Hagen. Christopher Schmitt ist seit 1. Januar neuer Geschäftsführer von „Hagen.Wirtschaftsentwicklung“ (Ex-Hagen-Agentur). Das große Interview.
Und dann steht er plötzlich mitten im Wald. Nicht im übertragenen Sinne. Im wörtlichen. Weil es im Hagener Wald – trotz der Borkenkäferplage und trotz der jüngsten Stürme – immer noch schön ist. Weil er selbst sich als leidenschaftlicher Mountainbike-Fahrer auf diesem Terrain wohlfühlt und weil er in seiner Eigenschaft als neuer Geschäftsführer von „Hagen.Wirtschaftsentwicklung“ (Ex-Hagen-Agentur) auch für Tourismus zuständig ist und schauen wollte, welche Potenziale sich bieten. Gestatten: Christopher Schmitt, promovierter Jurist, bis vor kurzem Dezernent in Gelsenkirchen, seit dem 1. Januar in Hagen.
Sie werden Hagen also zu einem Mountain-Bike-Mekka entwickeln?
Christopher Schmidt Der Wald hat es mir hier jedenfalls angetan. Zuerst war ich zum Wandern auf dem Drei-Türme-Weg, da steckt ja viel Herzblut von meiner Kollegin Kirsten Fischer drin. Mein Hund dachte übrigens wohl erst, dass das nur ein kleiner Spaziergang würde und ist gleich ordentlich losgeflitzt, um auch bloß auf seine Kosten zu kommen. Nach den insgesamt mehr als zehn Kilometern war sein Mütchen dann doch erkennbar gekühlt. Das Mountainbike-Revier habe ich zunächst einmal getestet. Aber ich muss schon sagen, ich bin begeistert. Im Ruhrgebiet habe ich landschaftlich und auch von den Trails her noch nichts Vergleichbares gesehen – touristisches Potenzial ist also da – wenn man es gut macht, übrigens bis nach Holland. Aber mir ist auch klar: Das Thema ist heikel, und wenn man da etwas entwickeln möchte, müssen viele – auch widerstreitende – Interessen unter einen Hut gebracht werden.
Sind Sie denn im neuen Job schon richtig angekommen?
Jedenfalls fühle ich mich sehr wohl. Ich bin ausgesprochen freundlich aufgenommen worden, z.B. in der Politik, in der Verwaltung – allen voran durch Herrn Schulz, bei den Unternehmen, in meinem Team und bei den vielen anderen Akteuren in der Stadt – soweit ich sie schon treffen konnte. Aber natürlich bin ich noch in einer Phase der Orientierung und des Kennenlernens, gewinne viele Eindrücke, bekomme Einblicke. Dazu führe ich viele Gespräche und erkunde die Stadt. Das ist eine spannende Zeit für mich, das genieße ich auch.
Und wie ist Ihr erster Eindruck von Ihrem neuen Wirkungsort?
Mein erster Weg hat mich ins M12 in die Innenstadt geführt, weil dort ja mein Schreibtisch steht – dieses offene und lässige Ambiente hat mich direkt angesprochen. Bei den ersten Betriebsbesuchen habe ich dann gleich die Kaltwalzindustrie kennengelernt. Und obwohl ich als Gelsenkirchener ja mit Industrie aufgewachsen bin, haben mich diese Betriebe mit ihrer prominenten Position auf dem Weltmarkt tief beeindruckt, das ist wirklich stark. Und auch die Fernuni hat tiefen Eindruck bei mir hinterlassen. Dass eine bundesweit so bedeutende Bildungseinrichtung dem Standort Hagen so zugewandt ist, das ist wirklich erfreulich.
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Was haben Sie denn außer dem Wald schon selbst erkundet?
Natürlich stand gleich eine Tour zu all den Potenzialflächen in Hagen auf dem Programm – es ist schon etwas anderes, mit den Füßen auf einem Grundstück zu stehen als nur auf eine Karte zu gucken. Mit Herrn Schwemin hatte ich da natürlich den besten Führer, er könnte zu jeder Fläche ein Buch schreiben. Ein Highlight war für mich die Eröffnung der Bryan-Adams-Ausstellung. Bei der Gelegenheit war ich zum ersten Mal im Osthaus- und auch gleich im Emil-Schumacher-Museum. Mit solchen Museen könnte man sich auch locker in Düsseldorf oder in Berlin sehen lassen. Weltstars wie Bryan Adams und Sylvester Stallone ins Museum zu holen, das ist schon ein Coup. Diese Ausstellungen haben Hagen bundesweit in die Feuilletons gebracht. Und selbst Zeitungen ohne Kulturteil haben groß darüber berichtet. Das ist ein Marketingeffekt, den Hagen.Marketing selbst mit aufwendigen Kampagnen nicht erreichen könnte. Toll fand ich auch den Hohenhof, wo ich eine spannende Führung bekommen habe. In der Innenstadt bin ich natürlich auch viel unterwegs und habe dort auch schon so meine Lieblingsgeschäfte. Für meine Frau und meine Kinder bringe ich jetzt oft Brot aus Hagen mit, das steht gerade ganz hoch im Kurs.
Ihr Vorgänger hat das Projekt „Hagen Horizonte“ auf den Weg gebracht, dann hat er die Stadt mitten in einem Prozess, in dem vieles noch sehr theoretisch anmutete, verlassen...
