Schwelm. Brandschutz, Asbest, PCB, Elektrik, Trinkwasser, Statik - laut Gutachten droht Gefährdung für Leib und Leben, wenn nicht schnell gehandelt wird.
Das Gutachten zum Zustand des Schwelmer Kreishauses lässt aus Sicht der Verwaltung nicht viel Spielraum: „Die Sanierung ist notwendig, um das Gebäude sicher und ohne Gefährdungen für Leib und Leben weiter betreiben zu können.“ So beginnt das ausführliche Schriftstück für die Kreispolitik, mit dem Olaf Schade deutlich macht, dass die Sanierung des Kreishauses weder Aufschub duldet, noch dass diese aus finanzieller Sicht sinnvoll ist.
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Eine Entscheidung, die vor allem in den Kämmereien und Bürgermeister-Büros der neun EN-Städte für mächtig Unmut sorgen wird. Denn: Die Stadtoberhäupter hatten dem Landrat vor einigen Monaten in der Runde der Hauptverwaltungsbeamten deutlich gemacht, dass sie nicht im Geringsten gewillt sind, ein weiteres Kreisprojekt mit einem Finanzvolumen deutlich jenseits der 100 Millionen Euro zu finanzieren. Hintergrund: Der Ennepe-Ruhr-Kreis finanziert sich vorwiegend über die Kreisumlage, also das Geld, das die Städte in die Kreiskasse überweisen müssen. Wie viel das ist, entscheidet die Kreisverwaltung anhand ihres eigenen Finanzierungsbedarfs.
Vor allem die Herdecker Bürgermeisterin Katja Strauss-Köster und ihr Gevelsberger Pendant Claus Jacobi hatten deutliche Worte gefunden, als sie klargemacht haben, wie sehr den Städten das Wasser finanziell ohnehin schon bis zum Hals steht. Eine weitere Belastung - und dann auch noch in Millionen-Höhe - sei nicht tragbar.
Landrat Schade und sein zuständiger Fachbereichsleiter für Bauprojekte, Christian Kappenhagen, reagierten. Sie stellten einen Aufschub des Baubeginns, der für das Jahr 2027 angedacht war, um fünf bis zehn Jahre zu Diskussion und ließen eben diese Variante gutachterlich prüfen. Ziel: Die Städte sollen zumindest eine knappe Dekade nicht zusätzlich belastet werden.
Nun liegt das Gutachten vor und spricht eine deutliche Sprache: Die mit Abstand kostengünstigste Variante ist diejenige, so schnell wie möglich zu beginnen. Und: Die baulichen Mängel sowie der Gesundheitsschutz der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Kreishaus erfordern im Prinzip ein sofortiges Handeln.
Das Gebäude ist dermaßen marode, dass es durch die Decke tropft, die Trinkwasserqualität birgt Gesundheitsrisiken, es sind tonnenweise Asbest verbaut, durch die Dichtungen besteht in Teilen der Bausubstanz eine PCB-Belastung, die beobachtet werden muss. Die Elektrik birgt ebenso Gefahren, wie die Bausubstanz des Parkhauses. Hochstehende Fliesen sind Stolperkanten, aktuelle Brandschutzanforderungen sind in den Büros und auf den Fluren nicht mehr erfüllt. Die meisten dieser Dinge müssen - unabhängig von einer Grundsanierung - ohnehin angegangen werden, allein schon damit der Ennepe-Ruhr-Kreis keine Arbeitsschutzgesetze oder Verkehrssicherungspflichten verletzt.
Sollte der Aufschub von fünf bis zehn Jahren gewährt werden; allein die unausweichliche Flickschusterei für die oben beschriebenen Maßnahmen würde 57 Millionen Euro konsumptiven Geldes verschlingen. Zusätzlich würden für eine anschließende Sanierung unter Berücksichtigung der weiter steigenden Baukosten noch einmal 216 Millionen Euro investiv fällig werden. Heißt: Das Modell, um die Städte zu entlasten, würde laut dieser Berechnungen den Steuerzahler mit 273 Millionen Euro belasten. Zur Einordnung: Die Arena auf Schalke kostete 191 Millionen Euro, die Elbphilharmonie 866 Millionen Euro.
Die von der Verwaltung präferierte Variante schlüge mit 141 Millionen rein investiver Kosten zu Buche. Das sind zwei Millionen Euro weniger als die bisherige Sanierungsvariante, weil anstatt acht nur noch sechs Arbeitsplätze pro zehn Mitarbeiter geplant werden. So können acht Standorte der Verwaltung außerhalb des Kreishauses aufgegeben werde, was 1,1 Millionen Euro Miete pro Jahr sparen soll.
„Wir schlagen der Kreispolitik vor, sich für das sofortige Sanieren des Kreishauses auszusprechen. Es war gut und sinnvoll, auch den reinen Betriebserhalt noch zu prüfen und zu bewerten. Die damit verbundenen Hoffnungen auf ein Weniger an Belastungen für die Städte haben sich aber nicht erfüllt. Ganz im Gegenteil. Wir würden ihr Geld quasi zum Fenster herauswerfen“, macht Landrat Olaf Schade deutlich.
Um die Belastungen für die Städte so gering wie möglich zu halten und die Wirtschaftlichkeit der Sanierung zu erhöhen, hat die Kreisverwaltung diesen Plan im Vergleich zur Ursprungsvariante noch in zwei Punkten verändert.
Die Investition von 141 Millionen Euro findet über Abschreibungen und Zinsaufwendungen den Weg in Kreishaushalt und Hebesatz. Die Abschreibungen von 2,37 Millionen Euro wären dabei erstmals 2031 – geplanter Zeitpunkt der Fertigstellung der Sanierung – zu berücksichtigen. Die Zinsaufwendungen fließen hingegen sofort ein und müssen von den Kommunen gestemmt werden. Sie steigen parallel zu notwendigen Kreditaufnahmen bis 2030 jährlich an. Ausgangspunkt sind 220.000 Euro im laufenden Jahr. 2026 wird mit 650.000 Euro kalkuliert, 2029 mit 3,57 Millionen und 2030 mit 4,92 Millionen Euro. Ab dann lässt die dann einsetzende Tilgung die Zinsaufwendungen wieder sinken.
Entscheidung erfolgt Ende September
„Mit der Sanierungsinvestition muten wir den Städten einiges zu. Gleichzeitig benötigen wir als Kreis aber ein Verwaltungsgebäude, das den gesetzlichen Vorgaben entspricht und zukunftsfähig ist. Wir sind überzeugt, jetzt einen Weg gefunden zu haben, den wir alle – Kreisverwaltung, Kreispolitik und Städte – gemeinsam gehen könnten und sollten“, so der Landrat.
Er blickt gespannt auf den 30. September und wie die Politik dann im Kreistag entscheiden wird. Noch steht in der Vorlage der Verwaltung auch der alternative Beschlussvorschlag, die Maßnahme in die Zukunft zu schieben. Zumindest für die Kreisverwaltung steht fest, dass dies keine gute Option ist. Es bleibt mit dem Blick auf die Politik allerdings abzuwarten, wie die Kreistagsmitglieder entscheiden, die in vielen Fällen auch ein paralleles Mandat in den jeweiligen Stadträten haben.
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