Schwelm/Hagen. Eine Jugendgang hat offenbar gezielt homosexuelle Freier brutal überfallen. Nun sprechen das Opfer aus Schwelm und einer der Tatverdächtigen.
War der Schwelmer (58) das letzte Opfer einer Jugendgang, die über Wochen in einem Waldstück in Hohenlimburg homosexuelle Freier überfallen hat? Unbemerkt von der Öffentlichkeit geschah dort eine Serie von Überfällen auf kontaktsuchende Männer. Eine sechsköpfige, türkischstämmige Jugendgang aus Hohenlimburg (im Alter von 15 bis 18 Jahren) steht nach ihrem Überfall auf den 58-Jährigen im Verdacht, homosexuelle Freier gezielt in eine Sexfalle gelockt, schwer misshandelt und dann ausgeraubt zu haben. Die Idee dazu lieferte Tiktok.
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Es ist diese schamhafte Mauer des Schweigens, die die jungen Männer bisher geschützt hat. Wer sich als Mann mit einem anderen Mann zu einem Treffen mit sexuellen Absichten im Wald verabredet, wird darüber wohl kaum offen sprechen. Selbst wenn aus der heimlichen Begegnung noch ein Verbrechen wird, erfährt die Polizei nicht immer etwas davon. Eine Hagener Ermittlungskommission geht aktuell davon aus, dass es in dem Waldstück Im Ölm/Alte Heerstraße in Hohenlimburg zu mindestens vier einschlägigen Vorfällen, davon ein gescheiterter, gekommen ist, die alle auch angezeigt wurden. Nach Informationen dieser Zeitung könnten es sogar sechs Taten gewesen sein, die teilweise sogar vonm den jungen Tätern gefilmt wurden. „Noch unbekannte Opfer oder Hinweisgeber sollten sich dringend bei der Polizei unter der Nummer 02331/986 2066 melden“, sagt Polizeisprecherin Ramona Arnhold (34).
Der Mann (58) aus Schwelm, der am vergangenen Donnerstag, 13. Juni, das vorerst letzte Opfer einer brutalen Schlagstock-Attacke wurde, hat die Mauer des Schweigens gegenüber der Redaktion nun durchbrochen. Wir besuchten ebenfalls die Hohenlimburger Familie, über die so viel Unglück hereinbrach, als ihr durch die Kriminalpolizei eröffnet wurde, dass gegen den Sohn aufgrund eines Mordversuchs ermittelt wird. Diesen schweren Vorwurf haben die Ermittler inzwischen fallen gelassen und auf gefährliche Körperverletzung und schweren Raub heruntergestuft. Deshalb sitzt der verdächtige 18-Jährige, wie auch seine fünf mitbeschuldigten jüngeren Freunde (einer 15, drei 16, einer 17 Jahre alt) wohl auch nicht in U-Haft, sondern drückt weiterhin brav im Gymnasium die Schulbank. Zwei der jugendlichen Tatverdächtigen sind zudem im örtlichen Amateurfußball als Schiedsrichter aktiv.
Der Geschädigte des gewalttätigen Raubüberfalls kann nach Auskunft der Ärzte froh sein, dass er den Angriff der brutalen Schläger überhaupt überlebt hat. Durch die Wucht des Teleskop-Schlagstocks, der ihm von hinten auf den Kopf geschlagen wurde, hatte er eine blutige Kopfplatzwunde erlitten. Durch die Gewalteinwirkung auf Leber und Milz hätte sogar Lebensgefahr bestanden, attestierte ein Mediziner dem Schwelmer. Das Gemeinschaftskrankenhaus Herdecke, in das der 58-Jährige mit dem Rettungswagen nach der Tat eingeliefert worden war, hat er auf eigenen Wunsch verlassen. In seinem Wohnhaus in Schwelm zeigt er die noch vorhandenen Verletzungen: genähte Platzwunden, blaue Flecken, eine angebrochene Rippe und geschwollene Finger, „von meiner Gegenwehr“.
Einer Täter wollte eigentlich Polizist werden
Zwei Tage vor dem verhängnisvollen Treffen im Wald hatte der Geschädigte über die Internetplattform „Romeo“ Kontakt zu einem 18-jährigen „Escort-Begleiter“ aufgenommen: „Der junge Mann hatte in dem Portal sein Foto eingestellt und bot sexuelle Dienstleistungen gegen Bezahlung an.“ Die zunächst geforderten 150 Euro handelte der 58-Jährige auf 100 Euro herunter, vereinbarte mit dem 18-Jährigen ein Treffen für den drauffolgenden Donnerstag, 18 Uhr, in Hohenlimburg. „Ich kannte die Örtlichkeit überhaupt nicht, sollte einfach dem Waldweg folgen“, erzählt der Schwelmer, dessen Körper einige Tage nach der Tat weiterhin schwer von den Schlägen gezeichnet ist.
Der angebliche Callboy stand oben am Waldrand. „Er rief: Hier, komm her!“, erinnert sich der Schwelmer an seine Ankunft. Zu zweit gingen sie dann, „auf der Suche nach einer geeigneten Stelle“, immer tiefer in den Wald hinein. Das hinter verschiedenen Büschen einzelne Personen standen, kam ihm da noch nicht merkwürdig vor. Bis sich die fünf Personen als vermummte Angreifer entpuppten, die bald auf ihn einprügelten.
Einer von den zunächst festgenommenen Tatverdächtigen hat die Ermittler am nächsten Tag zu der Stelle im Wald geführt, wo der Schlagstock weggeworfen wurde. Das vermutliche Tatwerkzeug stellte die Polizei dort sicher. An dieser Stelle hätte man auch „die Kohle mitgenommen“. Die beiden geraubten 50-Euro-Scheine fanden die Ermittler in der Hosentasche des 18-jährigen Gymnasiasten. Der kann seinen Berufswunsch jetzt wohl vergessen: Er wollte später eigentlich einmal Polizist werden.
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