Plettenberg/Attendorn. Wie geht es den Menschen in der Ukraine? Die Initiative Bus Brücke aus Attendorn und Plettenberg war vor Ort. Über Eindrücke, die geprägt haben.
„Bombenalarm und die Erlebnisse, die uns in der Ukraine widerfahren sind, haben uns darin bestärkt, wie wichtig es ist, den Menschen zu helfen, die dort weg möchten.“ 26 Kinder, 18 Frauen und 2 Männer konnte die Bus Brücke, eine Initiative aus Plettenberg und Attendorn, bei der letzten Abhol-Aktion direkt aus der Ukraine mit nach Deutschland bringen. Die Helfer und Unterstützer haben eine unbeschreiblich emotionale und nervenaufreibende Reise hinter sich. Bombenalarm, Abschiedsszenen und elf Stunden an der polnisch-ukrainischen-Grenze, um auf die Ausreise zu warten. Florian König und Albrecht Brodhun von der Bus Brücke berichten von der Abhol-Aktion.
Wie hat die Bus Brücke das organisiert?
Wir hatten – wie auch die letzten Male – Unterstützung von einer polnischen Tochtergesellschaft der Prange Gruppe. Diese hat uns den Bus vermittelt, diesen mit Lebensmitteln für die Fahrt bestückt und die Reise für uns Helfer von Polen in die Ukraine organisiert. Um 2 Uhr am Samstagmorgen ist die Helfergruppe aus dem Sauerland in Lemberg angekommen.
Wie ist der Kontakt mit den Menschen, die die Ukraine verlassen wollten, und der Bus Brücke zustande gekommen?
Viele Menschen hatten sich im Vorfeld über Freunde und Verwandte, die in Plettenberg, Attendorn oder generell in Deutschland leben, gemeldet, dass sie mit uns die Ukraine verlassen möchten. Andere haben uns über Facebook und Instagram angeschrieben und sind durch das ganze Land gereist, um mit uns zu fahren. In Lemberg am Bahnhof haben wir zudem noch weitere Menschen aufgelesen. Wir sind froh, dass wir so vielen Menschen unsere Hilfe anbieten konnten. Viele Menschen verlassen die Ukraine.
Was ist das für ein Gefühl, genau in die entgegengesetzte Richtung, in das Land hineinzufahren?
Es ist ein komisches und auch beklemmendes Gefühl. Als würde man gegen den Strom schwimmen. Die Stopps an den Checkpoints im Landesinneren haben dieses Gefühl noch einmal unterstrichen. An jedem Checkpoint sind Soldaten in die Busse gekommen, um unsere Pässe zu kontrollieren. Man muss sich in dieser Situation vor Augen führen, wir hatten Helfer dabei, die selbst erst vor kurzem aus der Ukraine geflüchtet sind, eben um dem Krieg zu entgehen. Jetzt sind sie wieder mittendrin. Gerade während der Bombenalarme, die wir miterlebt haben, ging mir dieser Gedanke immer wieder durch den Kopf. Sie erleben das jetzt noch einmal mit, weil sie unsere Organisation unterstützen und andere Menschen in der Ukraine helfen möchten. In der Nacht hat die Gruppe mehrfach einen Bombenalarm in Lemberg erlebt. Der Raketenalarm hat uns aus dem Tiefschlaf gerissen. Wir mussten immer wieder in den Keller des Hotels, um uns in Sicherheit zu bringen. Dieses Erlebnis hat uns noch einmal darin bestärkt, wie wichtig es ist, den Menschen zu helfen, die dort weg möchten.
Und mit der Ausreise kam die Erleichterung?
Es war schon ein Gefühl der Erleichterung, es unversehrt aus dem Land heraus geschafft zu haben – gerade nach der Nachricht, dass unmittelbar nachdem wir Lemberg verlassen haben, Raketen eingeschlagen sind und es Tote und Verletze gibt. Trotz der prekären Lage würden wir aber jederzeit wieder hinfahren, um Menschen aus dem Land und hierhin zu holen. Dafür benötigen wir nur genügend Wohnraum, um den Menschen auch eine Unterkunft anbieten zu können. Wir bitten deshalb jeden, der eine Wohnung anbieten kann, dies zu tun. Sie ermöglichen den Menschen in Sicherheit zu leben und retten damit Leben. Derzeit hört man in den Medien, dass vermehrt Geflüchtete zurückreisen. Insbesondere nach den Erlebnissen am Wochenende glaube ich, dass diese Menschen sich in falscher Sicherheit wägen. Viel von dem, was in der Ukraine passiert, bekommen wir in Deutschland gar nicht mit.
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Wie lässt sich die Atmosphäre in der Ukraine beschreiben?
Es herrscht eine große Hilfsbereitschaft. Gleichzeitig ist die Atmosphäre sehr gedrückt. Läden, Restaurants und Bars sind in Lemberg geöffnet, aber man sieht kein einziges Lächeln. Die Angst und die Ungewissheit sind allgegenwärtig. Vor allem die Angst, einen geliebten Menschen nicht wiederzusehen. Einen solchen Moment habe ich selbst miterlebt. Es war sehr ergreifend. Margarita, eine unserer ukrainischen Helferinnen, traf sich in Lemberg mit ihrem besten Freund. Er kam aus Kiew dorthin, wo sie beide herkommen, um ihr einige Sachen zu bringen. Die Wiedersehensfreude nach mehreren Wochen war groß. Noch viel ergreifender war am Ende des Treffens jedoch der Abschied. Man konnte den beiden ansehen, wie schwer ihnen das fiel. Sie haben Angst, dass sie sich nie wieder sehen. Und das geht nicht nur besten Freunden so. Das sind Frauen, die sich von ihren Männern verabschieden, Kinder von ihren Vätern und es ist einfach kein Ende des Krieges in Sicht. Das ist unendlich traurig und erschütternd. Insgesamt elf Stunden hat die Gruppe mit dem Bus bei der Ausreise an der Grenze verbracht. Wir standen mit dem Bus in einer Schlange und mussten warten, dass wir aus der Ukraine ausreisen können. Unsere Pässe und das Gepäck wurden mehrfach kontrolliert. Es war sehr viel los, aber das rechtfertigt meines Erachtens keine elf Stunden. Wir fragen uns, warum das so lange gedauert hat. Das hat mir den Eindruck vermittelt, dass man den Menschen in der Ukraine derzeit Barrieren aufbauen möchte, um ihnen die Ausreise zu erschweren.
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Wie geht es den Menschen jetzt, die mit der Bus Brücke am Wochenende nach Deutschland gekommen sind?
Es war ein bewegendes und anstrengendes Wochenende. Alle Menschen, die mit uns gekommen sind, konnten wir noch am Abend der Ankunft in ihre Unterkünfte bringen. Sie sind sehr dankbar, dass wir ihnen geholfen haben. Auf der langen Fahrt wurde mehrfach gefragt, wo wir mit ihnen hinfahren und warum die Reise so lange dauert. Das ist vollkommen verständlich. Viele haben Angst verschleppt zu werden. Deshalb war es uns auch so wichtig, Unterstützer bei uns zu haben, die die Sprache sprechen und vermitteln können, dass wir nur gute Absichten haben und helfen wollen. Die Bus Brücke möchte auch weiterhin vor Ort helfen. Das ist allerdings nur möglich, wenn Wohnungen vorhanden sind – nicht nur im Märkischen Kreis und im Kreis Olpe, auch darüber hinaus.