Gevelsberg. Das Gut Rocholz in Gevelsberg ist vom Hochwasser im Juli mit am stärksten getroffen worden. Jetzt äußern sich Stadt und Eigentümer zur Zukunft.

Nachdem das Hochwasser am 14. Juli besonders am Gut Rocholz in Gevelsberg massive Schäden hinterlassen hat, steht die Frage im Raum: Wie geht es dort nun weiter? Ein Anwohner, die Stadt Gevelsberg und erstmals der Eigentümer äußern sich zu Wünschen, Planungen und den Hochwasserschutz in Zukunft.

Das sagt ein Anwohner

So hoch stand das Wasser in seiner Wohnung. Frank Kranz zeigt mit dem Finger auf eine Stelle an seiner Küche, ein paar Zentimeter über dem Boden. Glück im Unglück: Er und seine Familie haben bereits Erfahrung. Sie haben alle mittlerweile drei Hochwasser am Gut Rocholz erlebt. „Wir haben die Türen vorne und hinten aufgemacht, dann konnte das Wasser einfach so durchlaufen“, erklärt Kranz. Trotzdem bleibt die Familie auf geschätzt 20.000 Euro Schaden sitzen.

„Wegziehen wollen wir erstmal nicht“, betont Kranz. Auch weil seine Söhne noch mit in der Wohnung leben. Außerdem wohnt er gerne dort. „Hier ist es ruhig und Du bist trotzdem schnell an der Hauptstraße“, sagt er. Das Gut liegt ihm sichtlich am Herzen, er kennt das historische Bauwerk und die Umgebung wie seine Westentasche.

Frank Kranz zeigt in seiner Wohnung im Gut Rocholz in Gevelsberg, wie hoch das Wasser Mitte Juli 2021 in seiner Wohnung gestanden hat
Frank Kranz zeigt in seiner Wohnung im Gut Rocholz in Gevelsberg, wie hoch das Wasser Mitte Juli 2021 in seiner Wohnung gestanden hat © WP | Max Kölsch

Frank Kranz hat seine eigene Analyse, wieso die Wassermassen das Gut Rocholz so massiv getroffen haben, hat sich verschiedene Durchläufe in der nahe gelegenen Natur und auf dem Gelände des Guts angesehen. Diese Analyse deckt sich teils mit der der Stadt, teils auch nicht. Kranz erklärt darüber hinaus, dass die Technischen Betriebe der Stadt Gevelsberg nach den vergangenen Hochwassern bereits Maßnahmen ergriffen und Durchläufe zum Teil verkleinert hätten, was die Stadt bestätigt.

Kranz empfiehlt, dass zunächst erstmal ein Teil des Guts – möglicherweise durch eine Mauer – zusätzlich vor Wassermassen abgeschirmt werden solle. „Vielleicht sollte sich der Eigentümer da mit Stadt und AVU zusammentun“, sagt der Anwohner.

Das sagt der Eigentümer

„Vertreter der Stadt Gevelsberg inklusive Bürgermeister Jacobi waren unmittelbar nach dem Schadenereignis vom 14. Juli 2021 persönlich auf Gut Rocholz und sprachen ihre Solidarität und Unterstützung gegenüber den betroffenen Mietern aus“, antwortet Dr. Thomas Schmidt-Hansen, Eigentümer des Gutes Rocholz schriftlich auf Anfrage der Redaktion. „Seither hat die Stadt Gevelsberg jedoch zu mir als Eigentümer noch keinen Kontakt aufgenommen, obwohl ich mir dies als direkt Betroffener gewünscht hätte.“

Über seine eigene Hausverwaltung habe er eine Elementarschadenversicherung abgeschlossen. Eine finale Abrechnung stehe noch aus. Er gehe aber davon aus, dass die Kosten der Wiederherstellung gedeckt seien, so Schmidt-Hansen. „Der Schaden für die 14 betroffenen Einheiten beläuft sich auf circa 30.000 bis 40.000 Euro pro Wohneinheit“, rechnet er vor. „Ich werde alle Objekte zu 100 Prozent wieder aufbauen lassen und mindestens den Standard vor der Überflutung wieder herstellen, so dass niemand einen Wertverlust erfährt.“

