Garbeck. 34 Jahre lang war Franz-Josef Stein Förster in Neuenrade. Das prägendste Erlebnis war für den Garbecker Monstersturm „Kyrill“.
Er lacht, er wirkt entspannt: Franz-Josef Stein (65) ist mit sich im Reinen. 34 Jahre lang hat der Garbecker für das Forstamt Lüdenscheid gearbeitet. Seit Anfang Dezember ist Schluss. Der Förster hat die Geschäfte in Neuenrade an Nachfolger Frank Bossong übergeben. Im Gespräch mit der Westfalenpost blickt er zurück. Das prägendste Erlebnis war für Stein die Nacht, als „Kyrill“ wütete. Er konnte dem Sturm auf dem Ebberg in Garbeck bei Vernichtung eines Hangwaldes zusehen. Steins Erinnerungen sind detailreich wie ein Film. Doch sind kein Film; sie spiegeln die Realität. Was war passiert?
„Gegenüber von unserem Haus war Wald“, erinnert sich Stein, „dicke Fichten. Zwei davon sind auf unser Dach gefallen, Gott sei Dank ist der Dachstuhl nicht beschädigt worden.“ Das war vor dem 18. Januar 2007. Seit dem 19. Januar 2007 blickt Franz-Josef Stein auf eine Wiese, Richtung Kuppe stehen vereinzelte Bäume, der eigentliche Wald beginnt erst auf dem Kamm.
Mittags wird Stein, wie seine Kollegen, in Lüdenscheid vom Deutschen Wetterdienst informiert: Sturmwarnung. Um 16 Uhr ist er zurück in Garbeck. Franz-Josef Stein steigt aus dem Auto: „Da habe ich einen Krach gehört: Zwei Bäume sind umgefallen, mitten im Wald.“
Das ist nur der Anfang. Ab 18 Uhr stürmt es richtig. Steins Haus liegt auf 320 Metern Höhe, deutlich überm Dorf. Er weiß, dass es eine deutliche „Windexposition“ hat: Lüftchen in Garbeck sind Böen auf dem Ebberg. Doch jetzt stürmt es, erst aus Südwest. Dann dreht der Wind auf Nordnordwest. Unvermittelt wird der Wald von hinten angegriffen. Mit dramatischer Folge: „Der Waldrand fiel um.“ Dann dreht der Wind erneut auf Südsüdwest. „Da war die Tür für den Sturm offen: Der schützende Waldrand war weg. Dann ging das Schlag auf Schlag. Der Wald fiel aber nicht mit einem Mal um, sondern in Etappen.“ Der Wind frischt weiter böig auf. Die Bäume biegen sich unter 45 Grad. „Das war begleitet von einem dumpfen Grollen, und so ging das weiter und weiter.“ Zu Windgeräuschen gesellen sich Waldgeräusche, bis Mitternacht. „Noch um zwölf habe ich das Knacken und Brechen der Bäume gehört.“ Dann, nach acht Stunden, ist Schluss.
Ganzes Lebenswerk am Boden
Am nächsten Tag, morgens um sechs, tritt Stein vor die Haustür: „Das war verheerend. Ein Kollege (Norbert Tennhoff; Red.) kam zu mir. Der wohnte damals unten in der Garbeck an der Märkischen Straße. Er kam.
Aber sagte er nicht: ,Guten Morgen’. Er sagte: ,Das ist ja wohl das Ende der geregelten Forstwirtschaft.’ Ich sagte zu ihm: Norbert, sieh’ das mal nicht so dramatisch. Komm, wir gucken uns den Schaden mal an. Und meine erste Schätzung war: Schadmasse 50.000 bis 60.000 Festmeter. Zum Vergleich: Unser ganzer Jahreseinschlag lag bei ungefähr 10.000 Festmetern.“ Der Wald liegt am Boden, aber die Forstwirtschaft zunächst auch. „Man konnte ja nirgendwo hin. Die Bäume lag kreuz und quer. Ich bin dann aber trotzdem mal rein in den Wald, habe das aber sehr schnell sein lassen, weil ich dachte: Wenn Du mal ‘runterfällst, findet man Dich erst im nächsten Frühjahr wieder, halb verwest.“
Bei seiner Schätzung liegt Stein daneben: zu niedrig. Am Ende sind es 212.000 Festmeter Holz, die „Kyrill“ geknickt hat. Folgehiebe treiben die Summe weiter nach oben. Bilanz 2012: 280.000 Festmeter. Im Hönnetal liegt das Lebenswerk vieler Waldbauern am Boden.
Dennoch sieht Stein einen Unterschied zum Borkenkäfer-GAU: „,Kyrill’ war ein regionales Ereignis. Der Holzabsatz war in befriedigendem Maße möglich. Der Markt war nur kurzfristig gestört. Wir haben nach ,Kyrill’ so viel Geld erwirtschaftet, dass die Flächen wieder aufgeforstet werden konnten.“ Zudem können die Neuanpflanzungen gepflegt werden. Dann fräst sich der Borkenkäfer durchs Gehölz, bis nach Norwegen. Fatale Folge: „Die Holzmärkte in Europa sind komplett zu.“