Kreis Olpe. Alte Windeln, ausgeschlagene Zähne: Gewalt in der Pflege ist auch im Kreis Olpe ein Thema. Die Polizei will die Probleme in den Fokus rücken.
Es ist ein sensibler Bereich, über den in der Regel nicht in der Öffentlichkeit gesprochen wird. „Gewalt in der Pflege ist ein absolutes Tabuthema“, sagt Michael Kopsan, Opferschutzbeauftragter bei der Kreispolizeibehörde Olpe. Verlässliche Zahlen gibt es nicht, so der Kriminalhauptkommissar: „Es ist wichtig, dass das Thema in den Fokus gerückt wird. Auch wenn die reinen Zahlen im Kreis Olpe nicht sehr viele sind, ist das Dunkelfeld sehr groß. Davon bin ich überzeugt.“
In die Schlagzeilen gekommen sei das Thema durch den Krankenpfleger Nils H., der 2017 zahlreiche Menschen getötet hat. „Es rückte mehr in den Fokus. Daher startete im Oktober 2020 die Landeskampagne ‚Sicher im Alter‘, die sich unter anderem um auch mit dem Thema Gewalt in der Altenpflege beschäftigt“, so Kopsan. Bis zu Beginn der Coronazeit hielt der Opferschutzbeauftragte themenbezogene Vorträge im Kreis Olpe. Jetzt will er wieder damit beginnen, um vor allem Aufklärung und Aufmerksamkeit auf das Thema zu lenken.
Zähne ausgeschlagen
Bei der Polizei in Olpe gab es in der Vergangenheit vereinzelte Anzeigen. Es gab zum Beispiel einen Fall, bei dem ein Altenpfleger einem Mann zwei Zähne ausgeschlagen haben soll. Es wird jetzt ermittelt wegen Körperverletzung. „Man muss jeden Fall einzeln betrachten. Manchmal ist es auch so, dass Demenzkranke gewalttätig werden, um sich schlagen und Pflegekräfte angreifen“, sagt Michael Kopsan, „bei Gewalt in der Altenpflege ist es nicht immer leicht, zwischen Täter und Opfer zu differenzieren“.
Auch die Vernachlässigung von Pflegebedürftigen ist ein Thema. Vor einiger Zeit gab es im Kreis Olpe einen Fall, bei dem eine ältere Frau bei der häuslichen Pflege offensichtlich vernachlässigt wurde. „Ihre Fuß- und Fingernägel waren nicht geschnitten. Sie hatte offene Flächen im Rücken“, berichtet Kopsan.
Bei der Pflege gebe es unterschiedliche Formen der Gewalt, erläutert der Opferschutzbeauftragte: „Neben Schlagen, Treten, Boxen gibt es auch psychische Gewalt. Das kann emotionale Kälte sowie soziale Isolierung sein genau wie die Androhung einer Heimunterbringung. Es wird gesagt: Ich spreche nicht mir dir oder ich lasse den ganzen Tag die Musik spielen.“ Dazu können Vernachlässigungen der zu Pflegenden kommen: „Dann wird die Pampers nicht gewechselt, nichts zu trinken verabreicht oder das Essen vernachlässigt.“
Auch das Ausnutzen dieser Situation, sei eine Form der Gewalt und kann strafrechtlich relevant sein, dazu gehört die finanzielle Ausbeutung. Einen solchen Fall, der zur Anzeige kam, habe es in Olpe gegeben: „Da hatte eine Pflegekraft, die schon länger in einem Haushalt lebte, eine ältere Dame überredet, mit ihr zur Sparkasse zu gehen. Schleichend hat sie das ganze Vermögen abgehoben. Das waren Beträge von 1000 oder 2000 Euro, insgesamt 10.000 Euro.“
Intime Übergriffe
Als weiteren Bereich nennt Kopsan intime Übergriffe in der Pflege, zum Beispiel beim Waschen: „Das gibt es im Pflegeheim oder bei der Pflege Zuhause. Ein angezeigter Fall ist mir persönlich nicht bekannt, aber ich glaube schon, dass es im Dunkelfeld das auch bei uns im Kreis Olpe gibt.“
Es gebe auch Hemmnisse innerhalb der Familie, Fälle anzuzeigen, so der Opferschutzbeauftragte: „Opfer können sich in der Regel nicht mehr wehren, sie können nicht zur Polizei gehen und es anzeigen. Das Problem ist: Es muss jemand hinschauen, sonst bleibt es im Verborgenen.“ Und: „Pflegekräfte dürfen nicht unter Generalverdacht gestellt werden, denn auch im Pflegeberuf sind die Menschen überlastet und überfordert.“ Gerade bei der Pflege von Angehörigen sollte man sich vorher informieren, so Kopsan: „Da gibt es eine Anlaufstelle beim Kreis Olpe. Oft sind Pflegende schnell überfordert. Sie sind dann gereizt und nicht mehr handlungssicher.“
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Ganz wichtig sei, dass die Gewalt in der Pflege kein Tabuthema mehr sein dürfe, unterstreicht Michael Kopsan: „Außenstehende müssen hinschauen. Das gilt sowohl für Gewalt in Pflegesituationen als auch im Allgemeinen. Gerade Kinder und ältere Menschen in diesem Zustand sind die Schwächsten in unserer Gesellschaft.“