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Ansprüche von Mietern, zum Beispiel in Bezug auf Mobiliar, könnten nicht gestellt werden, weil diese über eine eigene Hausratversicherung abgesichert werden müssten. „Für den Zeitraum der Sanierung beziehungsweise ab 14. Juli 2021 wird bis zum Wiedereinzug selbstverständlich auf eine Mietzahlung verzichtet“, so der Eigentümer. „Bereits gezahlte Mieten wurden an die Mieter zurück erstattet.“

Aus Schmidt-Hansens Sicht gibt es mehrere Maßnahmen, die ergriffen werden müssen, um das Gut Rocholz künftig besser vor Hochwasser zu schützen. „Die Fluss- und Bachlaufführung ist anzupassen und Schleusen/Rückhaltebecken dürfen nicht unkontrolliert geöffnet werden“, beginnt der Eigentümer aufzuzählen. „Vorgesehene Wasser-Durchlässe dürfen verlaufsmäßig niemals einen kleineren Durchmesser haben als der Vordurchlass, weil somit auf natürliche Weise ein Rückstau und somit ein unkontrollierter Wasseraustritt provoziert wird“. Und weiter: „Das Klärwerk und der Wohnbereich Gut Rocholz sollten dauerhaft durch eine zusätzliche Steinmauer (ca. 100 cm Höhenerweiterung) auf der Höhe der Bahntrasse im Bereich ,Am Werde’ und ,Brockenbergstraße’ geschützt werden, so dass sichergestellt ist, dass kein Stauwasser über die Bahntrasse gelangen kann.“

Liegenschaft aus dem Jahre 1696

Die Liegenschaft „Gut Rocholz“ ist nach Angaben des Eigentümers ein unter Denkmalschutz stehender ehemaliger Landadelssitz auf etwa 45.000 Quadratmetern Fläche Grund und Boden mit rund 20.000 Kubikmetern umbauten Raum Immobilienbestand aus dem Jahre 1696, der im Jahre seines Erwerbs durch Dr. Thomas Schmidt-Hansen und die Schmidt-Hansen Grundbesitz AG 2006 nur noch sehr eingeschränkt genutzt worden sei.Heute würden dort 24 Familien mit insgesamt 117 Personen auf „Gut Rocholz“ leben, die das verfallene historische Areal nach fast fünf Jahren Bauzeit (Beginn 2006) wieder mit Leben versehen hätten. Im angrenzenden Neubaugebiet würden 13 Familien mit insgesamt 41 Personen leben.

Neben dem vorgenannten „Mauer-Steinbau“ solle eine Abstimmung weiterer Maßnahmen eng mit der Stadt Gevelsberg abgestimmt werden. So könne zusätzlich zwischen Hochspannungswerk und den Gärten von Gut Rocholz eine Stauebene errichtet werden, ebenso vor der Zufahrt zum Gut Rocholz. „Die Wasserführung auf der Zufahrtsstraße Rocholzallee (unterhalb der Brücke Eichholzstraße) muss so gesichert sein, dass eine Neigung Richtung Ennepe erfolgt“, schreibt Dr. Thomas Schmidt-Hansen.

Der Hochwasserschutz gehöre in den Hoheitsbereich des Landes beziehungsweise der Kommune und könne nicht singulär auf einzelne Eigentümer übertragen werden. Jeder Eigentümer müsse bei Erwerb davon ausgehen, dass die Liegenschaft hochwassersicher sei. Bauliche Schutzmaßnahmen seien insofern von seiner Seite noch nicht erfolgt.

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Auf die Fragen, inwieweit die Hochwasser-Gefahr beim Kauf des Gutes Rocholz ersichtlich war und welche Rolle das bei der Entwicklung des direkt angrenzenden Neubaugebietes spielte, antwortet Dr. Thomas Schmidt-Hansen: „Es gab zu keinem Zeitpunkt das Thema Hochwasser auf Gut Rocholz und wenn eine Liegenschaft zum Kauf angeboten beziehungsweise auch von Seiten der Stadt mit beworben wird, und man dieses Risiko gekannt hätte, dann wäre ein Hinweis hierauf sicherlich auch erfolgt.“

Das sagt die Stadt Gevelsberg

Die Stadt Gevelsberg hatte bereits weitere Untersuchungen des Hochwasser-Geschehens im Bereich Rocholz angekündigt. „Die Beauftragung eines Büros zur Entwicklung eines Konzeptes zur Verbesserung der Situation und Entwicklung einer Lösung zur schadlosen Ableitung 100-jährlicher und möglichst auch größerer Hochwasser aus diesem Bereich ist erfolgt“, heißt es dazu auf Nachfrage der Redaktion.

