Ennepetal. Opfer aus Ennepetal berichten von einem nervenaufreibenden Tag: So hätten sie Schockanrufern beinahe ihre gesamten Ersparnisse übergeben.

„Papa, ich habe gerade eine Frau totgefahren!“ Die Anruferin weint, schreit, schluchzt in den Telefonhörer und für Walter B. (Name von der Redaktion geändert) bricht in dieser Sekunde eine Welt zusammen. Bevor der Ennepetaler überhaupt dazu in der Lage ist, Nachfragen zu stellen, hat er bereits eine andere Frau am Telefon, die sich als Beamtin der Kripo vorstellt. Am Ende ist es wohl glücklichen Zufällen zu verdanken, dass Walter B. und seine Frau Marianne (Name ebenfalls geändert) nicht ihre kompletten Ersparnisse an Betrüger übergeben haben, die mit diesen heftigen Schockanrufen im Ennepetaler Ortsteil Oberbauer gleich mehrere Rentnerpaare in Angst und Schrecken versetzt hatten.

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Eine Woche ist es her, dass die Täter auf den Festnetztelefonen arglose Senioren anriefen, um diese um hohe Geldsummen zu erleichtern. Wie das konkret abläuft, erläutert der Schwiegersohn der Familie B. im Gespräch mit der Redaktion. Der Anruf sei auf dem Festnetz erfolgt und nach der weinenden Frau, bei der es sich um eine der Töchter gehandelt haben soll, übernahm recht schnell eine andere Frau. „Die stellte sich als Mitarbeiterin der Kripo vor, sagte, meine Schwägerin habe eine Mutter von drei Kindern getötet müsse nun wegen Fluchtgefahr in Untersuchungshaft, nachdem ein psychiatrisches Gutachten über sie erstellt worden sei. Am Ende würden ihr fünf Jahre Haft drohen.“ Es gebe jedoch die Möglichkeit, eine Kaution in Höhe von 50.000 Euro zu hinterlegen, um der Tochter die U-Haft zu ersparen. Mit Beginn des Gerichtsverfahrens würde das Geld dann zurückgezahlt.

Sparkasse hatte Mittagspause

Nach dieser Horrornachricht kaum in der Lage, einen klaren Gedanken zu fassen, sagte Walter B., dass er so viel Geld nicht zu Hause habe, es gebe aber ein Sparbuch, von dem er nicht genau wisse, wie viel Geld dort hinterlegt sei. „Die Täter haben dann gesagt, er solle die Sparkasse Ennepetal-Breckerfeld auf einem anderen Telefon anrufen und sich über Lautsprecher den Kontostand durchgeben lassen, so dass die vermeintliche Kripo-Beamtin dies hören kann.“ Walter B., der mittlerweile auch seine Frau darüber in Kenntnis gesetzt hatte, folgte den Anweisungen, wollte das Geld abholen, um der Tochter zu helfen. „Zum Glück hat man ihm bei der Sparkasse gesagt, dass das Abholen erst nach der Mittagspause möglich sei“, sagt der Schwiegersohn. Die vermeintliche Kripobeamtin wollte sich um 14.30 Uhr noch einmal melden, um die Geldübergabe abzusprechen, mahnte an, keinen Kontakt zu irgendwelchen Angehörigen aufzunehmen.

Gleichwohl melden sich Walter und Marianne B. völlig aufgelöst bei der anderen Tochter, erzählen, was ihrer Schwester passiert sein soll. Auch die bekommt Panik, ruft ihren Mann – oben zitierten Schwiegersohn – an. Der will seine Frau sofort zu den Schwiegereltern fahren. Auf dem Weg dorthin, bricht die Frau jedoch das Kontaktaufnahmeverbot und ruft den Freund ihrer Schwester an. Der leitet die Schule, an der die mutmaßlich Festgenommene unterrichtet und sagt: „Die ist im Klassenzimmer.“ Er schaut noch einmal nach, doch tatsächlich lehrt seine Lebensgefährtin gerade ihre Schüler.

Verbrecher ziehen sich zurück

„Wir haben dann sofort die Polizei alarmiert“, sagt der Schwiegersohn. Die Kripo macht sich auf den Weg nach Ennepetal-Oberbauer, wo es an diesem Tag in räumlicher Nähe zum Haus der Familie B. mehrere solcher Schockanrufe gegeben hat. Eine Straße weiter hatten andere Opfer bereits die Polizei alarmiert. Der Anruf, der von der falschen Kripo-Beamtin um 14.30 Uhr erfolgen sollte, kam nicht mehr. Sonja Wever, Pressesprecherin der Kreispolizeibehörde Ennepe-Ruhr: „Die Täter warten oft in der Nähe, um möglichst schnell das Geld in Empfang nehmen zu können.“ In diesem Fall haben sie wohl bemerkt, dass ihre Masche aufgeflogen war, die Aktivitäten an den betreffenden Häusern wahrgenommen und ihren kriminellen Plan abgebrochen.

Die Masche ist besonders perfide, weil hier das Spiel mit der Angst der Menschen auf die Spitze getrieben wird. Auch wenn es noch so schwer sein sollte, bei diesen Anrufen, die die Menschen am anderen Ende der Leitung sofort in panische Angst versetzte, rät die Polizei: „Lassen Sie sich nicht von diesen Anrufen verunsichern. Legen Sie auf und rufen Sie die Ihnen vertrauten Telefonnummern Ihrer Angehörigen an. Verständigen Sie die Polizei.“ Niemand, so macht die Kreispolizeibehörde deutlich, sollte sich in der Sicherheit wiegen, ihm könne das auf keinen Fall passieren, denn die Täter sind psychologisch und in der Gesprächsführung sehr gut geschult, außerdem hervorragend vorbereitet, bevor sie ihre potenziellen Opfer kontaktieren.