Dortmund. Zum EM-Start haben Hooligans für Schlagzeilen gesorgt. Ist damit auch bei den kommenden Spielen zu rechnen? Ein Experte schätzt die Lage ein.
Der EM-Auftakt wurde das erhoffte Fußballfest: Zehntausende Fans feierten friedlich ihre Mannschaften, der Sieg der DFB-Elf im Eröffnungsspiel erzeugte bereits einen Hauch von Euphorie. Getrübt wurde das Bild von einer vergleichsweise kleinen Gruppe: Während in Dortmund die Polizei einen Angriff italienischer Hooligans in letzter Minute unterbinden konnte, lieferten sich Serben und Engländer in Gelsenkirchen eine heftige Schlägerei. Muss in Dortmund auch an den kommenden Spieltagen mit gewaltbereiten Fans gerechnet werden?
Das sei schwer vorherzusagen, sagte der Fanforscher Harald Lange im Vorfeld des Turniers gegenüber der Redaktion: „Es hängt auch davon ab, wie gut die Polizei vorbereitet ist.“ Grundsätzlich sieht Lange, der an der Uni Würzburg lehrt, auch bei den weiteren in Dortmund angesetzten Spielen durchaus ein Risiko.
Gewaltbereite Fanszenen vor allem in Osteuropa ein Problem
„Problematisch ist es vor allem im Umfeld der osteuropäischen Nationalmannschaften“, sagt der Wissenschaftler. Er nennt Ungarn, insbesondere aber Serbien, wo es viele gewaltbereite, politisch rechts orientierte Fanszenen gebe. „Da bestehen Verbindungen zum Militär und zu mafiösen Strukturen. Wenn die kommen, muss die Polizei immer wachsam sein.“
+++ Folgen Sie der WAZ Dortmund auf Facebook und Instagram +++
Serbische Fans fielen am Samstagnachmittag in Gelsenkirchen auf, als sie mit Engländern kämpften und dabei den Außenbereich einer Gaststätte verwüsteten. Ihre Mannschaft bestreitet in Dortmund kein Gruppenspiel, könnte allerdings – sollte sie in der Gruppe C Platz 2 erreichen – im Achtelfinale im Westfalenstadion antreten. Sportlich wohl eher unwahrscheinlich, aber: als Gegner wäre dann sogar Ungarn möglich.
Diese fünf Spiele werden noch in Dortmund ausgetragen:
- Dienstag, 18. Juni, 18 Uhr: Türkei - Georgien (Gruppe F)
- Samstag, 22. Juni, 18 Uhr: Türkei - Portugal (Gruppe F)
- Dienstag, 25. Juni, 18 Uhr: Frankreich - Polen (Gruppe D)
- Samstag, 29. Juni, 21 Uhr (Achtelfinale): Sieger Gruppe A - Zweiter Gruppe C
- Mittwoch, 10. Juli, 21 Uhr (Halbfinale): Sieger VF3 - Sieger VF4
Polen und Türkei in Dortmund: Heimspielatmosphäre zu erwarten
Ein Problem mit Hooligans hat auch der französische Fußball. Die Perspektivlosigkeit in den Vororten großer Städte treibe viele Jugendliche in das Umfeld gewaltbereiter Fanszenen. „Bei Olympique Marseille zum Beispiel bekommt die Polizei das seit Jahren überhaupt nicht in den Griff“, erklärt Harald Lange.
Grundsätzlich müsse man bei Spielen der französischen Nationalmannschaft – sie tritt am 25. Juni in Dortmund gegen Polen an – immer mit solchen Fans rechnen. Angesichts aufwendiger Ticketvergabe und hoher Preise könne jedoch ihre Reisebereitschaft durchaus angezweifelt werden.
Polen zählt der Experte zu den Ländern mit dem größten Risikopotenzial. Der polnische Fußball ist berüchtigt, im Vorjahr wurde sogar bei einer Straßenschlacht zwischen Hooligans ein Mann getötet. Beim ersten Gruppenspiel der Mannschaft am Sonntag in Hamburg gab es allerdings keine Zwischenfälle dieser Art. Spiele des polnischen Teams werden gerade im Ruhrgebiet von den vielen hier lebenden Fans dominiert: „Da ist Heimspielatmosphäre zu erwarten, wie auch bei den Spielen der Türkei“, sagt Lange.
Die Polizei in NRW ist sehr fußballerfahren
Die Polizei Dortmund hat sich nach eigenen Angaben auf verschiedene Szenarien vorbereitet. „Dazu gehört möglicherweise auch aggressives und gewalttätiges Fanverhalten“, sagte Einsatzleiter Achim Stankowitz im Rahmen eines Pressegesprächs kurz vor der EM. Was es der Polizei tendenziell schwerer macht: Während man im normalen Ligabetrieb die Fanszenen der Clubs gut kenne, sei es schwerer, Informationen zu mitreisenden Fans der Nationalmannschaften zu erhalten.
Auch interessant
Nach der Partie Italien - Albanien sah die Polizei ihre Einsatzstrategie jedenfalls bestätigt: Der Marsch von rund 10.000 Albanern blieb störungsfrei, die rund 50 italienischen Risikofans wurden festgesetzt, ehe sie Schaden anrichten konnten. Sie hatten sich mit gefährlichen Gegenständen bewaffnet und wollten in der Nähe der Thier-Galerie eine Gruppe Albaner attackieren.
„Passieren kann immer etwas“, sagt Fanforscher Lange, doch er gehe insgesamt von einem friedlichen Turnierverlauf aus – auch, weil die Polizei in Deutschland, insbesondere in NRW sehr fußballerfahren und mit den Behörden im Ausland gut vernetzt sei. Einschlägig bekannte Fans könnten dadurch im Vorhinein ausfindig und im besten Fall bereits an der Grenze gestoppt werden.