Dortmund. Eva Butz und Angelika Errante sind Ordnungscoaches. Die Dortmunderinnen helfen ihren Kunden raus aus dem Chaos. Das Problem sind dabei oft Ratschläge von Eltern und Instagram.

In der Küche stapelt sich das Geschirr, im Keller ist kein Durchkommen mehr. Und nun? Für die Bestsellerautorin Marie Kondo wäre der Fall klar: Alles auf einen Haufen werfen und nur behalten, was glücklich macht. „Alles Quatsch“, sagt hingegen Ordnungscoach Eva Butz. „Ich kenne keinen, der an einem Sparschäler Spaß hat – und trotzdem braucht man ihn.“ Die Dortmunder Aufräum-Expertin geht daher einen anderen Weg aus dem Chaos und betont: „Der Weg zur Ordnung ist hoch individuell.“

Unordnung im Haushalt: Ursachen finden, Blockaden lösen

Seit mehreren Jahren betreibt Eva Butz zusammen mit ihrer Kollegin Angelika Errante den Service „Ordnungsreich“. Die Arbeitsbereiche der beiden Beraterinnen sind dabei verschieden. Butz ist zusätzlich als systemischer Coach zertifiziert und schaut sich bei den Kunden daher zunächst einmal genau an, woran es denn eigentlich hakt. Kann sich jemand vielleicht schlecht von Dingen trennen, die von den Eltern stammen? „Ich schaue, wo die Blockaden liegen“, sagt die Historikerin. Oft könne schon der Blick von außen helfen, den Knoten zu lösen.

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Ordnungscoaches aus Dortmund raten zum Spenden

Ist erst einmal der Faden gefunden, um das Chaos zu entwirren, sei der Rest meistens gar nicht so schwer, meint die 55-Jährige. Schritt für Schritt entwickelt sie zusammen mit den Kunden individuelle Methoden, die Ordnung in den Griff zu bekommen und hilft bei der Umsetzung. Dann wird auch Angelika Errante aktiv. „Ich will dann rasch ins Tun kommen“, sagt die ehemalige Flugbegleiterin. Sie räumt, packt, sortiert und nimmt mit, was weg kann. „Alles Überflüssige wird gespendet“, erklärt sie. Der gute Zweck mache es manchem leichter, loslassen zu können.

Ordnungscoach Dortmund
Vorher – nachher im Vergleich: Ordnung ist sehr individuell, sagen die Coaches. Es gehe darum, sich in der eigenen Umgebung wohlzufühlen. © Funke Medien NRW | Butz / Montage: Bingmann

Und loslassen muss sein. Von Erbstücken. Von Geschenken. Aber auch von Gekauftem. „Das Hauptproblem ist, dass wir von allem zu viel haben“, so Butz. Billigangebote, der schnelle Klick im Netz. „Shoppen gibt uns einen Kick.“ Gleichzeitig werde altes aber nicht aussortiert, weil es ja mal Wert hatte. „Das haben wir ja schon von Eltern und Großeltern so gelernt.“ Die Folge: Der Schrank geht nicht mehr zu, das Regal biegt sich – und mit den Klamottenbergen wächst die Überforderung.

Enormer Leidensdruck bei den Betroffenen

Ein schlechtes Vorbild sind aber nicht nur die alten Wertevorstellungen, sondern auch die neuen. „Instagram ist ein riesiges Problem“, erleben die Ordnungscoaches. Aufgeräumte, stylische Zimmer würden zum Maßstab fürs eigene Zuhause gemacht. „Dabei ist das etwa für eine Familie mit zwei kleinen Kindern in der Realität gar nicht machbar.“

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Die Aufräumexpertinnen erleben häufig einen enormen Leidensdruck bei ihren Kunden. Das Chaos in der Wohnung führe zu Chaos im Alltag. „Manche schaffen es nicht mehr, den Kindern morgens Frühstück zu machen, weil es kein sauberes, freies Fleckchen in der Küche gibt“, weiß Eva Butz. Oft komme es auch zu sozialer Ausgrenzung. „Die Menschen vereinsamen, weil sie sich nicht mehr trauen, ihre Wohnungstür zu öffnen.“ Niemand soll die Unordnung sehen. „Manche kostet es sogar monatelange Überwindung, bis sie uns schließlich in die Wohnung lassen.“

Eigenes Ordnungssystem für junge Frau mit ADHS

In den allermeisten Fällen sind es Frauen, die sich schließlich Hilfe suchen. So wie Hannah (Name geändert). Der Webdesignerin war der Haushalt über den Kopf gewachsen. „Ich habe alle Tipps probiert, nichts hat funktioniert“, sagt die 30-Jährige. Grund dafür sei wohl ihre Aufmerksamkeitsstörung. „Erst Eva Butz hat mir gezeigt, wie ich trotz ADHS ein eigenes System entwickeln kann, das mir hilft, in der Spur zu bleiben.“

Ordnungscoach Dortmund
Jede Menge Dinge, die gespendet werden, sammeln sich bei den beiden Ordnungscoaches Eva Butz und Angelika Errante. © Funke Medien NRW | Britta Bingmann

Jetzt steht der Mülleimer bei Hannah im Wohnzimmer. „Ungewöhnlich für andere, aber sinnvoll für mich“, erklärt sie. „Jetzt landet der Abfall endlich dort, wo er hingehört.“ Seit einem halben Jahr kommt die Beraterin etwa einmal im Monat für mehrere Stunden zu ihr ins Haus. Dann wird geredet und geräumt. „Und anschließend mache ich meine Hausaufgaben“, sagt die junge Frau schmunzelnd. Punkt eins auf der Liste: Dranbleiben und weitermachen. Punkt zwei: Überlegen, welches Problem als nächstes angepackt werden soll. „Das Coaching spart mir unendlich viel Energie“, sagt Hannah. „Ich kann das nur jedem empfehlen, der den Haushalt als Belastung empfindet.“

1200 Aufräum-Experten gibt es im deutschsprachigen Raum

Doch noch tun sich die Deutschen schwer damit, solchen Service zu buchen. In den USA kommt inzwischen ein Ordnungscoach auf 8000 Einwohner, hierzulande sind es noch 85.000 pro Berater. Insgesamt arbeiten 1200 Aufräum-Experten im deutschsprachigen Raum. „Doch der Markt wächst, vor allem seit Corona“, sagt Eva Butz. Insgesamt vier Kolleginnen gebe es in Dortmund – mit unterschiedlichen Schwerpunkten. Die eine kümmere sich auch ums Design, die andere vor allem um Papierkram. „Da muss man schauen, was für einen selbst der richtige Ansatz ist.“

Das Duo vom „Ordnungsreich“ setzt für etwa 80 Euro die Stunde auf eine Mischung aus Theorie und Praxis. „Es ist Hilfe zur Selbsthilfe“, sagt Eva Butz. Und zumindest ein Tipp von Promi-Aufräumerin Marie Kondo kommt dabei auch bei ihr immer wieder vor: „Das vertikale Falten ist wirklich praktisch.“

Wer mehr wissen will: Eva Butz hält bei der VHS am 14. März um 18 Uhr den Vortrag „Ordnung: Wie schaffe ich Klarheit und Struktur in meiner Umgebung“. Am 29. März folgt dann von 10 bis 16 Uhr der Workshop „Mein individueller Weg in mein Wohlfühl-Zuhause“. Mehr Infos per Whatsapp unter 0176 22977621, per Mail an eva.butz@ordnungsreich.de oder unter ordnungsreich.de.

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