Schwelm. Der Umbau des Kreishauses ist zunächst gestoppt. Warum die hohe Bedeutung des Gebäudes alle Planungen deutlich erschwert.

In einer Sache besteht von allen Seiten aus große Einigkeit: Das Schwelmer Kreishaus ist durch. Die Bausubstanz ist an einigen Stellen marode, die Technik weit hinter der Zeit. Von der Optik und der Atmosphäre, die nichts mit einem bürgernahen Arbeitsumfeld im Jahr 2024 zu tun haben, ganz zu schweigen. Deshalb hatte die Kreispolitik eine Komplettsanierung für 100 bis 150 Millionen Euro längst beschlossen, jetzt aber wieder kassiert, um die neun Städte des Kreises mit der Finanzierung nicht noch näher an den Rand des Ruins zu treiben. Doch ist das wirklich eine Taktik, die Erfolgsaussichten für die klammen Kommunen hat? Und: Welche Rolle spielt es bei den teuren Plänen für die kommenden zehn Jahre, dass das Kreishaus nicht irgendein Verwaltungsgebäude ist? Spurensuche und Blick in die Glaskugel mit Landrat Olaf Schade und Christian Kappenhagen, Fachbereichsleiter Gebäudemanagement, Umwelt, Vermessung und Kataster.

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Der spezielle Charme der ganz frühen 70er Jahre weht durch das Landratsbüro mit seinen akkuraten Holzvertäfelungen, bei denen die Bauherren vor 50 Jahren sogar darauf geachtet haben, dass die Maserung stets korrekt mit dem Brett vom selben Stamm fortgesetzt wird. „Das Kreishaus ist nicht irgendein Verwaltungsgebäude“, sagt Olaf Schade und legt die Fachzeitschrift Bauen und Wohnen, Ausgabe Februar 1973, auf den Tisch. Darin nimmt die Verwaltungsimmobilie des Ennepe-Ruhr-Kreises eine Doppelseite ein, weil sie Maßstäbe setzte, weil das Hajek-Kunstwerk Prestige bedeutete. Doch die wahre Bedeutung, die die Architektur und Planung des Schwelmer Gebäudes haben, wird erst deutlich, wenn man weiter durch die Zeitschrift blättert. Die anderen Gebäude, die dort für ihre Modernität gefeiert werden, sind der Sears Tower in Chicago und der IBM-Campus in Stuttgart.

Umbau Kreishaus Schwelm
Dieser Raum ist nicht mehr nutzbar. Potenziell wird dieses Schicksal eher mehr als weniger Gebäudeteile ereilen. © WP | Stefan Scherer

Weil Glanz und Gloria allerdings schon seit mehr als 50 Jahren verblassen, wird es dringend Zeit, dass das Kreishaus kernsaniert wird. Ein teurer Spaß, denn auch mit Blick auf die verbauten Materialien ist das Gebäude ein Kind seiner Zeit und beispielsweise ordentlich mit Asbest ausgekleidet. „Mit Blick auf die große finanzielle Belastung der Kommunen wollen wir die Sanierung nun einige Jahre in die Zukunft schieben. Was konkret wie umgesetzt wird, entscheidet der Kreistag allerdings erst in seiner September-Sitzung“, sagt Landrat Olaf Schade. Christian Kappenhagen ergänzt: „Aktuell läuft ein Prüfauftrag, mit dem wir herausfinden wollen, ob es möglich ist, die Sanierung fünf bis zehn Jahre zu schieben.“ Die ursprüngliche Planung sah vor, dass das Kreishaus ab dem Jahr 2027 leer gezogen wird, nachdem sowohl die Leitstelle der Polizei als auch die Leitstelle der Feuerwehr in ihre Neubauten am Strückerberg eingezogen sein sollen.

Klar ist: Zum Nulltarif wird das Kreishaus nicht noch weitere zehn Jahre nutzbar sein. Schon umgehend sind die ersten Millionen-Investitionen notwendig. „Und wir sprechen hier nur über Flickschusterei“, betont Olaf Schade dabei. Was er damit meint: Das Dach des siebten Obergeschosses ist undicht, es regnet quasi in die Kreisleitstelle der Feuerwehr. Kostenpunkt der Reparatur: 640.000 Euro.

Nicht minder dringend sind die Arbeiten am Parkdeck. Hier sind bauliche Maßnahmen zu Sicherung der Standfestigkeit, Arbeiten zum Lastenabfang am Hang sowie die Erneuerung der Elektrik notwendige Maßnahmen. Kostenpunkt dafür: 750.000 Euro. „Solche Maßnahmen werden wir immer wieder umsetzen müssen, je länger wir warten, desto schlechter wird die Substanz schließlich“, sagt Christian Kappenhagen.

Über all dem schwebt zudem die Frage: Können sich die Städte, die über ihre Umlage den Ennepe-Ruhr-Kreis finanzieren, die zusätzliche Belastung in fünf bis zehn Jahren eigentlich besser leisten als jetzt? Oder wird das Problem nur in die Zukunft verlagert, anstatt gelöst? Zumindest mit Blick auf die Städte Schwelm, Gevelsberg und Ennepetal ist es in keinem einzigen Fall so, dass die Stadtkassen aktuell besser gefüllt sind als vor fünf, zehn oder 20 Jahren. Eher das Gegenteil ist der Fall. „Irgendwann müssen wir diese Sache allerdings unausweichlich angehen“, sagt Olaf Schade

Umbau Kreishaus Schwelm
Die Undichtigkeiten des Dachs müssen nun zeitnah behoben werden. © WP | Stefan Scherer

Eine zusätzliche Frage wird bis dahin auch noch geklärt werden müssen: Wird das Kreishaus - wir erinnern uns an seine Bedeutung zwischen Sears Tower und IBM-Campus - in Teilen mit einem Denkmalschutz belegt? Ausgeschlossen ist das sicherlich nicht; einerseits ist in diesem Gebäude durch gute Pflege und wenig Erneuerung sehr viel aus der Bauzeit erhalten, andererseits erfährt die Kunst von Otto Herbert Hajek aktuell eine Renaissance. Er hat die bunte Betonkunst vor dem Eingang der Verwaltung entworfen, die im Volksmund seit dem ersten Tag „Panzersperren“ genannt wird.

Je nachdem, wie weit ein Denkmalschutz reichen würde, könnte dies die Umbaupläne erheblich erschweren. Einerseits könnte dies nämlich bedeuten, dass beispielsweise eine energetische Sanierung nicht vollumfänglich möglich ist, andererseits müssten die Optik und generelle Anordnung sowie Ausrichtung in den Büros grundlegend geändert werden, um den Anforderungen an eine moderne Verwaltung gerecht zu werden. Und nicht zuletzt wirbt die Kreisverwaltung um starke Nachwuchskräfte, die ebenfalls eher modern ausgerichteten Arbeitgebern zugetan sind als den frühen 70er Jahren. Ließe ein Denkmalschutz das überhaupt zu? Mehr Klarheit wird es in vielen Fragen ab September geben.

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