Dortmund. Das Dortmunder Tierheim ist so voll wie noch nie, doch Anfragen gibt es kaum. Leiter Dirk Rojahn kann das nicht verstehen: „Wir haben so tolle Tiere hier.“
- Das Dortmunder Tierheim ist voll wie nie. Bei den Katzen ist die Situation besonders dramatisch.
- Wegen der vielen Tiere bleibt für die Vermittlung kaum Zeit. Dabei ist sie den Betreuern besonders wichtig.
- Deshalb hofft Leiter Dirk Rojahn, dass künftig wieder mehr Menschen Kontakt zum Tierheim suchen.
Der Lärm ist ohrenbetäubend. Die Hunde bellen, was das Zeug hält, winseln, springen ans Gitter. Jeder will auf sich aufmerksam machen, sobald ein Besucher den Gang mit den Zwingern betritt. Denn jeder von ihnen hofft, dass dieser Mensch vielleicht der ist, der ihn mit nach Hause nimmt. Doch meist hoffen sie vergeblich.
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Über 300 Tiere warten derzeit im Dortmunder Tierheim auf ein neues Zuhause – mehr als je zuvor. Alle Bereiche sind voll. 67 Hunde sitzen in den Boxen, kein Zwinger steht leer. Doch Anfragen gibt es kaum. „Noch dramatischer ist die Situation bei den Katzen“, sagt Tierheimleiter Dirk Rojahn. Für 60 habe das Tierschutzzentrum an der Hallerey in Dorstfeld eigentlich Platz, doch derzeit müssten 130 untergebracht werden. Da heißt es zusammenrücken, jeder freie Raum ist belegt.
Überbelegung im Tierheim Dortmund ist nicht nur eine Corona-Spätfolge
Eine Ursache dafür sind die Corona-Langzeitfolgen. Viele Tiere, die in der Pandemie angeschafft worden sind, sind spätestens dann im Heim gelandet, als ihre Besitzer ins Büro zurückkehren mussten. Doch Chef Rojahn erlebt im täglichen Geschäft noch andere Gründe: „Wegen der Inflation und gestiegenen Lebenshaltungskosten können sich manche den Unterhalt einfach nicht mehr leisten.“ Ein weiterer Teil der Tiere im Zentrum stamme aus dem Ausland. „Die werden unbesehen übers Internet vermittelt und hergebracht. Wenn es dann mit der Haltung nicht funktioniert, dann landen sie bei uns.“
Doch nicht nur Hunde und Katzen machen Rojahn und seinem Team zu schaffen. Da sind ja auch noch die Kleintiere. Kaninchen, Vögel, Schildkröten. Und dazu eine Menge Neuankömmlinge. „Erst vor rund zwei Wochen sind uns 18 Meerschweinchen gebracht worden“, berichtet Rojahn. Fundtiere, die in einem Waldstück ausgesetzt worden waren. Nicht alle in guten Zustand und vier von ihnen trächtig. Inzwischen haben sie ihren Nachwuchs bekommen. Das Tierheim wird zur Kinderstube. Das ist ein Problem, denn Kleinvieh macht nicht nur Mist, sondern auch Arbeit.