Ich bin Herrn Ruff dankbar für diesen Impuls. Wenn man eine Wirtschaftsförderung übernimmt, ist man natürlich gut beraten, zunächst einmal das neue Terrain gründlich zu sondieren, um dann im nächsten Schritt entscheiden zu können, wo die Hebel angesetzt werden müssen. Mit #HAGENhorizonte2035, wie das Kind ja mit Vor- und Zunamen heißt, ist da wichtige Vorarbeit geleistet worden, an die ich gerne anknüpfe. Zum einen haben die Standortanalyse von Prognos und auch die Expertengespräche mit diversen Hagener Protagonisten eine gute Arbeitsgrundlage geschaffen. Zum anderen hat sich durch das Engagement der externen Partner wie etwa der SIHK und der Fernuni gezeigt, dass es in Hagen eine Aufbruchstimmung gibt und dass Wirtschaftsförderung als Gemeinschaftsaufgabe verstanden wird. Das sehe ich auch so. Wirtschaftsförderung ist Teamsport, als Einzelkämpfer kommt man da nicht weit. Jetzt will ich mit meinem Team die Chance nutzen, den Prozess im Dialog mit den Akteuren fortzuführen und nachzuschärfen, aber natürlich auch eigene Bewertungen und Vorstellungen einzubringen und daneben auch neue Entwicklungen, etwa die Flutkatastrophe, mit zu berücksichtigen. Den Schwung von Horizonte will ich auf jeden Fall gerne nutzen.
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Ihr Vorgänger hat die Struktur von „Hagen.Wirtschaftsentwicklung“ durcheinandergewirbelt. Muss sich das Team jetzt auf die nächste Reform einstellen?
Nein. Wirtschaftsförderung, Stadtmarketing und Flächenentwicklung unter einem Dach – das ist ein sehr gutes Setting, damit kann ich arbeiten. Wenn der Strategieprozess abgeschlossen ist, muss natürlich noch geschaut werden, ob wir mit dem bisherigen Team auskommen. Aber eins nach dem anderen, form follows function. Kurzum: Ich bin froh, nicht bei Null beginnen zu müssen und eine Basis für die bevorstehende Arbeit zu haben.
Die Varta-Insel ist nicht von Altlasten befreit, auf der Westside tut sich nichts, am Böhfeld herrscht Stillstand. Um neue Industrie- und Gewerbeflächen gibt es heftige Diskussionen. Wie sehen Sie die Rolle Ihres Teams?
Gewerbeflächen sind und bleiben der Nährboden für eine gesunde Wirtschaftsentwicklung. Dass wir mit der Hagen.Areal überhaupt in die Lage versetzt sind, Flächen zu erwerben, zu entwickeln und zu vermarkten, das ist schon mal ein Pfund. Man muss sich klar machen: Bei jeder Fläche, die wir in den eigenen Bestand bekommen, können wir mit Verwaltung und Politik selbst entscheiden, wem wir die Fläche für welche Nutzung geben, ohne dass ein überhasteter Verkauf durch Dritte droht. Das kann längst nicht jede Kommune, das ist ein Luxus. Die Gesellschaft ist jetzt neu am Start, ich hoffe, dass wir bald auch personell komplett sind, das Verfahren läuft. Wir gehen diese große Aufgabe jetzt mit Elan an, und zwar in enger Zusammenarbeit mit der Kernverwaltung und deren Spitze. Ich bin froh, dass ich an den wöchentlichen Sitzungen des Verwaltungsvorstandes als Gast teilnehmen kann und auch darüber hinaus einen engen Austausch mit den Vorständen und diversen Fachdienststellen habe.
Was denken Sie: Wie wird die Arbeit von „Hagen.Wirtschaftsentwicklung“ wahrgenommen?
Da sprechen Sie einen wichtigen Punkt an. Hagen.Wirtschaftsentwicklung muss in der Stadt sichtbar und präsent sein und als zuverlässiger Dienstleister wahrgenommen werden. Leuchttürme auf innovativen Feldern sind immens wichtig, gerade für eine Kommune wie Hagen mit ihren Imageproblemen. Deshalb wollen und müssen wir Impulsgeber sein. Aber nicht minder wichtig ist, dass das „Brot- und Buttergeschäft“ der Wirtschaftsförderung, also z.B. die Bestandsentwicklung mit Antrags- und Genehmigungsmanagement, Beratung bei Expansion und Erweiterung und Förderungsberatung, gut läuft. Auch das Thema Veranstaltungen, sei es zum Netzwerken, sei es zu Informationszwecken, zähle ich dazu. Und da sind jetzt zunächst einmal die Unternehmen selbst gefragt: Wie zufrieden sind sie eigentlich mit unserer Arbeit und was sind ihre konkreten Bedarfe? Dazu planen wir zurzeit eine Unternehmensbefragung. Mit Herrn Schulz habe ich außerdem vereinbart, dass wir auch nach den vielen Antrittsbesuchen, bei denen er mich oft begleitet, regelmäßig gemeinsame Unternehmensbesuche machen werden. Nähe ist ganz wichtig.
Hochwasser, A-45-Sperrung, der Ukraine-Krieg – all das sind Dinge, die Einfluss auf den Standort Hagen haben...
Das können Sie laut sagen, und Corona sind wir auch noch nicht quitt. Das sind Themen, die relativ neu sind, die wir aber im Blick haben. Natürlich entfaltet zum Beispiel der Konflikt mit Russland auch hier in Hagen seine Effekte. Die Prozesswärme bei den metallverarbeitenden Betrieben, zum Beispiel bei den Kaltwalzern im Lennetal, wird heute noch mit Erdgas erzeugt. Der ohnehin notwendige Umstieg auf grünen Wasserstoff wird jetzt noch dringlicher. Für viele Unternehmen in Hagen ist das nicht weniger als eine Schicksalsfrage. Deshalb hat das Thema bei mir hohe Priorität. Und ich bin froh, dass wir in all diesen Fragen kompetente Ansprechpartner haben, z.B. in der SIHK. Wir stehen jetzt schon in einem regelmäßigen Austausch.