein. Die Polizei ruft Anwohner zu Wachsamkeit auf.
Dass Kriminelle die in Hausfluren abgestellten Pakete stehlen oder im Internet Ware bestellen und nicht bezahlen, das hat man alles schon gehört und gelesen. In Schwelm ist nun ein Fall aktenkundig geworden, wie Betrüger die Schwächen des Online-Versandes außerdem für ihre kriminellen Machenschaften ausnutzen. Was es dafür braucht: nur ein kleines Klingelschild.
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Diese Masche, die der Polizei im Ennepe-Ruhr-Kreis bisher auch noch nicht geläufig war, ist so simpel, dass es der Behörde ein besonderes Anliegen ist, diesen Fall in Schwelm auf jeden Fall öffentlich zu machen. Die Bürgerinnen und Bürger sollen genau informiert sein, wie es funktioniert, so Polizeisprecher Christoph Neuhaus. Man gehe davon aus, dass dieses Vorgehen, gerade weil es so einfach erscheint, kein Einzelfall ist. Vielmehr sei zu befürchten, dass es viele weitere dieser Fälle gab, und der beste Schutz davor, auch dies zeigt der Fall in Schwelm deutlich auf, ist Aufklärung und die Aufmerksamkeit der Bürger.
Wie der Trick funktioniert? Die Betrüger suchen sich ein leeres Klingelschild, bekleben es mit einem Namen und lassen sich die Pakete mit der auf Rechnung und unter falschem Namen bestellen Ware einfach dorthin schicken. Warum so ein simples Vorgehen tatsächlich funktioniert? Dies zeigt der Fall in Schwelm.
Diese Geschichte beginnt mit ihrem Ende. Dass am vergangenen Montagvormittag in Schwelm die Handschellen zuschnappen, ist allein der Aufmerksamkeit von Nachbarn zu verdanken, denen etwas komisch vorkam. Deswegen hielten sie die Augen auf und rechneten ein und eins zusammen.
Alles fing damit an, dass sie an dem Mehrfamilienhaus mehrmals diesen jungen Mann wahrnahmen, der immer mit einem Pkw mit Herner Kennzeichen vorfuhr. Öfter wurde er dabei auch beobachtet, wie er von einem Paketzusteller Pakete annahm und kurz danach mit seinem Auto wieder wegfuhr. Seltsam, dachten sich die Nachbarn. Wer nimmt denn ein Paket an und fährt damit mit seinem Wagen weg, wenn er es doch ruckzuck in der Wohnung abstellen kann?
Hatte das womöglich etwas damit zu tun, was den Nachbarn am großen Klingelbrett des Mehrfamilienhauses aufgefallen war? Denn dort war das leere Klingelfeld einer unbewohnten Wohnung seit einiger Zeit mit einem Namen überklebt, den niemand kannte. Im Haus hatte auch niemand mitbekommen, dass irgendjemand Neues dort eingezogen war. Den Nachbarn dämmerte, dass da was nicht mit rechten Dingen zugeht. Jetzt passten sie genau auf.
Im Kofferraum noch mehrere Pakete
Am Montagvormittag war es so weit. Als der junge Mann gegen 10 Uhr mal wieder ein Päckchen in Empfang nahm, riefen Zeugen die Polizei. Alles ging ganz schnell. Die Streife traf den Mann noch vor Ort an und nahm ihn fest. Die Überprüfung ergab, dass es sich um einen 18 Jahre alten Wuppertaler, der nicht an der Schwelmer Wohnanschrift gemeldet ist, handelt. Im Kofferraum seines Fahrzeuges fanden die Polizisten noch andere Pakete.
Es stellte sich heraus, dass der junge Mann die Pakete in Schwelm nicht nur direkt vom Zusteller in Empfang genommen hatte, sondern sie auch schon mal von einem Nachbarn abholte, wenn der Zusteller ihn nicht angetroffen und eine Notiz im Briefkasten hinterlassen hatte, bei wem er das Päckchen abgegeben hat. An Dreistigkeit schien es dem 18-Jährigen offensichtlich nicht zu fehlen.
Zusteller unter enormen Zeitdruck
Er machte sich zunutze, dass Paketzusteller unter enormen Zeitdruck arbeiten, viele Zustellungs-Apps der Paketdienste mitunter minutengenau mitteilen, wann die Lieferung an der Haustür ankommt und dass in vielen Mehrfamilienhäusern Anonymität herrscht. Ein leeres Klingelfeld auf dem Klingelbrett reicht dann schon aus, und die Masche funktioniert.
„Das ist so einfach, und wenn man überlegt, dass Betrüger dies nicht nur an einer, sondern womöglich an drei, vier oder mehr Adressen machen, kann man sich vorstellen, um welche Summen es schnell geht“, sagt Polizeisprecher Christoph Neuhaus. Was in den Paketen war, die bei dem Festgenommen gefunden wurden, und um welchen Wert es sich handelt, ist Gegenstand der laufenden Ermittlungen, weswegen es dazu noch keine Aussagen gibt. Auch nicht dazu, wie lange der junge Mann diese Masche in Schwelm schon durchzog.
Die Polizei hofft, mit der Veröffentlichung dieses Falles möglichst viele Menschen zu erreichen, um sie für das Vorgehen der Täter zu sensibilisieren. Denn nur eines hat den jungen Mann aus Wuppertal am Ende zur Strecke gebracht: das Handeln aufmerksamer Nachbarn. Die Polizei bittet daher auch alle Bürgerinnen und Bürger: „Sollten sie an ihrem Klingelschild zusätzliche Namen feststellen, die augenscheinlich nicht im Haus wohnen, dann melden sie dies umgehend der Polizei. Melden Sie in diesem Zusammenhang auch verdächtige Personen oder Fahrzeuge.“.