Ennepe-Ruhr. Zoff in EN: Das Verhalten der Stadtoberhäupter stößt auf herbe Kritik im Kreistag. Auslöser ist die Millionen teure Sanierung des Kreishauses.

Eiszeit ist noch eine vergleichsweise harmlose Formulierung für die aktuelle Stimmungslage, die zwischen den Bürgermeisterinnen und Bürgermeistern aus den neun Städten des Ennepe-Ruhr-Kreises auf der einen Seite sowie Landrat Olaf Schade, seiner Chefetage im Kreishaus und sämtlichen Fraktionen im Kreistag auf der anderen Seite herrscht. Aktueller Streitpunkt ist die Sanierung des Kreishauses, die mindestens 141 Millionen Euro kosten soll. Doch das Thema geht weit über dieses Projekt hinaus und der nächste Eskalationstermin steht bereits fest.

Das ist bisher geschehen: Kern des Problems ist, dass seit 50 Jahren so gut wie nichts geschehen ist, um das Kreishaus zu modernisieren, zu sanieren und auf zeitgemäße Arbeitsumgebungen auszulegen. Das klare Ergebnis des letzten Gutachtens lautet: Ende des Jahres 2027 darf dieses Haus nicht mehr genutzt werden. Gleich drei Stellen könnten dann tätig werden und eine weitere Nutzung untersagen: die Bauordnung der Stadt Schwelm wegen zahlreicher sicherheitsrelevanter Mängel im baulichen Bereich, der Gutachter für die Elektrik, weil diese erhebliche Gefahrenquellen darstellt oder auch ein Schadstoffgutachter, weil hier neben anderen Giftstoffen vor allem Asbest- und PCB-Belastungen bestehen. Das Trinkwasser-System ist derart in Mitleidenschaft gezogen, dass das Wasser aus den Zapfstellen nicht mehr getrunken werden darf.

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Knackpunkt an der Sache ist der Preis: Allein die Kosten für die Parkdeck-Sanierung sollen sich laut des aktuellen Gutachtens auf mehr als 30 Millionen Euro belaufen. Grund: Es stützt den gesamten darüber liegenden Hang, auf dem sich ein großes Wohngebiet verteilt. Mehr als 141 Millionen Euro stehen damit für die Gesamtmaßnahme im Raum. Die Städte jaulten lautstark auf, weil sie finanziell ohnehin schon auf der letzten Rille laufen und die Umlage, die sie an Kreiskämmerin Andrea Stöhr überweisen müssen, entsprechend um weitere sechs- bis achtstellige Euro-Beträge steigen würde. Landrat Olaf Schade gab das oben angeführte Gutachten in Auftrag inklusive der Prüfung, ob sich die Sanierung fünf bis zehn Jahre in die Zukunft schieben lässt, um den Städten bis dahin etwas Luft zum Atmen zu verschaffen.

Kreishaus Schwelm
Diverse Schäden, Asbest und PCB belasten das Kreishaus. © WP | Stefan Scherer

Sicherheit der Mitarbeiter in Gefahr

Weil laut Gutachten allerdings 56 Prozent der Mängel am Kreishaus sicherheitsrelevant sind und 26 Prozent wesentlich, wie der stellvertretende Fraktionssprecher der Grünen, Marcel Gießwein, in der vergangenen Kreistagssitzung anmerkte, führt an diesen Arbeiten kein Weg vorbei, auch abseits einer Kernsanierung des Kreishauses. Der Sachverständige rechnet aus, dass die Gesamtkosten für die Sanierung damit bei mehr als 270 Millionen Euro lägen. Eine Summe, die aus Sicht von Olaf Schade und seinem Haus deutlich zu hoch ist und das Finanzierungsproblem eher verschärft als verbessert. Er legte dem Kreistag zwei Beschlussvorschläge vor. Entweder die kostengünstigste Variante mit sofortigem Start oder die Aufschubvariante mit fast doppelt so hohen Gesamtkosten.

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Das wiederum wollten die Bürgermeisterinnen und Bürgermeister beides nicht. Vertreter aller neun Städte trafen sich im Gevelsberger Rathaus zum Fototermin und setzten ein Schreiben auf, in dem sie vom Landrat und den Kreistagsmitgliedern nicht weniger fordern, als in den Planungen zur Kreishaussanierung mitentscheiden zu können, bis auch sie sich konsensual den Plänen der Kreisverwaltung anschließen könnten.

