Hagen. Andreas Geitz aus Hagen will für die Alternative für Deutschland (AfD) in den Bundestag. Seine Kinder stehen aber den Grünen nahe.
Humor hat er ja, dieser Mann. Als der Fotograf uns am ersten Ziel dieser kurzen Reise noch einmal bittet, im Schatten des Eugen-Richter-Turms in Hagen Platz zu nehmen, grinst er und sagt: „Dann muss ich wohl nach rechts. Rechts ist ja meins...“
Und weil er ja Humor hat und diesen Spruch mit Sicherheit noch nie gehört hat (Ironie aus), muss er an dieser Stelle einfach sein: Geitz ist geil! Wobei: Dieser Geitz, der 56-Jährige mit Humor, ist in den Augen vieler gar nicht geil. Denn: Geitz ist seit 2019 Mitglied der Alternative für Deutschland, will für die Partei, die viele durchaus für rechtspopulistisch halten und bei der der Verfassungsschutz rund 1000 Mitglieder in NRW beobachtet, in den Bundestag. Die AfD Hagen und die AfD Ennepe-Ruhr haben den Familienvater als ihren Kandidaten für die Bundestagswahl nominiert.
Wahlkampf mit Kindern am Küchentisch
Damit hat der Wahlkampf für den Inhaber eines Reise- und Fahrdienstes, der auch selbst täglich hinter dem Steuer sitzt, Kinder morgens und mittags zu ihren Schulen und wieder nach Hause fährt, auch schon begonnen. Es ist zunächst ein Wahlkampf am Küchentisch oder im Wohnzimmer: „Meine Kinder stehen eher auf der Grünen-Seite“, sagt er, „wir diskutieren oft leidenschaftlich, auch mal laut. Manchmal auch den ganzen Abend lang. Das muss man sich vorstellen wie bei Schalke gegen Dortmund.“
Politisch mag er ihnen mal näher gewesen sein. Das war in der Zeit, als Andreas Geitz noch ein SPD-Parteibuch (Ortsverein Hohenlimburg) hatte. Es war die Zeit, als er Männer wie Willi Brandt und Helmut Schmidt bewunderte. Er mochte die soziale Ausrichtung. Dann kam Schröder. Dann kam Hartz IV. Und all das fand Geitz gar nicht mehr geil. Die SPD, in der er eher passives Mitglied war, war nicht mehr seine Partei.
Eine Sache des Blickwinkels
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Dafür die AfD – nach Diskussionen in der Familie, nach Debatten mit seinen Mitarbeitern. Weil er gefürchtet hatte, dass so eine Mitgliedschaft und die öffentlichen Mandate Konsequenzen hätten haben könnten. „Die Leute kennen mich seit 30 Jahren als Geschäftsmann. Sie wissen, dass ich integer bin“, sagt Geitz, der sich selbst als „sozialen“ und „konservativen“ Demokraten bezeichnet, der Sachpolitik favorisiert. „Von daher gab es trotz mancher kritischen Fragen zum Glück keine Probleme.“
Der kurze Aufstieg von der Gaststätte Waldlust war steil. Geitz Atem („Ich bin eher Fahrer, nicht Läufer“) beschleunigte an den steilen Steigungen. Schweiß trat auf den Kopf, der nur noch von einigen Haaren bedeckt ist. Wieder Humor: „Das macht ihr doch extra, damit ich auf den Fotos nicht so gut aussehe“, sagt er. Als wir schließlich auf der Treppe vor dem Turm Platz genommen haben, hat er sich mit einem Taschentuch provisorisch getrocknet.
So sitzen wir am Eugen-Richter-Turm und plaudern. Er rechts, der Reporter links, aus Fotografensicht allerdings umgekehrt. Politik ist manchmal vielleicht auch eine Sache des Blickwinkels...