Bei Überbelegung steigt die Gefahr von Krankheiten
Bei so vielen Lebewesen, die versorgt und betreut werden müssen, stößt das Team an seine Grenzen. 13 gelernte Tierpfleger, vier Azubis und 15 Helfer, die vom Jobcenter vermittelt wurden, kümmern sich rund um die Uhr um das Wohl der Heim-Bewohner. Füttern, Fahrten zum Tierarzt, reinigen. „Wir müssen noch stärker als sonst auf Sauberkeit achten“, betont der Chef. Überbelegung mache das Heim anfällig für Krankheiten. „Das ist eine gefährliche Situation.“
Dass bei so viel Arbeit die Streicheleinheiten manchmal zu kurz kommen, ist kein Wunder. Füttern geht nun einmal vor. Ein wenig Extra-Zuwendung bekommen die Tiere von Ehrenamtlern, die regelmäßig mit den Hunden spazieren gehen. Außerdem hat Rojahn „Katzenkuschler“ engagiert. Die schmusen nicht nur mit den Samtpfoten, sondern beobachten sie dabei auch ganz genau. Welche ist schüchtern, welche braucht Zuwendung, welche hat Macken? Diese Infos geben die Kuschler dann ans Team weiter. „Eine ganz wichtige Aufgabe, die ich mir auch für die Kaninchen vorstellen könnte“, so der Chef. „Das Wissen hilft uns bei der Vermittlung sehr.“
Es bleint kaum noch Zeit für Vermittlung
Die liegt Rojahn in diesen Tagen besonders schwer im Magen. „Wir haben kaum noch Zeit dafür“, klagt er. Eine gute Vermittlung gehe nun einmal nicht hopplahopp – und das soll trotz aller Platznot auch so bleiben. „Wir machen das nicht unter Druck, sondern nehmen uns Zeit dafür, dass das vernünftig über die Bühne geht“, betont er. Denn wenn die Menschen zufrieden seien, dann sei es auch das Tier. „Und wir wollen ja keines von ihnen hier wiedersehen.“
Doch trotz aller Nöte und Sorgen will Rojahn nicht jammern. „Ärmel hochkrempeln und helfen“, das ist seine Devise. Deshalb will er eigentlich gar nicht davon sprechen, was fehlt, sondern darüber, was es im Überfluss gibt: „Wir haben so viele tolle Tiere hier“, sagt er. Wer überlege, sich eines anzuschaffen, werde im Tierheim ganz sicher fündig.
Nicht nur Bestien und Biester in den Zwingern
Junge Katzen, alte Katzen, Rassekatzen, Freigänger und Stubentiger – alles da: „Da findet sicher jeder das Richtige“, versichert der Tierheim-Leiter. Auch bei den Hunden gebe es viele, die problemlos vermittelt werden könnten. „Wir haben nicht nur Bestien und Biester hier“, wehrt sich Rojahn gegen ein geläufiges Vorurteil. Sicherlich müsste mit einigen Tieren noch ordentlich gearbeitet werden, aber für Menschen, die etwas Hundeerfahrung mitbrächten, sei es kein Problem, im Zentrum in Dorstfeld einen tollen Wegbegleiter zu finden. „Sie sollten herkommen, die Not ist groß.“
Für manche Hunde würde es Rojahn ganz besonders freuen. Für Else, die kleine, alte Grantlerin, die eigentlich eine ganz liebe ist. Für Gabby, die Dobermann-Hündin, die vor Energie nur so strotzt. Für Huntsman, den tollen, jungen Kangal, der wohl misshandelt worden ist. Und vor allem für Milow, den tauben Bullterrier, der seit so vielen Jahren vergeblich auf ein neues Zuhause wartet. Auch wenn es noch so lange dauert: „Wir geben keinen von ihnen auf“, versichert der Chef. „Irgendwann kommt der richtige Kunde durch die Tür.“
So kann man spenden
Das Tierheim Dortmund ist zuständig für die Fundtiere der Stadt. Auch Tiere, die vom Amt sichergestellt werden, kommen ins Zentrum an der Hallerey. Eine dritte Gruppe sind Notpflegen: Tiere von Alleinstehenden, die sich etwa wegen eines Krankenhausaufenthaltes nicht mehr darum kümmern können, werden ebenfalls übergangsweise aufgenommen. Für Tiere, die von privat abgegeben werden sollen, gibt es derzeit keinen Platz.
Wer helfen will: Möglich sind Geld- und Futterspenden. Außerdem freut sich das Heim über Gutscheine von Tierbedarfs-Läden. Spenden an: Sport und Freizeitbetriebe Dortmund, IBAN: DE14 4405 0199 0001 1257 53, Verwendungszweck: 52003542 Onlinespende.
Damit das geschieht und noch mehr Menschen mit dem Tierheim in Kontakt kommen, wird das Tierschutzzentrum vermutlich bald wieder reguläre Öffnungszeiten anbieten. „Wahrscheinlich am Samstag“, so Rojahn. „Wir tasten uns da ran, damit auch die unscheinbaren Tiere aus der zweiten Reihe eine Chance auf Vermittlung haben.“ Denn das sei den Mitarbeitern bei allem Einsatz und dabei vergossenem Herzblut immer klar: „Wir sind eine Übergangsstation.“ Im Heim hätten es die Tiere warm und sauber, seien medizinisch versorgt. „Aber ein Zuhause können wir nicht ersetzen.“
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