Bis zu einer baulichen Umsetzung seien hier Untersuchungen, Berechnungen und Planungen auch auf Basis derzeit in Berechnung befindlicher Werte für die zugrundezulegenden Wassermengen notwendig. „Absehbar ist, dass zur Umsetzung auch umfangreiche Abstimmungen mit dem Landesbetrieb Straßen NRW, der Talbahn GmbH, dem Landeseisenbahnamt und dem Ruhrverband zu führen sind“, so die Stadt. „Die Stadt Gevelsberg wird ein Konzept entwickeln lassen. Im Zuge der Entwicklung und Umsetzung des Konzeptes wird dieses mit den Grundstückseigentümern und Anrainern abgestimmt.“

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Die Redaktion wollte von der Stadt wissen, ob der Bereich Rocholz, der seit 2009 nun dreimal überschwemmt wurde, als „durch Hochwasser gefährdet“ oder dergleichen eingestuft sei und ob das eine Rolle bei der Entwicklung des Neubaugebiets direkt hinter dem Gut Rocholz gespielt habe. Die Stadt erklärt darauf, dass der Bereich Gut Rocholz, die Siedlung und das AVU-Umspannwerk in den offiziellen Hochwassergefahrenkarten des Landes aus dem Jahr 2019 nicht als ein hochwassergefährdeter Bereich für ein hundertjährliches Hochwasser sowie für ein Extremhochwasser, also einem größeren Hochwasserereignis als am 14. Juli 2021, dargestellt seien.

Somit sei ein Verbot von baulichen Anlagen gemäß gesetzlicher Vorgaben planungsrechtlich nicht möglich gewesen. „Die Gewässersituation wurde im Zuge der Sanierung des Gutes sowie der Genehmigung der Siedlung separat unter Beteiligung der Wasserbehörde untersucht und berücksichtigt“, so die Stadt Gevelsberg.

Das sagen AVU und Straßen NRW

Vom Hochwasser betroffen war auch das nahe dem Gut Rocholz gelegene Umspannwerk der AVU. „Die AVU Netz GmbH prüft und plant gerade mehrere Maßnahmen für den weiteren Ausbau des vorhandenen Hochwasserschutzes beziehungsweise zur Reduzierung der Folgen von Hochwassern“, erklärt der Energieversorger. „Dafür sind im Investitionsplan 2022 bereits Mittel eingeplant.“ Dabei handele es sich um diverse technische und räumliche Verbesserungen innerhalb des Umspannwerks. „Die Lage und die baulichen Gegebenheiten lassen sichtbare, äußere Maßnahmen wie zum Beispiel ein Eindeichen nicht zu“, heißt es. Für die genaue Analyse des Hochwasser-Geschehens Mitte Juli sieht die AVU andere in der Pflicht. „Wir warten das Ergebnis der offiziellen Untersuchungen ab und machen keine eigenen Analysen“, so das Unternehmen. Dabei blickt es vor allem auf die Stadt Gevelsberg und den Ennepe-Ruhr-Kreis.

Der Landesbetrieb Straßen NRW, in dessen Zuständigkeit die teils über den Rocholz führende Eichholzstraße liegt, sieht den Hochwasserschutz nicht als seine Aufgabe an. „Straßen NRW ist für die Beseitigung der auf den Straßen anfallenden Niederschlägen und den dazugehörigen Entwässerungseinrichtungen zuständig“, so Sprecher Andreas Berg. „Der Landesbetrieb beschäftigt sich mit dem Hochwasser insofern, dass die durch das Hochwasser entstandenen Schäden an den in der Unterhaltung liegenden Straßen mit Nachdruck beseitigt werden beziehungsweise beseitigt worden sind.“