Dortmund. 50 Zentimeter zwischen Auto und Mauer – da passt Zeitungsbote Gregor Glaremin nicht durch. Aber nachts kommt keine Hilfe vom Ordnungsamt.
Gregor Glaremin liebt seinen Job. Der 49-Jährige ist Zeitungsbote im Dortmunder Stadtteil Jungferntal/Rahm. Eigentlich habe er mit einer bewegten Karriere als Banker gestartet, erzählt er – aber wegen einer Berufsunfähigkeit musste er umschwenken. Jetzt also Zeitungen austragen. Zu nachtschlafender Zeit zwischen 1 und 4 Uhr, rund zehn Kilometer Strecke. Mal zu Fuß, mal per Rad. Wetter? Egal. „Ich genieße die Ruhe“, sagt er. „Ich sehe Hasen, Rehe, sogar Füchse. Das ist wirklich schön. Und ich bin allein unterwegs und niemand stört mich. Ich bin mein eigener Chef.“
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Wenn da nicht die Falschparker wären. Denn die stören massiv. „Hier zum Beispiel. Wie steht der da? Wie soll ich da her kommen?“, fragt sich Gregor Glaremin und versucht, an einem 3er Touring vorbei auf den Zuweg zu einem Haus zu fahren. Es passt nicht. Glaremin muss absteigen, die Zeitungen nehmen und zu Fuß zur Haustür gehen. Das sind zwar „nur“ 50 Meter, aber kostet Zeit. Zeit, für die er nicht bezahlt wird – denn der Computer, der seine Route plant und berechnet, wie viel Zeit er pro Zeitung braucht, kennt das Problem mit dem versperrten Weg nicht. Vollkommen zurecht. Denn Parken ist so nicht erlaubt.
Falschparker in Dortmund: Zum Vorbeigehen bleiben 50 Zentimeter
Aber auf der Willstätterstraße parken sie alle so, tagsüber, aber vor allem nachts. Komplett auf den Gehwegen links und rechts, „ganz am Rand, damit der Bus noch durchkommt“, sagt Glaremin. Platz für Fußgänger oder Kinderwagen bleibt keiner mehr. Das störe zum Beispiel auch die Kita, weiß Glaremin. „Vonovia hat zwar extra einen Parkplatz angelegt, aber da parkt kaum jemand“, hat der Zeitungsbote beobachtet. „Das kostet nämlich Miete.“ Also stehen alle wild auf den Gehwegen und verleiden Gregor Glaremin den Boten-Job. Teils bleiben zum Vorbeigehen nur 50 Zentimeter zwischen Mauer, Hecken und Autos. Das wird eng. Aber Alternativen zum Parken gibt‘s keine. Das weiß er selbst.
Probleme gibt es mit den Falschparkern verschiedene, sowohl mit dem Rad als auch zu Fuß. Wenn links und rechts Autos parken, wird die Straße in der Mitte so eng, dass an seinem Fahrrad kaum noch ein Auto vorbeikommt. Aber wenn er eine Zeitung zum Haus trägt, steht das Rad allein auf der Straße und versperrt den Weg. Das gibt Ärger, wenn zu später Stunde mal ein Wagen kommt. Die Leute in der Siedlung werden leicht aggressiv. An einigen Stellen könnte er ja mit dem Rad über den Gehweg fahren – aber das ist auch nicht erlaubt. Er kann es also nur falsch machen.
Enge Straßen: „Mich hat sogar schon die Polizei verwarnt“
Auch mit dem Handwagen klappt‘s nicht überall: „An einigen Stellen muss ich über die Straße gehen, weil ich auf dem Gehweg nicht vorbeikomme“, klagt der Bote. „Dafür hat mich sogar schon die Polizei verwarnt. Ist ja verboten, weil ich damit den Verkehr gefährde. Naja, und mich selbst auch.“ Ein einzelner Wagen, der den Bürgersteig versperrt, reiche schon: Gerade am Anfang seiner Tour wiege der voll beladene Handkarren knapp 100 Kilo. „Den kriegt man nicht so leicht den Bordstein runter und wieder rauf, um am Auto vorbeizukommen. Dann gehe ich lieber komplett auf der Straße.“
Auf Hilfe vom Ordnungsamt wartet Gregor Glaremin seit Monaten vergebens. Nach 20 Uhr sei man nicht mehr zuständig, hieß es. Er solle stattdessen eine Anzeige über das Beschwerdeformular der Stadt stellen. Und das tat Gregor Glaremin auch. „Anfang des Jahres habe ich sechs Wochen lang konsequent Falschparker gemeldet“, sagt er. „Zirka fünf pro Nacht, insgesamt rund 100 Autos.“ Passiert sei aber nichts. „Außer, dass ich von Anwohnern bedroht wurde, weil ich Fotos gemacht habe“, sagt er. Einmal sei sogar ein Messer im Spiel gewesen.
Sicheres Falschparken: Nach 20 Uhr kommt das Ordnungsamt nicht
Dabei ist die Gegend bei der Stadt bekannt: Vor einige Monaten stapelten sich in mehreren Nachbarstraßen die Müllsäcke, weil die EDG die Abfuhr nicht mehr schaffte. Auch hier war alles vollgeparkt. Diese Probleme seien inzwischen aber behoben, erklären EDG und Stadt einhellig. Zum Einen, weil die Vonovia die Standorte der Müllsammelplätze verlegt habe – zum anderen, weil die Stadt „festgestellte Parkverstöße konsequent sanktioniert“ habe, erklärt Stadtsprecherin Alexandra Schürmann.
Nachts sei das allerdings unmöglich, so Schürmann: „Meldungen von Parkverstößen, die nachts geschickt werden, werden zu Dienstbeginn am nächsten Morgen durch den Innendienst gesichtet und den personellen Kapazitäten entsprechend an die Kräfte des Außendienstes weitergegeben, um Kontrollen stattfinden zu lassen.“ Heißt: Akut passiert nichts. Aber am Morgen seien die Autos meist weg, meint Gregor Glaremin schulterzuckend.
Gesetzliche Park-Regeln: Stadt darf keine Hinweisschilder aufstellen
Natürlich wäre es schön, wenn zusätzliche Schilder auf Parkregeln und -verbote hinweisen könnte, meint er. „Aber ich weiß ja, dass die Stadt das nicht darf.“ Und damit habe er vollkommen recht, bestätigt Stadtsprecherin Schürmann. Nicht einmal in der kleinen Windausstraße, die verkehrsrechtlich als „schmale Straße“ gilt, dürfe die Stadt auf das absolute Parkverbot hinweisen: „Die Straßenverkehrsbehörde darf solche allgemeinen Regelungen nicht durch zusätzliche Beschilderung verdeutlichen“ – schließlich seien die Regeln gesetzlich festgeschrieben. Leider weiß das nicht jeder. Oder es wird schlicht ignoriert, weil die Parkplatz-Not groß ist.
Also muss Zeitungsbote Gregor Glaremin mit den Falschparkern leben. Und das wird er auch. Denn bei allem Ärger: Er macht seinen Job seit über zehn Jahren gern. „Nachts, ganz allein – das kann nicht jeder“, meint er. „Dafür muss man geboren sein.“