Tücking. Rein äußerlich ist es eine Bank wie jede andere: Doch der Platz auf dem Tücking bietet eine tolle Fernsicht und lädt zum Verweilen ein.
Diese Bank ist mehr als eine bloße Sitzgelegenheit. Sie bietet symbolhaft einen Blick auf die vielschichtige Hagener Gemengelage. Die Radwanderung über den Ruhrhöhenweg führt von Volmarstein aus an Café Halle vorbei in das dichte Grün des Tückinger Waldes. Etwa ein Dutzend Meter abseits der Anlieger-Straße „Auf der Halle“ findet sich am höchsten Punkt dieser gemütliche Platz. Ergänzt wird der Treffpunkt mit zwei mächtigen Grauwacke-Findlingen als weitere Sitzgelegenheiten direkt an der Nahtstelle zwischen Weide- und Forst-Grün. Ein offenkundig beliebter Ort, wie der reichlich verteilte Zivilisationsmüll suggeriert. Der Mensch ist ein Dreckschwein – etwa hundert Zigaretten-Kippen auf dem irdenen Boden unterstreichen dies. Dass ein Mülleimer fehlt, ist längst noch keine Legitimation für diesen Umweltfrevel.
+++ Das Konzept der Sommerserie +++
Erst der Blick in Richtung Horizont beruhigt wieder das Gemüt. Der Wind flüstert im Laub der mächtigen Eichen, die in der Mittagsstunde für angenehmen Schatten sorgen. An exponierter Stelle des Tücking-Höhenzuges fällt die Aussicht nach rechts in Richtung Ruhrgebiet, nach links in Richtung Sauerland. Der stete Westwind treibt das sonore Autobahn-Dröhnen der A1 den Hang hinauf. Nur diese Geräusch-Kulisse verhindert das pure Voralpen-Gefühl. Das entsprechende Potenzial hätte dieser Ort, an dem sowohl Hunde- als auch Pferdebesitzer ihre Tiere an Leinen vorbeiführen, allemal.
Der Blick auf zwei Welten
Die in Hagen oft akademisch geführte Debatte, ob die Stadt denn nun zum Sauerland oder zum Ruhrgebiet gehöre, beantwortet sich hier von ganz allein: Beides ist richtig. Die Kraftwerks- und Industrie-Türme am Horizont gehören ebenso zur Geschichte der Stadt wie die begrünten Mittelgebirgshöhen, Autobahnbrücken und Windrad-Silhouetten auf der anderen Blickseite. Eine klassische Scharnierfunktion.
Einen Bergrücken weiter sollte einst mit einem ähnlichen Betrachtungsansatz zwischen Hinnenwiese und Kaiser-Friedrich-Turm ein Baumwipfelpfad etabliert werden. Hier hätte an einer geografischen Nahtstelle den Städtern des Ruhrgebiets die Schönheit der Sauerland-Natur nähergebracht werden können. Vor allem der jüngeren Generation, die ja so vehement gegen die Folgen des Klimawandels anzukämpfen gedenkt, hätten hier die Augen geöffnet werden können. Passé – dieser Zug ist mal wieder an Hagen vorbeigefahren.
Stattdessen gilt weiterhin die ernüchternde Bilanz: Outdoor-Freizeit-Verlockungen in Hagen – das sind Freilichtmuseum, Ruderboote am Hengsteysee und Minigolf bei Jägerruh. Ach ja: Und natürlich der Premium-Drei-Türme-Wanderweg, mit dem unsere kommunalen Touristiker sich so gerne schmücken und seitdem kreativ ausruhen. Übrigens ebenfalls eine Symbiose aus Natur- und Industrieerlebnis.
Attraktives Mountainbike-Revier
Die Wegstrecken rund um „Café Halle“ bieten ähnliches Freizeit-Potenzial – diesmal vielleicht vorzugsweise als Revier für Mountainbiker. Zwischen den A1-Anschlussstellen Haspe und Vorhalle ließe sich – mit bester Erreichbarkeit aus der Ruhrregion – wunderbar der „Tü-Trail“, also eine robuste Radroute über den Tücking-Bergrücken, etablieren. Eine Strecke mit landschaftlichen Reizen, sportlichen Herausforderungen und angesichts der spektakulären Fernblicke mit spannendem industriekulturellem Potenzial. Und der Gastro-Anbieter am Wegesrand, der der Tückingschulstraße am Wochenende allzu reichlich Anliegerverkehre von spazierfaulen Schlemmer-Gästen beschert, dürfte sich gegen eine solche Perspektive kaum zur Wehr setzen.
Zukunftsmusik – derartige Projektideen gehen in Hagen gewöhnlich im dichten Gestrüpp der Bedenken-Formulierer schnell wieder unter. Dem Landschaftsgenuss auf der beliebten Pausenbank tut das keinen Abbruch. Im Gegenteil: Wer den Blick auf Volmarstein und die Mischwälder, auf Pferdewiesen, Wolkenhorizont, aber auch vom Borkenkäfer vernichtete Fichtenholz-Restflächen weitgehend ungestört genießen möchte, braucht keine Radler-Kohorten. Landwirtschaftliche Kulturlandschaften vermischen sich mit Waldgebieten und Wohnquartieren, die sich die Hänge hinaufschmiegen. Typisch für eine Stadt mit vielen Flusstälern, die stets die ausbalancierte Symbiose zwischen Urbanität und möglichst unberührtem Naturerlebnis sucht.
Noch ein Schluck aus der Wasserflasche, der Biss in den Körner-Riegel und die Tour geht weiter. Ich komme wieder, um auszuruhen, das Panorama zu genießen, um nachzudenken und die Gedanken kreisen zu lassen. Solche Orte braucht eine Stadt: gar nicht kostspielig und doch so wertvoll.
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