Kritischer Blick auf Landesverbände im Osten
Geitz jedenfalls erzählt, dass er keineswegs ideologisch verbohrt sei. Genau das aber wirft er der Konkurrenz vor – verkrustete Strukturen, Mauscheleien, Parteienfilz. Deshalb seine Entscheidung für die AfD, bei der er das Treiben in manchen Ostdeutschen Landesverbänden durchaus kritisch sieht: „Aber man darf nicht vergessen, dass viele dort Jahrzehnte sozialistischer Diktatur hinter sich haben“, sagt er, „die Furcht, dass solche Zeiten zurückkehren könnten, ist da.“
Geitz trägt ein weißes Hemd im Wald, das Sakko wirft er irgendwann über die Schulter. Also die Frage wofür er steht, während wir gehen. „Vieles, was uns immer wieder vorgeworfen wird, stimmt einfach nicht“, will er mit Vorurteilen, die der AfD und ihren Mitgliedern allenthalben begegnen, aufräumen: „Ich bin bestimmt nicht ausländerfeindlich“, sagt er. „Ganz im Gegenteil. Ich engagiere mich ja selbst im Integrationsrat. Mir kommt es auf das Argument an. Ich lasse mich auch überzeugen, bin kein Betonkopf. Aber letztlich ist meine Motivation auch, die Interessen der Partei zu vertreten und auch durchzusetzen.“
Im politischen Abseits
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Überzeugen allerdings kann sie die anderen selten, diese AfD, die auch in Hagen im politischen Abseits steht. Geitz ist Mitglied des Rates, Mitglied in diversen Ausschüssen und in der Bezirksvertretung Haspe. Und doch fühlt er sich nicht als Teil des Ganzen. „Es ist doch für viele nicht vorstellbar, gemeinsam mit uns einen Antrag zu stellen“, sagt er, „dabei geht es doch vor Ort immer um die Sache.“
Es soll aber nicht nur um Politik gehen auf diesem beschwerlichen Weg. Sondern auch um ihn: Andreas Geitz, den Unternehmer, den Mann aus Boelerheide. Also erzählt er davon, wie er sich neben dem Schülerverkehr mit einem Partner darauf spezialisiert habe, Reisen für Menschen mit Behinderung zu organisieren. Er erzählt, wie er einst einen Rollstuhl die Treppen zum Jazz-Club „Andy’s Pub“ in Chicago hinab hievte und ein Rechtsanwalt ihm sofort ein Kärtchen in die Hand drückte. Für den Fall, dass der Rollstuhlfahrer nicht reindürfe, könne man ja klagen.
Kaum Chancen auf Direktmandat
Klagen tut er auch ein bisschen – dieser Andreas Geitz. Zum Beispiel darüber, dass er sich auch von dieser Zeitung unlängst nicht fair behandelt fühlte. Es ging um den Vorwurf, er würde sich mit einem Arztschild Vorteile beim Parken erschleichen, obwohl er ja gar kein Mediziner sei. „Meine Frau arbeitet in der Intensivmedizin. Sie ist auf das Schild angewiesen“, argumentiert Geitz, der in dem Artikel seine Sicht der Dinge schildern durfte, aber meint, dass da aus einer Mücke ein Elefant gemacht worden sei.
Kurzer Blick zwischen den Bäumen hindurch auf die Stadt, für die er sich ehrenamtlich engagiert. Und jetzt mal ehrlich: Das mit dem Bundestag kann doch nichts werden… Dass die AfD den Wahlkreis direkt gewinnt, ist trotz aller Unwägbarkeiten so wahrscheinlich, wie hier im Hagener Stadtwald einem Grizzlybären zu begegnen.
Nur 20 Kandidaten auf der AfD-Landesliste
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Das Geitz, der seinen Schwerpunkt im Bereich Wirtschaftspolitik sieht, über die Landesliste nach Berlin kommt, ist schier unmöglich. „Es gibt nur 20 Plätze in NRW. Ich bin nicht dabei“, sagt er. Warum nicht mehr? Der Parteitag (verteilt auf zwei Wochenenden) muss offenbar nicht von großer Harmonie geprägt gewesen sein. Dass es überhaupt für 20 Kandidaten gelangt hat, ist wohl der eigentliche Erfolg. Basisdemokratisch – nennt Geitz das. „Wir wollen ja streiten, wollen diskutieren. Man muss ja auch zu einer gewissen Streitkultur kommen…“
Die Konsequenz: „Ich weiß zwar, dass ich keine Chance habe – aber die will ich nutzen“, sagt Geitz. Immerhin: Er freue sich auf den Austausch mit den Mitbewerbern. „Ich bin froh, meine Vorstellungen vortragen zu können“, sagt er. Und er kündigt an: „Ich werde das Gesagte auch nicht immer ohne Widerspruch stehen lassen.“
Ein schwieriges Unterfangen
Die politische Diskussion will Geitz („Ich bin fair, komme eigentlich mit jedem klar“) trotzdem weiter führen. Wenn schon keine Reden im Parlament, dann wenigstens Diskussionen in den Hagener Gremien. Und am Küchentisch mit den Kindern, die er gern noch vor der Wahl überzeugen möchte: Damit sie ihr Kreuz bei ihm und nicht bei Janosch Dahmen, dem Grünen-Kandidaten machen. Ein schwieriges Unterfangen...