Mellen/Balve. Der Titel klingt drastisch. Und spiegelt doch eine Entwicklung wider. Die Journalistin Solveig Flörke hat für den WDR recherchiert.
Tod im Vereinsheim: der Titel klingt drastisch. Und spiegelt doch eine Entwicklung wider, die nicht nur Vereinen im Sauerland Sorgen macht. Die Journalistin Solveig Flörke hat für einen WDR-Film mehrere Monate recherchiert, Gruppen und Vereine aus Balve und insbesondere ihrer Heimat Mellen stehen im Mittelpunkt, den Ausschlag gab ein Hilferuf von Rot-Weiß Mellen. Die Reportage läuft am späten Mittwochabend (22.15 Uhr) im WDR-Fernsehen. Schon etwas früher kann man beim Public Viewing in der Mellener Schützenhalle dabei sein. Ein neues Projekt in Mellen hätte es ohne die Recherche nie gegeben.
„Es wird sehr emotional“, ist sich Björn Freiburg sicher. Der umtriebige Mellener spielt eine der, oder besser die Hauptrolle in der WDR-Story, die Solveig Flörke zusammen mit Marko Rösseler gedreht hat. Nun fiebert er darauf hin, das fertige Ergebnis sehen zu können. Das Titelbild der Ankündigung beim Westdeutschen Rundfunk zeigt Freiburg, wie er im leeren Vereinsheim von Rot-Weiß Mellen sitzt, dazu kommt der eingangs genannte, wenig Hoffnung vermittelnde Titel.
Krise gab Anlass zur Recherche
Die Krise von RW Mellen war es auch schließlich, die Journalistin Solveig Flörke den Anlass gab, mit der Recherche zu starten. Nachdem zunächst kein neuer Vorsitzender beim Traditionsverein gefunden werden konnte, erklärte sich Björn Freiburg bereit, diesen Posten zu übernehmen. Neben etlichen anderen Aufgaben und Ämtern, die der Mellener innehat. Und er ging mit einem Brandbrief an die Öffentlichkeit, dass ohne weitere Mitstreiter, die vakante Vorstandsposten übernehmen, der Verein auf sein sicheres Ende zusteuere. Nach mehr als 100 Jahren. „Ich bin selber gar nicht Mitglied im Verein. Aber ich habe mir gedacht: Das kann doch nicht sein“, erzählt Solveig Flörke. Und wollte herausfinden, wie es anderswo den Vereinen ergeht.
Im ländlichen Sauerland, aber auch im urbanen Ruhrgebiet hat sie recherchiert. Und reiste in Deutschlands nördlichste Gemeinde, nach List auf Sylt, wo es nicht mehr genügend Freiwillige für die Feuerwehr gab. Und deshalb Einwohner verpflichtet worden sind, zum ersten Mal in Deutschland seit dem Zweiten Weltkrieg.
Aber den Schwerpunkt ihrer Beobachtungen bilden Balve und Mellen. Beim Sportverein Rot-Weiß ging die Krise bekanntlich gut aus, fast einem Wunder gleich fanden sich Anfang des Jahres bei der Versammlung Kandidaten für die freien Posten. Solveig Flörke hat auch Chöre und Schützen aus Balve und Mellen begleitet, weitere Sportvereine, die auch Integrationsarbeit für Flüchtlinge leisten, die Jagdhornbläser oder die Mellener Dorfkümmerer.
Eine ihrer Erkenntnisse: Die Bereitschaft zum Ehrenamt im Verein sinkt, eine düstere demografische Prognose im ländlichen Raum komme häufig dazu. Flörke erinnert an die Bertelsmann-Studie, die dem Märkischen Kreis und dem benachbarten Hochsauerlandkreis mit die schlechtesten Bevölkerungsprognosen für NRW ausstellt.
Aber natürlich hat sie auch positive, Mut machende Beispiele gefunden. Die Dorfenergiegenossenschaft als ganz junger Zusammenschluss, mit einem klaren Auftrag und Ziel, kommt im Film auch vor. Als ein gerade durch die Gesetzesbeschlüsse neu geschaffenes Phänomen beleuchtet sie auch Cannabisvereine. Vor allem aber blickt sie auf handelnde Personen in ihrer Heimat.
Film zeigt den Alltag
Björn Freiburg muss neben und auch wegen der zeitintensiven Herausforderungen des Ehrenamtes mit privaten Krisen umgehen. Der Film, wofür ihn die Kamera viele Stunden begleitet hat, zeigt ihn auch im Alltag, beim Einkaufen für seinen Landmarkt, bei der Arbeit in der Podologiepraxis. „Man muss ja auch als Ehrenamtler irgendwie noch arbeiten gehen“, lacht Freiburg dazu.
„Aber viele sind nicht bereit, sich für vier Jahre in ein Amt wählen zu lassen.“
Weiter hat Solveig Flörke festgestellt, dass die Bereitschaft für befristet Projekte durchaus da ist bei den Menschen. „Aber viele sind nicht bereit, sich für vier Jahre in ein Amt wählen zu lassen.“ Hoffnungslos will sie nach ihren Beobachtungen nicht sein: „Oft geht es irgendwie weiter, aber anders.“
Die WDR-Story „Tod im Vereinsheim“ ist 45 Minuten lang, gut ein halbes Jahr haben Flörke und Rösseler recherchiert und gedreht. Im Fernsehen läuft der Film am Mittwoch, 4. September, um 22.15 Uhr. Schon früher kann man ihn sich beim Public Viewing in der Mellener Schützenhalle in womöglich großer Gemeinschaft anschauen. Nicht nur die vielen heimischen Protagonisten der Story, auch alle Interessierten sind eingeladen, hier gemeinsam zu gucken. Die Türen öffnen um 18 Uhr, Solveig Flörke hat sich vom TV-Sender extra die Genehmigung für eine etwas frühere Ausstrahlung geholt. Für das leibliche Wohl in der Halle ist dann auch gesorgt. Das Thema Ehrenamt und Vereine, so erzählt die Journalistin, habe beim WDR eine derartige Resonanz hervorgerufen, dass sich alle Radiowellen am Mittwoch im Rahmen eines Thementages damit beschäftigen werden.
Und was hat sie auch persönliches Neues gelernt und erfahren, was hat sie bewegt durch das Filmprojekt? „Dass es in Mellen mal einen Kinderchor gab, darauf bin ich erst durch die Arbeit an dem Film gestoßen.“ Und es reifte die Idee, diesen Chor wieder aufleben zu lassen. Die erste Schnupperprobe fand vergangene Woche statt. Neubeginn statt Tod im Vereinsheim.