Gevelsberg. Überforderung, Bindungsprobleme, finanzielle Sorgen: Warum immer mehr Familien nach der Geburt ihres Kindes Unterstützung brauchen.
Wenn ein Kind auf die Welt kommt, ist das eine ganz besondere Zeit für die ganze Familie. Nicht immer nur eine besonders schöne, sondern oft auch eine besonders herausfordernde Zeit. Vor allem das erste Lebensjahr ihrer Kinder kann den Eltern einiges abverlangen. Daher liegt beim neuen Lotsendienst für Babys des Fachdienstes Frühe Hilfen der Stadt Gevelsberg auch der Fokus genau auf diese Zeit. Das Angebot soll junge Eltern durch die Hilfs-, Informations- und Unterstützungslandschaft in Gevelsberg und Umgebung navigieren.
Das bietet der neue Lotsendienst für Babys
Bindungsprobleme, Überforderung, Schrei- oder Schlafprobleme des Babys, Rollenfindung als Eltern, Probleme mit Geschwisterkindern, finanzielle Sorgen, Fragen rund um Kinderbetreuung oder auch Wiedereinstieg in den Beruf: Die Liste an Themen, mit denen sich junge Eltern nach der Geburt konfrontiert sehen können, scheint endlos. „Viele Probleme fallen erst im Verlauf des ersten Jahres auf“, erklärt Ursula Wagner, Fachärztin für Kinder- und Jugendmedizin. Sie kooperiert mit der Stadt Gevelsberg bei dem neuen Projekt und stellt einen Raum in ihrer Praxis an der Mittelstraße für die Beratungen des Lotsendienstes zur Verfügung.
„Das erste Lebensjahr ist unglaublich wichtig für die Kinder.“
„Das erste Lebensjahr ist unglaublich wichtig für die Kinder, vor allem für die Bindung“, sagt Ursula Wagner. Sie nehme eine Zunahme an psychosozialen Problemen bei Familien wahr, die zu ihr in die Praxis kommen. Besonders da, wo ein familiäres Umfeld zur Unterstützung fehlt und die Eltern auf sich allein gestellt sind. Sie wird in Zukunft bei den Kindervorsorgeuntersuchungen bis zur U6 Patienten über die Lotsendienste für Babys informieren, Flyer verteilen und bei Bedarf Termine für die Beratungssprechstunde vergeben.
Lotsendienste für Babys
Wann: Jeden Dienstagnachmittag zwischen 14 und 15.30 Uhr.
Wo: In der Praxis für Kinder- und Jugendmedizin von Ursula Wagner an der Mittelstraße 64, 58285 Gevelsberg.
Terminvereinbarung: Über die Praxis von Ursula Wagner, telefonisch unter 02332/2541 oder per Mail an praxis@kinderaerztin-gevelsberg.de. Man kann auch spontan vorbeikommen, wenn Termine frei sind.
Los geht es ab Dienstag, den 24. September 2024.
Immer dienstagnachmittags gibt es dazu in ihrer Praxis die Möglichkeit für persönliche Gespräche. Leiten wird diese Beratungen Maria Cramer vom Fachdienst Frühe Hilfen, ein Bereich der Kinder- und Jugendhilfe der Stadt, der sich auf die Unterstützung von der Schwangerschaft bis zum dritten Lebensjahr fokussiert. Je nach Anliegen wird Maria Cramer die Familien direkt vor Ort beraten oder aber an die entsprechende Einrichtung oder Beratungsstelle verweisen, die weiterhelfen kann. Auch Begleitung zu einem Hilfsangebot kann bei Bedarf möglich sein.
So soll es perspektivisch weitergehen
Auch Bürgermeister Claus Jacobi hält die gezielte Unterstützung nach der Geburt bis zum ersten Geburtstag für besonders wichtig: „Ein Jahr vergeht so schnell, aber wenn das erste Jahr der psychosozialen Betreuung verpasst wird, kann das den Kindern eine große Hypothek für ihr weiteres Leben aufbürden.“ Mit der Zertifizierung zur familiengerechten Kommune habe man sich auch verpflichtet, neue Formate für Familien zu schaffen.
Zukünftig sei geplant, die Kooperation der Lotsendienste auf gynäkologische Praxen in Gevelsberg auszuweiten, um Eltern noch frühzeitiger abholen zu können. Dort scheitert es aktuell noch an Platzproblemen. „Perspektivisch wollen wir auch ein eigenes Familienbüro eröffnen“, erzählt Claus Jacobi. Beratungen sollen dann in den eigenen Räumlichkeiten dieses Familienbüros stattfinden. Zurzeit gebe es aber keinen besseren Standort als die Kinderarztpraxis von Ursula Wagner, die gleichzeitig die einzige pädiatrische Praxis in Gevelsberg ist.
Kostenlose Eltern-Kind-Angebote in Gevelsberg
Die psychosoziale Unterstützung durch die Lotsendienste für Babys ist ein kostenloses Angebot der Frühen Hilfen. Maria Cramer und ihre Kollegin Silke Glashagen besuchen darüber hinaus aber schon seit vielen Jahren frischgebackene Eltern in Gevelsberg zu Hause und informieren sie ab der vierten Woche nach der Geburt des Kindes über die Angebote der Stadt für Familien. Im Durchschnitt gebe es in Gevelsberg 250 Geburten pro Jahr, circa 97 Prozent der Familien würden die anschließende Beratung in den eigenen vier Wänden in Anspruch nehmen. „Andere Kommunen freuen sich, wenn sie 50 Prozent erreichen können“, sagt Maria Cramer.
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Bei diesen Gesprächen werden Eltern auch über weitere kostenlose Angebote der Stadt informiert. Darunter fallen zum Beispiel Babyschwimmkurse in Kooperation mit dem „Schwimm in“, ein Anleitungskurs für Babymassagen oder auch ein Kurs für Erste Hilfe am Kleinkind. Auch ein Outdoor-Training für Mutter und Kind wird angeboten. Besonders aber das Still-Café der Frühen Hilfen, das zweimal im Monat mit einer Stillberaterin stattfindet, erfreue sich großer Beliebtheit.