Gevelsberg. Nach Solingen-Attentat: Herbert Reul spricht mit Bürgern in Gevelsberg über mögliche Messerverbote und die Terrorgefahr im Land.
Das Attentat in Solingen, der Messerangriff in Siegen, Schüsse in München - es herrscht viel Unsicherheit und Unruhe unter der Bevölkerung in Deutschland und besonders in NRW, wo sich zwei dieser drei genannten Vorfälle abgespielt haben. Nicht verwunderlich, dass sich viele Fragen der Bürgerinnen und Bürger an den Innenminister des Landes an diesem Tag auch genau darum drehen. Herbert Reul kam am Montagmittag für eine Stunde nach Gevelsberg, um mit den Menschen offen ins Gespräch zu kommen.
„Coffee with a Cop“, oder auf deutsch: Kaffee mit einem Polizisten. So heißt das Veranstaltungsformat des NRW-Innenministeriums, das an diesem Tag auf dem Vendômer Platz viele Menschen anzieht. „Hundert Kaffee sind hier schon in anderthalb Stunden durchgelaufen“, freut sich auch Pressesprecher der Kreispolizeibehörde, Christoph Neuhaus. „Es wird gut angenommen.“ Besonders aber für den Besuch von Herbert Reul wird es voll am mobilen Kaffeewagen. Er scheint sich großer Beliebtheit zu erfreuen. „Er ist sehr authentisch“, so die gängige Meinung. „Er spricht die Dinge auch mal aus.“
Das bewegt die Bürgerinnen und Bürger
Kaum ist er da, umringt ihn eine Traube an Bürgerinnen und Bürgern. Erstmal gibt es aber auch für den Minister einen Kaffee, bevor er sich an die Menge wendet. Er bittet um Offenheit, einfach anzusprechen, was einen bewegt, was gut und schlecht läuft im Land. Lokale Themen aus der Stadt oder dem Ennepe-Ruhr-Kreis stehen nicht im Vordergrund. Es sind die großen Themen, die die Bürger bewegen. Jemand fragt nach dem Täter in Solingen. Der Startschuss für das große Thema Zuwanderung, das allen vor Ort auf der Seele zu brennen scheint.
„Das Problem Zuwanderung wird durch Abschiebung nicht gelöst“, erklärt Herbert Reul, „es kommen jeden Monat mehr, als abgeschoben werden.“ Die Frustration, dass Leute, die längt abgeschoben werden sollten, es immer wieder schaffen, sich vor den Behörden zu verstecken, könne er verstehen. „Die, die im Ausländeramt ihren Job machen, die sind daran nicht Schuld“, mahnt der Minister dazu, nicht die Falschen dafür verantwortlich zu machen. „Und die Polizei kann da auch nichts machen“, sagt er im Bezug darauf, dass man nicht einfach ohne Weiteres die Privaträume der Menschen durchsuchen darf. „Wir brauchen eine Lösung an den europäischen Außengrenzen, alles andere wird nicht viel bringen.“
Terrorismus und Messerverbot
Zu 100 Prozent verhindern könne man Terrorismus nie, aber man müsse besser werden, sagt Reul. „Polizei und Verfassungsschutz brauchen frühzeitig Informationen.“ Manche würden glauben, dass Datenschutz das höchste Gut ist, er sehe das anders. Die Bürgerinnen und Bürger um ihn herum stimmen ihm zu. „Deutschland braucht da mehr Spielraum“, sagt er in Bezug auf Datensammlung und Speicherung. „Es sollen sicher nicht so Zustände wie in China werden, aber es braucht einen Mittelweg.“ Die Radikalisierung geschehe längst nicht mehr in den Moscheen, sondern im Internet. Er betont aber auch: „Das ist immer eine kleine Minderheit.“
Das Thema Messerverbot kommt auch immer wieder auf. Prinzipiell müsste man unterscheiden. Ein Anschlag wie in Solingen wäre durch ein solches Verbot nicht verhindert worden. Er hätte sonst auch einen anderen Weg gefunden. In Siegen handelte es sich um eine psychisch kranke Frau. „Das ist wieder etwas ganz anderes.“ Dafür brauche man entsprechend auch verschiedene Lösungsansätze. „Ein Messerverbot allein wird das Problem nicht lösen.“ Er sei mehr für Verbotszonen, wie bei Großveranstaltungen, wo man dann auch tatsächlich kontrollieren könne und werde. Die Frage, die er sich selbst stellt: „Warum kriegen wir es nicht verklickert, dass man hier kein Messer braucht?“ Man müsse mehr in die Flüchtlingsunterkünfte gehen, den direkten Kontakt suchen und Aufklärung leisten.
Lokale Themen bleiben außen vor
Zu Gevelsberg selbst kann der Minister nicht viel sagen, er mische sich prinzipiell nicht in die Belange der örtlichen Polizei ein. Die geplante Stadtwache, die sich in Sichtweite befindet, sieht er aber positiv: „Die Grundidee ist auf jeden Fall gut.“ Ob das Modell mit Bezirksbeamten und der Ordnungsbehörde unter einem Dach letztendlich in der Praxis funktioniere, wird sich zeigen müssen.
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