Das wiederum sorgte für Fassungslosigkeit und Wut beim Landrat und den Kreistagspolitikern. Während Olaf Schade und sein Team einen neuen Beschlussvorschlag ausarbeiteten, herrschte am Rednerpult über sämtliche Fraktionen Empörung über das Vorgehen der Verwaltungs-Chefinnen und -Chefs aus den neun EN-Rathäusern. „Das ist nicht Aufgabe der Bürgermeister, sondern unsere Entscheidung“, machte SPD-Fraktionsvorsitzender Daniel Pilz unmissverständlich klar und sein CDU-Pendant Ulrich Oberste-Padtberg betonte, dass nicht nur eine Verantwortung für die Vermögenswerte der Kommunen, sondern auch für die 600 Mitarbeiter im Schwelmer Kreishaus bestünde sowie dafür, den Bürgern eine leistungsfähige Verwaltung zu stellen.

Stadträte nicht informiert

Am deutlichsten wurde Marcel Gießwein, der den Ball von Oberste-Padtberg direkt aufnahm: „Der Kreistag muss sich fragen lassen, wie sein Umgang mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern aussieht. Wir haben die Verantwortung, dass diese Verwaltung funktioniert. Die vorherigen Kreistage haben schon viel zu lange mit der Sanierung gewartet, auch um die Städte zu schonen.“

FDP-Fraktionsvorsitzender Michael Schwunk setzte die Breitseite gegen die Bürgermeisterinnen und Bürgermeister fort: „Wer solche Briefe unterschreibt, muss das auch in seinen eigenen Haushalten abbilden. Ich wäre froh, wenn alle Städte solch ein Haushaltssicherungskonzept vorgelegt hätten wie der Kreis. Und: Mir geht es gegen den Strich, dass die Hauptverwaltungsbeamten ohne Rücksprache mit den Räten solche Entscheidungen treffen.“ Denn: Ihre Stadträte - quasi ihre Vorgesetzten in politischen Fragen - hatten die Bürgermeisterinnen und Bürgermeister in öffentlicher Sitzung nicht um ein Mandat für ihr Interventionsschreiben gebeten. Matthias Renkel (AfD), Eleonore Lubitz (Linke) und Gerd Peters (Unabhängige Wähler) unterstützen ihre Vorredner in allen maßgeblichen Punkten.

Als Reaktion nimmt der Kreistag die Kritiker nun in die Pflicht und fasste zu dem Punkt folgenden Beschluss: „Der Kreistag fordert den Landrat auf, umgehend mit den Städten gemeinsam eine Planung für eine Bestandssanierung des Kreishauses nach dem Maßstab der Umsetzung rechtlich unabdingbar notwendiger, kostenmäßig deutlich unterhalb des Betrages der jetzt von der Kreisverwaltung favorisierten Sanierungslösung bleibender und investiv buchbarer Sanierungs- und Bestandssicherungsmaßnahmen zu initiieren. Dazu bittet der Landrat die Städte, einen eigenen Gutachter vorzuschlagen, der diesen Prozess begleitet oder durchführt. Alle Erkenntnisse und Ergebnisse der bisherigen Planungen werden diesem Gutachter zur Verfügung gestellt, damit der Planungsprozess auf dieser Grundlage wirtschaftlich und zügig, also innerhalb eines halben Jahres, abgeschlossen wird. In der Dezembersitzung des Kreistages wird der Landrat über den Fortschritt des Planungsprozesses berichten.“ Heißt: Jetzt können die Ratshausspitzen zeigen, dass sie es besser können. Heißt aber auch: Sie haben den dringend notwendigen Prozess der Kreishaussanierung zunächst für ein weiteres halbes Jahr blockiert.

Die Fachkommission zu dem Thema mit führenden Verantwortlichen der Kreisverwaltung, der Kreispolitik sowie der Stadtverwaltungen tagt zu ersten Mal am 5. November. Doch zum nächsten Showdown zwischen den Rathäusern und dem Kreishaus wird es wohl schon vorher kommen, nämlich am 28. Oktober. Dann muss Benehmen über den Kreishaushalt im Kreistag mit den Städten hergestellt werden. Auch hierzu haben alle Bürgermeisterinnen und Bürgermeister einen gemeinsamen Brief geschrieben. Der endet nach zweieinhalb Seiten mit dem Satz: „Insofern sehen wir uns außerstande, das Benehmen zum Kreisumlagesatz herzustellen.“