Attendorn. Uwe Hoh von den Motorradfreunden Sauerland arbeitet mit der Stadt Attendorn an einem Aktionstag gegen Motorradlärm. Worauf es ihm ankommt:

Die Landstraße 697 zwischen Helden und Attendorn ist eine beliebte Motorradstrecke. In den Serpentinen, so klagen vor allem Anwohner in Helden, drehen viele Fahrer am Gasgriff und lassen den Motor aufheulen. Um ein Verständnis für die Klagen der Anwohner zu erreichen und um die Motorradfahrer zu sensibilisieren, soll ein Aktionstag gegen Motorradlärm in Attendorn stattfinden. Wann genau, steht noch nicht fest. Diese erste von mehreren Ideen entstand während eines Ortstermins Mitte Juni mit verschiedenen Vertretern aus Politik, Polizei, Stadt, Anwohnern und der Motorradszene vor Ort an der Landstraße (wir berichteten).

Die Motorradszene wurde von Uwe Hoh und Veronika Neumann aus dem Vorstand der Motorradfreunde Sauerland, einem eingetragenen Verein, vertreten. Mit dem Vorstandsvorsitzenden und Fahrlehrer Uwe Hoh haben wir darüber gesprochen, wie gegenseitige Rücksichtnahme funktionieren kann.

Wie schaffen Sie es, Motorradfahrer für ein umsichtiges Fahren zu sensibilisieren, damit Anwohner an Abschnitten wie der L 697 ihre Ruhe finden?

Uwe Hoh Seit der Gründung unseres Vereins vor drei Jahren versuchen wir in einen konstruktiven Dialog mit Motorradfahrern auf der einen Seite und betroffenen Anwohnern auf der anderen Seite zu treten. Es ist uns dabei wichtig, mit offenem Visier und ohne den moralischen Zeigefinger, ohne jegliche Vorurteile, im Austausch ein gegenseitiges Verständnis aufzubauen.

Funktioniert das?

Wir sind auf einem guten Weg. Unser oberstes Ziel sieht immer vor, weitere Beschränkungen für Motorradfahrer zu verhindern. Wir hören in erster Linie aber zu. Und zwar denen, die sich lautstark für Einschränkungen einsetzen. Wir versuchen mit diesen Leuten die Gründe zu erforschen. Deswegen habe ich auch bei dem Ortstermin an der Landstraße 697 teilgenommen, um mir ein Bild vor Ort zu machen. Der Austausch ist dabei enorm wichtig. Das Motto unseres Dachverbandes Moto e. V. mit dem Titel „Dialog statt Verbot“ ist dabei das Gebot der Stunde.

Warum?

Weil durch Einschränkungen der Motorrad-Freizeit-Verkehr, gerade hier im Sauerland, nur umgelenkt wird. Das Problem haben wir zum Beispiel im Raum Winterberg, wo die B 236 in Richtung Albrechtsplatz für Motorradfahrer an den Wochenenden sowie an Feiertagen gesperrt wurde. Der Motorradverkehr wurde dadurch in Richtung Altastenberg / Westfeld praktisch umgeleitet, dies wiederum sorgt für Unmut bei den dortigen Anwohnern. Oder am Lenscheid zwischen Sundern und Rönkhausen, der temporär für Motorradfahrer ebenso zu ist. Nur können wir nicht alle Strecken schließen. Das kann nicht funktionieren, weil damit der Motorradverkehr auf bestimmte Strecken, wie im Beispiel Altastenberg / Westfeld, kanalisiert wird. Und dann haben wir noch ein schlechteres Ergebnis.

Streckensperrungen für Motorradfahrer lösen also kein Problem?

Richtig, es wird nur verlagert. Darüber hinaus führt es dazu, dass sich die Motorrad-Lobby selbst in ihren freiheitlichen Grundrechten eingeschränkt fühlt. Das ist doch klar. Mit bestimmten Markierungen oder Beschilderungen an den Strecken ist uns schon deutlich besser geholfen.

Wie schwer ist es in der Praxis, dieses gegenseitige Verständnis zu schaffen?

Mal schwerer, mal leichter. Es hat viel mit dem subjektiven Empfinden des Motorradlärms zu tun. Wir haben festgestellt, dass dort, wo viel Motorrad-Freizeit-Verkehr stattfindet, die Anwohner von entsprechenden Lärmpegeln berichten. Die Betroffenen hören schon den Lärm, obwohl noch gar kein Motorrad da ist. Sie assoziieren Motorradfahrer sofort mit Lärm. Während der Lockdowns saßen auch wir Motorradfahrer zu Hause und sind bei schönem Wetter losgefahren. Dadurch kam es auch außerhalb der Wochenenden zu vermehrtem Motorradverkehr. Ich komme gerne auf den Anfang zurück. Jeder hat seine Meinung, jeder hat seine Sichtweise, und das ist völlig okay. Aber wir sind hier, um in den Dialog zu treten. Ohne uns beschimpfen zu lassen und bitte ohne Vorurteile.

Sie haben häufig den Eindruck, dass über, aber nicht mit den Motorradfahrern gesprochen wird?

