Attendorn. Susanne Gehrmann (39) aus Attendorn hat ihren Job gekündigt und sich selbstständig gemacht. Mit ihrer Malerei möchte sie Gefühle transportieren.
Wenn Susanne Gehrmann malt, liegen ihre Leinwände auf dem Boden. Oder stehen angelehnt an den weißen Wänden. Bunte Striche sind dort zurückgeblieben, wo die Leinwand aufgehört hat. „Wenn ich male, dann male ich mit vollem Einsatz. Ohne Hemmungen“, sagt die 39-Jährige aus Attendorn und lacht. Wenn sie sich zum Malen in den kleinen, quadratischen Raum im Untergeschoss ihres Hauses zurückzieht, legt sie meistens zwar Abdeckfolie und Pappe aus. Trotzdem landen hin und wieder Farbspritzer daneben. So ist das eben in ihrer kreativen Werkstatt, so darf es auch sein. An der Decke hängt noch ein Beamer, ausgerichtet auf die gegenüberliegende Wand. „Vorher war das eine Art kleines Heimkino von meinem Mann“, erklärt Gehrmann. Das war einmal.
Mit Kunst groß geworden
Susanne Gehrmann ist mit Kunst groß geworden. „Meine Mutter hat mich schon als Kind zu Künstlern mitgenommen, die Einblicke in ihr Arbeiten gegeben haben. Wir haben viele Ausstellungen besucht und ich durfte auch selbst einige Malkurse belegen. Ich wurde schon früh gefördert“, sagt sie. Ihre Mutter habe selbst gerne gemalt, sich gern mit Speckstein und Aquarell ausprobiert. Sie vermittelte ihr den Mut zum Experimentieren, zum Gestalten. Und vor allem: das Gefühl. Das Gefühl, das im Inneren entsteht, mit Pinsel, Farbe und Spachtel zum Ausdruck gebracht wird und auf der Leinwand ein Bild ergibt. „Das ist für mich das Schönste. Wenn sich das Gefühl beim Malen auf den Betrachter überträgt“, meint Gehrmann. Dabei sind diese Emotionen ganz individuell. Denn die abstrakten Acryl-Bilder öffnen einen Raum für verschiedenste Wahrnehmungen und damit für Verständnis.
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„Meistens habe ich schon eine Idee, ein Bild, im Kopf. Das Bild, was dann entsteht, ist aber nie so, wie ich es mir vorgestellt habe. Und das ist auch völlig in Ordnung“, so Gehrmann. Solange eine Stimmung transportiert wird. Ob ruhig oder dynamisch, ob verträumt oder lebendig. „Womit ich nichts anfangen kann, ist, wenn jemand sagt, das Bild sei ‘schön’. Das hat für mich wenig Aussagekraft“, meint Gehrmann und lacht.
Anders als ihre Mutter ist Susanne Gehrmann einen Schritt weitergegangen. Sie malt nicht mehr länger nur für sich selbst. „Freunde sind vermehrt auf mich zugekommen und haben mich gefragt, ob dieses oder jenes Bild von mir sei. Ich habe viel positives Feedback bekommen. Das hat sich dann ein wenig herumgesprochen. Und als ich meine Kunst dann auf Instagram gezeigt habe, wurden dann auch andere auf meine Bilder aufmerksam“, erzählt Gehrmann.
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Sie merkte, dass ihre Kunst gut ankam, dass es ein Interesse gab, sie zu kaufen. Aus dem leidenschaftlichen Hobby wurde mehr. „Irgendwann hatte ich aber immer mehr das Gefühl, dass ich der Kunst nicht mehr so gerecht werden konnte, wie ich es wollte.“ Um sich voll und ganz in ihre Leidenschaft hineinzustürzen, entschied sie sich deswegen für einen mutigen Schritt. Sie kündigte ihren sicheren Job als Erzieherin und machte sich als Künstlerin selbstständig. Das war im Oktober 2021. Heute, ein halbes Jahr später, hat sie schon Bilder in die Schweiz und nach Mallorca verkauft.
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Ihre Werke sind vielmehr als gerahmte Leinwände. Jedes Bild hat eine Botschaft, eine Geschichte. Wenn sie die kleine Kreativ-Werkstatt im Untergeschoss verlassen, finden sie erstmal Platz an den Wänden im Flur, im Wohn- oder Esszimmer oder in der Küche. Susanne Gehrmann hängt jedes ihrer fertiggestellten Bilder selbst bei sich auf. Um zu schauen, wie sie im Raum wirken. Aber auch, um so besser Abschied nehmen zu können. „Wenn ich ein Bild auf Reisen schicke, dann ist das auch immer etwas Persönliches. Als ob meine Kinder das Haus verlassen“, sagt sie. Etwas Melancholie schwingt dabei immer mit; aber auch Freude. „Für mich ist das Gefühl, andere mit meinen Bildern zu berühren, viel stärker als der Wunsch, das Bild unbedingt selbst behalten zu wollen. Außerdem habe ich mit dem Auszug auch immer Platz für Neues.“
Am liebsten tobt sich Susanne Gehrmann auf großen Leinwänden aus. 1 x 1 Meter oder 1,20 x 1 Meter. Ihre Kunst muss wirken. In der Rege haben die Bilder einen Titel. Signiert sind sie jedoch nur auf der Rückseite. „Ich möchte keine Vorgaben machen, sodass der Betrachter vielleicht schon in eine Richtung gelenkt wird“, meint Gehrmann. Sie ist ein Bauchmensch, dem es nicht auf Perfektion ankommt. Was zählt, ist Transparenz und Ehrlichkeit.
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Den Wunsch, als freischaffende Künstlerin arbeiten zu können, hat sich Susanne Gehrmann bereits selbst erfüllt. Für 2022 würde sie gerne eine eigene Ausstellung in der Region realisieren. Und eventuell auch ein eigenes Atelier außerhalb des Hauses finden. Vielleicht könnte sich ihr Mann dann wieder ein Heimkino im Untergeschoss einrichten. Mit Farbspritzern an der Wand.