Ruhrgebiet/Bochum. Unerwartet hält sich der Stau vor der Brückenbaustelle in Grenzen – noch. Warum Verkehrsexperten das Ferienende fürchten. Und das Wetter.
Am ersten Tag hat das Ruhrgebiet sich noch ein bisschen gewundert. Am zweiten hat es schon kaum mehr hingesehen, am dritten sich entspannt zurückgelehnt: Die A40 ist dicht, mehr als eine Woche schon, aber Grund ist diesmal kein Stau. Denn Stau ist gerade nicht – obwohl die Autobahn für Monate gesperrt ist. Doch Verkehrs-Experten atmen noch nicht auf, sie fürchten die kommende Woche. Und das Wetter.
Elfriede Sauerwein-Braksiek war vielleicht nicht überrascht, die Direktorin der Niederlassung Westfalen der Autobahn GmbH kennt die A40 sowieso als leistungsfähigste unter den Ruhrgebiets-Strecken. Weil der Ruhri seinen Schnellweg kennt und kann, was ihm seit Jahren abverlangt wird: schnell einfädeln, geschickt die Spur wechseln, viel Verkehr aushalten. Die GmbH kennt den Ruhrschnellweg als Pendlerautobahn, „die Menschen im Ruhrgebiet stellen sich schnell auf solche Veränderungen ein“, sagt auch Nicola Santen als „Teamleiterin Verkehr Außenstelle Bochum“.
Auf Sperrungen auch. Diese nun aber, an der Schlachthofbrücke in Bochum, ist so lang in Raum und Zeit (mehr als drei Monate!), da war selbst das Revier auf Chaos eingestellt. Zumal Richtung Westen bei Duisburg noch bis Montag ein weiteres Teilstück der Autobahn gesperrt ist – anstrengend zumindest für jene, die an beiden Stellen vorbei müssen.
Querspange hilft: Autobahn 448 ist rechtzeitig fertig geworden
Und jetzt: Es läuft. Hier mal ein Stäuchen im Berufsverkehr, dort mal etwas Stillstand an einer Stelle, an der es auch ohne Baken und Absperrgitter häufig zäh floss, aber vor der Sperrung mehr als seither. „Überrascht“ zeigt sich der ADAC Westfalen, man hatte doch vielstimmig gewarnt. Die Kommunikation im Vorfeld, sagt Sprecher Till Westermann, sei gut gelaufen, Hinweisschilder hätten die Autofahrer frühzeitig vorbereitet. „Die Verkehrsteilnehmer konnten sich also Ausweichstrecken suchen oder mit dem Arbeitgeber über Homeoffice-Möglichkeiten sprechen.“ Zwei Jahre, sagt die Autobahn GmbH, hätten die Leute dafür Zeit gehabt, „das zahlt sich jetzt aus“.
Beste dieser „Ausweichstrecken“ dürfte die gerade fertige A448 sein. „Eine Umleitungsstrecke“, sagt Nicola Santen, „die den Verkehr gut aufnehmen kann.“ Auch der ADAC lobt die Planung: Obwohl die schon vor Jahren begonnen hat, war die Bochumer Querspange – von Fachleuten „4, 4, 8“, von Bürgern „Vierhundertachtundvierzig“ genannt – bis auf eine kleine Hürde exakt zum Tag der Sperrung weitgehend frei. Wo noch während der Reparatur der Brücke am Schlachthof vor zwei Jahren die Umleitung über A448, 43, 44 und 45 zurück auf die 40 führte, fließt der Verkehr nun ab Kreuz Dortmund/Witten bei Persebeck über die A45 wieder nach Norden. Der Weg zwischen Dortmund und Essen verlängert sich durch die Baustelle um fünf bis acht Kilometer.
Kommende Woche wird zeigen, „wie leistungsfähig die Umleitungsstrecke ist“
Was natürlich auch hilft gegen stockenden Verkehr: der „verkehrstechnisch günstige Zeitpunkt der Sperrung am Ende der Sommerferien“, wie der ADAC-Sprecher sagt. Die sind nun aber bald vorbei. Die letzten Urlauber dürften am Wochenende zurückkehren, am Montag wieder ins Arbeitsleben starten. Am Mittwoch, 21. August, beginnt die Schule wieder; Lehrkräfte brüten schon jetzt über der Vorbereitung des neuen Schuljahrs.
Spätestens also zum Beginn der kommenden Woche werde sich zeigen, vermutet der ADAC, „wie leistungsfähig die Umleitungsstrecke tatsächlich ist“. Man rechne „mit deutlich höherem Verkehrsaufkommen zu den Stoßzeiten und dann auch vermehrt mit Staus“. Auch Nicola Santen weiß, dass die „vergleichsweise entspannte“ Situation womöglich nicht von Dauer sein wird: „Natürlich müssen wir abwarten, wie sich der Verkehr nach dem Ferienende entwickelt.“
Wie „schlimm“ es wirklich wird, hat dann auch mit der Witterung zu tun, sagt Felix Tillmann. Denn bei Regen und Kälte stiegen vermehrt Menschen vom Fahrrad wieder auf das Auto um, durch schlechtere Sichtverhältnisse könne es häufiger zu Unfällen kommen – und in der Folge zu Staus.
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Und dann ist da ja auch der innerstädtische Verkehr. Hier, berichten vor allem Bochumer selbst, drängeln sich die Autos auf Schleichwegen und vor Ampeln dann doch. Und auch auf der A42, eigentlich Parallel- und damit Ausweichstrecke, ist die Lage weniger übersichtlich. Seit auch hier, bei Bottrop, eine Brücke so marode ist, dass sie Lkw nicht mehr tragen kann, verlagert sich viel Schwerlastverkehr auf die A40 – was nun auch nicht mehr geht. „Ein weiteres Hindernis in der täglichen Routenplanung“, nennt der ADAC die Schlachthofbrücke und rät, „den ganzen Bereich großräumig zu umfahren“. Bleibt also nur noch die A2, wenn es denn von West nach Ost gehen muss, weshalb auch Sprecher Tillmann ahnt: „Für ortsansässige Speditionen und den täglichen Lieferverkehr wird es ohne Verzögerungen voraussichtlich nicht gehen.“
Abriss am Samstag: Dann ist die Schlachthofbrücke Geschichte
Was also auch immer ab Montag passiert im Revier: Es wird ein Zustand von Dauer sein. Die A40 bei Bochum bleibt bis in den November gesperrt. Eine Zeit, die ohnehin zu den verkehrstechnisch schwierigsten gehört, wegen des Wetters, des Vorweihnachtsverkehrs, der Eben-nicht-Urlaubszeit. Währenddessen geht es aber wenigstens auf der Baustelle selbst voran: Leitplanken, Kabel, Schilderbrücken sind planmäßig abgerissen und abtransportiert worden. Am kommenden Samstag, 17. August, wird die Schlachthofbrücke selbst abgerissen. Deshalb werden Güterzüge für zwei Wochen umgeleitet. Schon ab Freitag kann auch die Bahn unter der Bahn nicht mehr fahren.