Schwelm. Kreis und Landrat attackieren, ohne dies mit den Stadträten abzusprechen? Redaktionsleiter Stefan Scherer über das Verhalten der Rathaus-Chefs.

Was spielen denn die Bürgermeisterinnen und Bürgermeister aus dem Ennepe-Ruhr-Kreis da ein Jahr vor der Kommunalwahl für ein komisches Spiel, mit dem sie versuchen, den Politikern des Kreistags und Landrat Olaf Schade die Pistole auf die Brust zu setzen? Natürlich ist es ihre Pflicht und nur gut und richtig, dass sie sich Gedanken um die Finanzierbarkeit derartiger Großprojekte machen, zumal die Kreisverwaltung mit den Sanierungen ihrer Schulen und dem Bau des Gefahrenabwehrzentrums ihnen bereits zweimal im dreistelligen Millionen-Bereich in die Tasche greift. Doch mehrere Dinge im Verhalten der Verwaltungsoberhäupter zeugen von wenig Anstand, was Form und Inhalt des Schreibens anbelangt, das aus dem Gevelsberger Rathaus entsandt wurde.

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Zuvorderst betrifft dies ihr Demokratieverständnis. Nicht in einem Wort erwähnen sie ihre Räte. Haben sie etwa ihre neun Stadtwappen auf ein gemeinsames Schreiben an die übergeordnete Behörde und deren politische Mandatsträger geklebt, das eine rein politische Entscheidung aus dem Kreistag betrifft, ohne dies mit ihren eigenen Entscheidungsträgern vor Ort abzuklären? Stehen die Stadträte überhaupt hinter diesem Vorgehen? Zur Erinnerung, weil dies in manchen Kommunen zunehmend aus dem Fokus gerät: Die Bürgermeister und ihre Verwaltungen - das ist der Kern einer Demokratie - haben zu tun, was die Stadträte beschließen, und nicht umgekehrt.

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Ein solches Schreiben ohne politische Mandate auf die Reise zu schicken, wäre eigentlich überflüssig. Denn es hätte keinerlei Bedeutung, wenn diejenigen, die in einer Stadt tatsächlich die Entscheidungen treffen, möglicherweise noch nicht einmal davon wissen, dass in ihrem Zuständigkeitsbereich Handlungsbedarf besteht. Die Politiker entscheiden übrigens in der Theorie auch in letzter Konsequenz über die Kommunalhaushalte, die den Bürgermeisterinnen und Bürgermeistern so große Sorgen bereiten.

Kaum die richtigen Ratgeber in Finanzsachen

Mal vorausgesetzt, die Chefinnen und Chefs aus den Rathäusern wissen ganz genau, wie weit sie mit diesem Vorgehen das Demokratieprinzip des Rechtsstaats dehnen - was wollen sie damit bezwecken? Für eine Nachhilfestunde in gewissenhafter Haushaltsführung oder als Ratgeber für große Bauprojekte scheinen sie kaum die Richtigen zu sein. Hattingen und Witten sind überschuldet, die anderen Städte laufen - mit Ausnahme von Breckerfeld - genau darauf zu.

In Schwelm laufen Stephan Langhard sämtliche Bauprojekte kosten- und zeitmäßig völlig aus dem Ruder, oder werden, wie bei der Gustav-Heinemann-Schule und dem Schwimmbad, gar nicht erst weitergeplant. In Gevelsberg sitzt Claus Jacobi in einem völlig veralteten Rathaus, das energetisch eine Katastrophe ist, dazu gammelt die Millionen-Investition Rupprechthaus genauso weiter vor sich hin, wie die alte Feuerwache. Imke Heymann kommt mit dem Abriss des Hauses Ennepetal und der Innenstadtentwicklung keinen Millimeter voran, plant aber ein Veranstaltungszentrum, das offensichtlich für viele Veranstaltungen schon vor der Inbetriebnahme ungeeignet erscheint.

Auch wenn die finanzielle Belastung von außen für die Städte hoch ist wie nie zuvor, ist es doch billigste Wahlkampftaktik, neben Bund und Ländern nun auch massiv dem EN-Kreis den schwarzen Peter zuzuschieben, um sich selbst aus der Kritik und der Verantwortung zu nehmen. Ich bin sehr gespannt, wann das Gutachten der Städte zu welchem Preis mit welchem Ergebnis vorliegt und ob es überhaupt erstellt wird. Dass die Kommunen so etwas besser können als die Kreisverwaltung - siehe oben - haben sie bislang nämlich nicht unter Beweis gestellt.