Ja, leider. Es wird über uns geurteilt, ohne mit uns zu reden. Es wird versucht, Strecken zu sperren, oder auf eine andere Weise für uns Motorradfahrer einzuschränken, ohne mit uns zu reden. Wenn ich doch mit jemanden ein Problem habe, dann gehe ich auf ihn zu, bevor ich irgendeine Entscheidung treffe. Im Endeffekt möchten wir als Motorradfahrer eine Chance bekommen, unsere Sichtweisen darzulegen und zu diskutieren. Ein Aktionstag, wie er in Attendorn angedacht ist, wäre dafür ein Baustein.

Es geht Ihnen also um eine Plattform, auf der alle Beteiligten offen und ungezwungen miteinander sprechen können?

Richtig. Und ganz wichtig: vorurteilsfrei. Damit mich niemand falsch versteht: Ich kann die Anwohner verstehen. Wenn ich im Garten an der L 697 sitzen würde, hätte ich auch meine Probleme. Aber es bringt doch nichts, wenn ich wutentbrannt den Finger auf den bösen Motorradfahrer richte. Von daher sind wir als Motorradfreunde Sauerland sehr dankbar für den Schritt der Stadt Attendorn und die Möglichkeit, hier mitwirken zu können, um über Ansätze eine gemeinsame Lösung zu finden.

Fahren mit Verstand lautet ihr Credo. Wie überzeugen sie ihre Kameraden von diesem Leitgedanken?

Wir haben es in der rechten Hand, wie wir als Motorradfahrer wahrgenommen werden möchten. Deswegen müssen wir auf eine vorausschauende, eine vernünftige und angepasste Fahrweise achten. Ich muss so fahren, dass ich in Gefahrensituationen noch reagieren kann. Das gehört für mich alles zum Fahren mit Verstand dazu, hinzu kommt eine gewisse Umweltfreundlichkeit. Es geht uns darum zu vermitteln, dass man sein Fahrzeug hochschalten muss und eben nicht im zweiten Gang die Motorleistung bis ans Limit dreht. Das braucht kein Mensch und macht unnötig Lärm. Viele Biker haben das Bedürfnis, ihr Motorrad zu optimieren. Das fängt beim Lackdesign an und geht bis zur Auspuffanlage. Ich habe Verständnis für diejenigen von uns, die einen anderen Sound bei ihrem Motorrad anbringen wollen. Das ist völlig legitim, solange diese Bauteile geprüft und zugelassen sind. Und solange wir rücksichtsvoll fahren. Unser Sauerland ist keine Test- oder auch Rennstrecke.

Über wie viele Motorradfahrer, die zu schnell und zu laut unterwegs sind, sprechen wir? Vermutlich ist es am Ende die berühmte Eisbergspitze, die herausragt?

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Wenn man die Gesamtheit der etwa 4,2 Millionen Motorradfahrer in Deutschland betrachtet, sind es wirklich nur sehr wenige. Was uns aufgefallen ist: Es sind viele dabei, die gar nicht hier aus der Region kommen. An die heranzukommen, ist ungleich schwerer als an die hier heimischen Fahrer.

Wie erreichen Sie die wenigen bzw. auswärtigen Motorradfahrer?

Diese Frage haben wir uns auch gestellt. Wie erreichen wir zum Beispiel den Motorradfahrer aus Holland? Oder den Motorradfahrer aus dem Ruhrgebiet, der gerne ins Sauerland kommt. Wie können wir ihm die Problematik hier vor Ort näherbringen? Vielleicht über eine App oder Informationsmaterial, die den Motorradfahrer auf die besonders lärmempfindlichen Strecken hinweist. Hier sind wir auch bei unserem angedachten Aktionstag, bei dem wir alle Biker einladen, mal an einem bestimmten Punkt rechts rauszufahren, um mit uns und den Anwohnern der L 697 über die Probleme und Sorgen zu sprechen. Wenn wir mit ihnen den konstruktiven, ehrlichen und offenen Dialog suchen. Wer miteinander spricht, findet auch Lösungen, da bin ich mir sicher. Am Ende muss es darauf hinauslaufen, dass alle Parteien ein Stück weit Einsicht zeigen und aufeinander zugehen.

Wann findet denn der anvisierte Aktionstag in Attendorn statt?

Das können wir leider noch nicht genau sagen. Wir sind in einem sehr konstruktiven Austausch mit der Stadt Attendorn. Allerdings ist die diesjährige Motorradsaison auch fast vorbei, Ende Oktober stellen viele Motorradfahrer ihr Motorrad in die Garage. Wir sind in der Überlegung, den Aktionstag entsprechend später, aber wirksamer für den Saisonbeginn 2022 zu planen. Damit unsere Botschaft „Leis ist kein Scheiß – Fahre mit Verstand durch das Sauerland“ über den Winter nicht in Vergessenheit gerät. Trotz der Saisonpause möchten wir als Verein natürlich weiterhin tätig bleiben, und ich könnte mir sehr gut vorstellen, während dieser Zeit eine Art „Bürgerabend“ in Attendorn zu veranstalten. Das Anliegen der Betroffenen interessiert uns sehr, und ein respektvoller Austausch kann ebenfalls zur Lösung beitragen.

+++ Zur Person +++

Uwe Hoh ist 50 Jahre jung, verheiratet und Vater von vier Kindern. Er lebt zwischen Lüdenscheid und Werdohl. Von Beruf ist er Fahrlehrer. Zudem ist er Erster Vorsitzender des Vereins Motorradfreunde Sauerland.